Jetzt muss der neue Präsident der ETH Zürich Brücken bauen
Joël Mesot übernimmt die Leitung einer der weltweit besten Hochschulen. Er muss dabei viel Fingerspitzengefühl beweisen.

Diskret, klar, effektiv – mit einer Prise trockenem Humor. So beschreibt Fritz Schiesser, Präsident des ETH-Rats, Joël Mesot, seit gestern offiziell der designierte Präsident der ETH Zürich. Der Bundesrat hat ihn auf einstimmige Empfehlung des ETH-Rats gewählt. Mesot ist seit 2008 Direktor des renommierten Paul-Scherrer-Instituts (PSI) in Villigen.
Der Physiker Mesot folgt am 1. Januar 2019 auf den Maschineningenieur Lino Guzella, der nach vier Jahren zurücktritt. Er übernimmt das mächtigste Amt in der Hochschullandschaft Schweiz. Die ETH Zürich gehört zu besten Hochschulen weltweit, verfügt über ein Jahresbudget von mehr als 1,8 Milliarden Franken, zählt über 20'000 Studierende und Doktoranden, und mehr als 500 Professoren forschen und unterrichten an der Hochschule.
Spross der ETH
Die Physiker scheinen auf dieses einflussreiche Amt abonniert zu sein. In den letzten gut zwanzig Jahren ist es nun das dritte Mal, dass der Präsident aus der Forschergemeinde der Physiker stammt. Der 54-jährige Mesot, aufgewachsen in Genf, ist zudem ein Spross der ETH Zürich, er studierte und promovierte hier. Dann zog es ihn nach Frankreich und in die Staaten, ab 2004 leitete er das Labor für Neutronenstreuung am PSIn. Drei Jahre später wurde der zweifache Familienvater dessen Direktor.
Eine steile Karriere. Er ist ehrgeizig, doch man sieht es ihm nicht an, wie von einem ehemaligen Mitarbeiter zu erfahren ist. Mesot wirkt smart, als er gestern an der Medienkonferenz seinen ersten Auftritt hat. «Sie werden nichts von meinem trockenen Humor mitbekommen, ich bin zu angespannt», beginnt er, um sofort über seine Rolle zu sprechen. Zum Beispiel über seine Aufgabe, die besten Forscher der Welt zu rekrutieren, damit die Exzellenz der Hochschule auch in Zukunft garantiert sei. Das sagten auch seine Vorgänger – nur wird das globale Umfeld für die kleine Schweiz immer anspruchsvoller. Staaten wie China, so erklärt er, würden das Forschungsbudget um Milliarden weiter aufstocken. «Unsere Strategie muss deshalb ständig weiterentwickelt werden», so Mesot.
Der neue ETH-Präsident bringt die Voraussetzungen mit, die Hochschule auch in Zukunft weiterzubringen. Als er vor zehn Jahren die Leitung des PSI übernahm, arbeiteten 1300 Mitarbeitende dort, heute sind es rund 2100. Als Direktor eines der grössten Forschungsinstitute der Schweiz kennt er sich auch in der Bildungslandschaft aus und ist international vernetzt. Der Bundesrat sieht in ihm einen Brückenbauer zwischen der ETH Zürich und dem Pendant in Lausanne. Bereits heute ist Mesot Professor an beiden Hochschulen. Die Zusammenarbeit zwischen Zürich und Lausanne war unter seinem Vorgänger Lino Guzzella mehr als harzig.
Schwieriges Umfeld
Dennoch dürften unter den Professoren in Zürich einige Vorbehalte haben. Das sind all jene, die sich seit Jahren eine gesellschaftlich engagiertere und vor allem kommunikativere ETH wünschen. Physiker und Ingenieure gelten als Technokraten, die das Heil vor allem in technischen Lösungen suchen. Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften beispielsweise haben auch heute noch nicht die Bedeutung der Grundlagenforschung. Hinzu kommt, dass der ETH-Präsident viel Fingerspitzengefühl braucht im Umgang mit den Institutsvorstehern, die gerne ihren eigenen Weg gehen.
Die Vereinigung der Kader des Bundes hat zudem eine erweiterte Vorstellung von der Qualität eines Hochschulbetriebs. In einem Brief an den ETH-Rat fordert sie unter anderem attraktivere Entwicklungsmöglichkeiten nicht nur für exzellente Forscher, sondern für sämtliche Mitarbeiter der ETH. Berufungen und Beförderungsentscheidungen sollen verbessert werden, indem der Präsident und die sachkompetenten Gremien sich enger aufeinander abstimmen.
Ob sich der neue ETH-Präsident auf diese Forderungen einlassen will, wird sich weisen. Fragt man in Kreisen des PSI, so hört man nur Positives. Joël Mesot gilt als guter Zuhörer mit einer diplomatischen Ader, er verfügt über einen breiten Horizont, der weit über die Physik hinausgeht.
Ein guter, zurückhaltender Kommunikator sei er, sagt Fritz Schiesser, Präsident des ETH-Rats. Ob das reicht, um auch in Krisenzeiten wie etwa nach den Mobbingfällen im letzten Jahr souverän in der Öffentlichkeit aufzutreten? Dem Paul-Scherrer-Institut hat die Zurückhaltung jedenfalls nicht gut getan. In der Öffentlichkeit ist das Institut nicht mehr präsent.
(Redaktion Tamedia)
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