Jetzt steht der Kritiker unter Beschuss
Nach Rücktritten im Stiftungs- und im Verwaltungsrat von Ethos kam es zu schweren Vorwürfen an deren Präsident Dominique Biedermann. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Anlagestiftung.

Dominique Biedermann ist es sich gewohnt, den Firmenchefs die Leviten zu lesen. Das Doppelmandat von Peter Brabeck bei Nestlé, die Millionensaläre von Daniel Vasella bei Novartis oder der umstrittene Verkauf der Familienaktien bei Sika – das prominente Gesicht von Ethos setzt sich an den Generalversammlungen und in den Medien seit zwei Jahrzehnten publikumswirksam für die Rechte von Kleinaktionären ein.
Nun steht der Gründer und heutige Präsident der Anlagestiftung Ethos, der auch «Robin Hood der Kleinaktionäre» genannt wird, selbst in der Kritik. In den Führungsgremien von Ethos brodelt es schon seit längerem. Letzte Woche kam es zu einem Eklat, das ein anhaltendes mediales Echo ausgelöst hat.
Ethos-Stiftungsrätin Françoise Bruderer und Ethos-Verwaltungsrätin Monika Roth traten per sofort zurück. Sie waren sieben und zehn Jahre in ihrem Amt. Die beiden Finanzspezialistinnen werfen Biedermann «schwere und wiederholte Verstösse gegen die Grundsätze der guten Unternehmensführung vor», wie die «Luzerner Zeitung» schrieb. Auf Anfrage präzisiert Monika Roth, Biedermann benehme sich wie ein Alleinherrscher und zeige wenig Respekt für andere Meinungen im Verwaltungsrat. «Sein Umgang mit kontroversen Themen ist inakzeptabel», sagt die Basler Rechtsanwältin und Spezialistin für Wirtschaftsrecht.
Am Dienstag kam es bei der Ethos-Stiftung aufgrund der Rücktritte zu einer Krisensitzung in Lausanne. Die beiden offenen Mandate wolle man so schnell wie möglich neu besetzen, schrieb Ethos darauf in einer Medienmitteilung. Bezugnehmend auf die Kritik der zurückgetretenen Stiftungs- und Verwaltungsrätinnen heisst es: «Die Ethos-Stiftung ist sowohl über die Form als auch über den Inhalt dieser Äusserungen sehr erstaunt.» Auf diese Reaktion angesprochen, sagt Monika Roth: «Die Medienmitteilung widerspiegelt den Grund, weshalb ich den Ethos-Verwaltungsrat verlassen habe.»
Familiäre Verbindungen
Ein Streitpunkt bei Ethos ist die Rolle von Yola Biedermann, Ehepartnerin von Dominique Biedermann und Mitglied der Geschäftsleitung. Roth und Bruderer sehen hier einen Interessenkonflikt. «Es ist eine schwierige Situation für Ethos-Direktor Vincent Kaufmann, denn er ist Vorgesetzter der Ehefrau seines Chefs», wie Roth erklärt. Sie und Françoise Bruderer hätten Dominique Biedermann mehrmals aufgefordert, diese Problematik zu entschärfen. «Es geht auch um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit», sagt Roth. Der Kritisierte wehrt sich gegen den Vorwurf. «Meine Frau arbeitet seit 19 Jahren für Ethos, davon 6 Jahre in der Geschäftsleitung», sagt Biedermann. Er betont: «Potenzielle Interessenkonflikte hat der Stiftungsrat im Vorfeld genau angeschaut und durch Regelungen entschärft.» Zum Beispiel hätten alle Mitarbeitenden direkten Zugang zum Vizepräsidenten, falls sie ein Problem mit seiner Frau oder ihm hätten. «Das ist noch nie geschehen», beteuert Biedermann. Weiter verweist er auf Unternehmen wie beispielsweise Ypsomed, wo Vater und Sohn in operativen und strategischen Positionen tätig sind. «Wichtig sind die Transparenz und korrekte Begleitmassnahmen.»
Ein weiterer Punkt, der bei Ethos in den vergangenen zwei Jahren zu reden gab, ist die Tatsache, dass mit Dominique Biedermann der frühere Geschäftsführer heute Präsident von Verwaltungs- und Stiftungsrat ist. Doppelmandate widersprechen einer modernen Unternehmensführung. In manchen Ländern ist auch der Rollenwechsel vom CEO zum Präsidenten verpönt, in Deutschland gar untersagt. «Ethos praktiziert in Sachen Unternehmensführung, was die Stiftung anderen Unternehmen vorwirft», kritisiert Roth. Biedermann will davon nichts wissen. «In der Schweiz ist es gang und gäbe, dass ein langjähriger CEO zurücktritt und darauf das Verwaltungsratspräsidium übernimmt», sagt er und erwähnt die Beispiele Geberit, Swiss Re und Dätwyler. «Gegen diese Praxis wehren wir uns nicht. Im Gegensatz zu der Kumulierung von den Funktionen von CEO und Präsident, die wir ablehnen.» Biedermann verweist darauf, dass Ethos mit 17 Mitarbeitern und einem Jahresgewinn von rund 500'000 Franken ein verhältnismässig kleines KMU sei, das durch eine konstante Führung weiterentwickelt werden müsse.
Umfassende Nachfolgeplanung
In den vergangenen Monaten hat sich laut Roth und Bruderer der Umgang in den Sitzungen der Ethos-Räte verschlechtert. Françoise Bruderer ist Geschäftsführerin der Pensionskasse Post, die knapp 7 Prozent der Ethos-Aktien hält. «Weil ich nicht mehr länger die Konstellation bei Ethos mittragen wollte und Dominique Biedermann die eigene Nachfolgeregelung nicht vorantrieb, habe ich letzte Woche dessen Rücktritt als Präsident beantragt», sagt sie. Monika Roth schloss sich der Forderung an. Doch Biedermann wollte nicht darauf eingehen. So kam es zum Eklat und dem Rücktritt der beiden Finanzspezialistinnen. Darauf angesprochen, dass sie die von ihr kritisierte Führungsstruktur zwei Jahre mitgetragen hat, sagte Roth gestern: «Ich gebe zu, es war ein Fehler, auf diese Konstellation einzugehen.» Sie habe sie akzeptiert, weil Ethos ein kleines Unternehmen sei und die Lösung nicht auf unbestimmte Zeit gedacht war. Rückblickend sei dies eine Fehleinschätzung gewesen.
Laut Medienmitteilung von Ethos seien Stiftungs- und Verwaltungsrat derzeit an einer umfassenden Nachfolgeplanung, die den Fortbestand des Unternehmens infolge des schrittweisen Ausscheidens der Gründer sicherstellen wird. So habe man einstimmig beschlossen, eine Selbstevaluation durchzuführen. Diese habe das Ziel, die Nachfolgeregelung im Verwaltungsrat zu gewährleisten. Kritiker sehen das als Reaktion aufgrund des entstandenen Drucks nach dem jüngsten Eklat.
Zeitliche Angaben zu möglichen personellen Veränderungen bei Ethos gab es gestern von der Unternehmensführung nach wie vor keine. Wie lange Dominique Biedermann noch Stiftungs- und Verwaltungsrat bleiben will, wird ebenfalls nicht erwähnt. Die beiden Vizepräsidenten Hanspeter Uster (Stiftung) und Philippe Doffey (Verwaltungsrat) liessen schriftlich verlauten, dass beide Ethos-Räte ihr vollstes Vertrauen und ihre Unterstützung für Dominique Biedermann bekräftigen.
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