Reform der zweiten SäuleJetzt kommt der Aufstand der Bürgerlichen
Der Bauernverband lehnt die Rentenreform ab, auch die Gastrobranche ist skeptisch. Gewerkschaften und Linke sind ohnehin dagegen. Droht dem Projekt der Absturz?

Nachdem bereits die Gewerkschaften das Referendum angekündigt haben, formiert sich auch bei den Bauern und im Gastgewerbe der Widerstand gegen die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat am Donnerstag in einer Vorstandssitzung entschieden, die Vorlage wegen der hohen Zusatzbelastungen abzulehnen. Die von den Räten beschlossene Reform würde in der Landwirtschaft zu Mehrkosten für die berufliche Vorsorge von fast 70 Prozent oder jährlich 30 Millionen Franken führen. Das
sei in der bereits angespannten wirtschaftlichen Situation der Bauernbetriebe nicht tragbar, sagt SBV-Präsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter.
Auch die Verbände von Gastgewerbe und Hotellerie dürften die Reform aus dem gleichen Grund ablehnen, offiziell Stellung bezogen haben Gastro Suisse und Hotelleriesuisse indes noch nicht. Vor allem in Branchen mit einem hohen Anteil an Teilzeitangestellten und Geringverdienern ist die Skepsis gegen die Reform gross. Diese hat zum Ziel, dass Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen und Teilzeitangestellte künftig in der zweiten Säule besser versichert sind. Dies wird erreicht durch die Senkung des sogenannten Koordinationsabzugs, womit ein höherer Anteil des Lohnes versichert ist.
250 Millionen Mehrkosten für Gastrobranche
Damit steigen aber auch die Pensionskassenbeiträge von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern. Gastro-Suisse-Präsident Casimir Platzer warnt denn auch in einem Schreiben an Parlamentarier vor hohen Zusatzkosten für seine Branche. Laut Berechnungen des Gastgewerbeverbandes, die dieser Redaktion vorliegen, entstehen der Branche Zusatzkosten zwischen 230 und 256 Millionen Franken pro Jahr. Diesen Betrag müssten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmende je hälftig teilen.
Auch andere Branchen befürchten hohe Zusatzbelastungen. Am nächsten Donnerstag wird der Schweizerische Gewerbeverband Position zur BVG-Reform beziehen. Diese befindet sich im parlamentarischen Prozess auf der Zielgeraden. Am Montag und Dienstag werden National- und Ständerat voraussichtlich die letzten Differenzen bereinigen. Dann muss die Vorlage am Freitag, 17. März, noch die Schlussabstimmung in beiden Kammern überstehen.
Im Ständerat dürfte die Reform eine Mehrheit erhalten. Offener ist der Ausgang im Nationalrat. Dort wird die Linke wohl geschlossen gegen die Reform stimmen, FDP, Mitte und GLP hingegen dafür. Offen ist, ob der Widerstand von Gewerbe und Bauern zu vielen Nein-Stimmen in der SVP führt.
Laut Fraktionschef Thomas Aeschi wird die SVP der Vorlage zustimmen. Die Fraktion habe diesen Dienstag einstimmig bei 8 Enthaltungen für die Reform votiert.
Obwohl Gewerbe- und Bauernverband im bürgerlichen Lager verankert sind, will sich auf bürgerlicher Seite wohl keine Partei dem Vorwurf aussetzen, Verbesserungen für Teilzeitangestellte und damit vor allem für Frauen zu verhindern. Denn nach der nur knappen Annahme der AHV-Reform mit Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre versprachen die bürgerlichen Befürworter, die Rentensituation der Frauen in der zweiten Säule zu verbessern.
Doch selbst wenn das Parlament die Vorlage verabschiedet, wird sie in der Volksabstimmung einen schweren Stand haben. Die Gewerkschaften kritisieren an der Reform, dass viele Versicherte höhere Beiträge leisten müssten und trotz Kompensationszahlungen Rentenkürzungen hinnehmen müssten. Für Geringverdiener wiederum habe die Versicherungspflicht keinen Nutzen, da sie im Alter trotzdem auf Ergänzungsleistungen angewiesen seien.
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