Jetzt wird mit den Altlasten der missratenen Fusion aufgeräumt
Der neue LafargeHolcim-Chef schreibt fast 4 Milliarden Franken ab – der Schlussstrich des Debakels?

Jan Jenisch ist seit September Konzernchef von LafargeHolcim, Géraldine Picaud seit Februar seine Finanzchefin. Gestern präsentierten sie erstmals den Jahresabschluss des weltgrössten Zementkonzerns. Und sie machten klar, dass sie nun die Fehler korrigieren, die 2015 bei der Fusion des Schweizer Zementherstellers Holcim mit der französischen Lafarge begangen wurden.
LafargeHolcim nimmt eine empfindliche Wertberichtigung von mehr als 3,8 Milliarden Franken auf ihren Aktiven vor, sodass der Konzern einen Reinverlust schreibt. «Die Abschreibungen betreffen hauptsächlich Goodwill und Vermögenswerte aus Unternehmenszusammenschlüssen», sagte Géraldine Picaud. Goodwill ist der bei Übernahmen bezahlte Aufpreis. Er muss abgeschrieben werden, wenn das zugekaufte Geschäft die Erwartungen nicht erfüllt.
Der Milliardenabschreiber bei LafargeHolcim betrifft hauptsächlich Zementwerke in Risikoländern wie Algerien, Ägypten und dem Irak. Der Wert der Fabriken wurde «auf ein normales Marktniveau angepasst», wie Jenisch ausführte. Seine Finanzchefin ergänzte: «Bei der Neubewertung wurden teilweise auch die Risiken der Länder anders beurteilt.»
Auf diese Risiken hatten bereits vor der Fusion kritische Aktionäre hingewiesen. Mehrere Aktionärsgruppen wehrten sich gegen den Zusammenschluss, darunter die Ethos-Stiftung und die Aktionärsgruppe «Interessengemeinschaft Pro Holcim». Diese warnte, dass die Anlagen in der Lafarge-Bilanz 36 Prozent über dem Ertragswert bewertet seien. Und sie rechnete vor, dass «45 Prozent von Lafarges Goodwill in Hochrisikoländern im Nahen Osten und in Afrika liegen». Dies spreche gegen die Fusion.
Kritiker der Fusion hatten recht
Als Warner in der Wüste trat auch Max D. Amstutz auf. In einem Gastbeitrag in der «SonntagsZeitung» wies der langjährige Verwaltungsratsdelegierte der Holcim-Vorgängerfirma Holderbank auf Risiken hin, die sich Lafarge mit der Übernahme des Zementgeschäfts der ägyptischen Baufirma Orascom eingehandelt hatte. Amstutz schrieb: «Lafarge hat sich durch den Kauf von Orascom Cement in eine prekäre Lage gebracht: Rund 40 Prozent ihrer Märkte befinden sich im Nahen Osten und in Afrika, riskante und politisch exponierte Märkte. Daraus ergeben sich für Lafarge grosse Abschreibungsrisiken.»
Trotz dieser Warnrufe unterlagen die Kritiker: Im Mai 2015 segneten die Aktionäre die Hochzeit von Lafarge und Holcim ab. Zwei Monate später wurde sie vollzogen. Heute zeigt sich, dass die Gegner der Fusion recht hatten.
Wegen des Widerstands der kritischen Aktionäre wurde der Deal damals neu ausgehandelt. Das ursprünglich vorgesehene Aktientauschverhältnis von 1:1 wurde zugunsten der Holcim-Eigentümer auf 10:9 angepasst. Trotzdem waren die Holcim-Aktionäre die grossen Verlierer des Deals, wie nun klar wird. Denn angesichts des Milliardenabschreibers wäre ein Aktientauschverhältnis von 2:1 angebracht gewesen.
Bei der Fusion stellte Thomas Schmidheiny den Anlegern einen rasanten Anstieg des Werts der Aktie auf 100 Franken in Aussicht. Stattdessen sank der Kurs unter 34 Franken, ehe er sich etwas erholte. Wegen des Abschreibers verlor die Aktie gestern 7,5 Prozent und schloss bei 51 Franken. Das ist deutlich tiefer als die knapp 70 Franken, die ein Holcim-Papier im Juli 2015 kostete.
Es stellt sich die Frage, weshalb die langjährige Revisionsgesellschaft Ernst & Young zugelassen hat, dass der hohe Goodwill bis heute beibehalten wurde. Auffällig ist: Für die Revision des Geschäftsjahrs 2017 wechselte LafargeHolcim von Ernst & Young zu Deloitte – und jetzt kommt der Milliardenabschreiber.
Klar ist aber auch, dass beim Zementriesen noch nicht alle Altlasten vom Tisch sind. So wird weiter gegen den Konzern wegen Terrorfinanzierung in Syrien ermittelt. Der Fall ist ebenfalls eine Hypothek, die Holcim von Lafarge geerbt hat.
Konzernchef Jenisch streicht seine Anstrengungen hervor, den Zementriesen rentabler zu machen. So hat er die Geschäftsleitung verkleinert, eine Managementstufe eliminiert und Niederlassungen in Miami und Singapur geschlossen. Die Ländergesellschaften erhalten mehr Kompetenzen. Der Umbau soll bis 2019 zu jährlichen Einsparungen von 400 Millionen Franken führen.
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