Job in Bäckerei, Aussicht auf Lehre, Leben in der Pflegefamilie
Wer war Riaz A., der Täter von Würzburg, wirklich? Sein Umfeld beschreibt ihn als ruhig, gläubig, aber nicht radikal.
Auf der Terrasse steht ein orangefarbener Sonnenschirm, an den gepflegten Garten in Würzburg-Heidingsfeld grenzt ein Maschendrahtzaun. Direkt hinter dem Einfamilienhaus stoppt an diesem Montagabend gegen 21.15 Uhr völlig unerwartet die Regionalbahn RB 58130 auf dem Weg von Treuchtlingen nach Würzburg. Die Reisenden haben kurz zuvor einen Albtraum erlebt.
Ein junger Mann greift völlig unvermittelt Fahrgäste mit einer Axt und einem Messer an. Bei dem Täter soll es sich nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann um einen 17 Jahre alten Flüchtling aus Afghanistan handeln. In seiner Unterkunft sei eine handgemalte Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefunden worden, sagte Herrmann. Vier Menschen werden schwer verletzt, zwei schweben in Lebensgefahr.
Polizei geht von Einzeltäter aus
«Wie in einem Schlachthof» habe es in dem Zug ausgesehen, berichtet ein Augenzeuge, der nebenan wohnt. Erste Bilder aus dem Inneren des Waggons belegen dies. Auf dem Boden des Abteils ist Blut zu sehen, daneben liegen zerknüllt eine Rettungsdecke und Verbandsmaterial. Der Zeuge berichtet, wie mehrere Passagiere nach der Bluttat aus dem Zug kletterten und ihn nach einem Verbandskasten fragten. Drinnen hätten noch Verletzte gelegen, so der Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte.
Im Bild – Axt-Angriff bei Würzburg erschüttert Deutschland:
Über den jungen Mann habe es bislang bei den deutschen Sicherheitsbehörden keine besonderen Erkenntnisse gegeben. Die Polizei gehe nach Zeugenaussagen von einem Einzeltäter aus, so Herrmann.
Gute Erfahrung mit Pflegefamilien
Laut Herrmann war der mutmassliche Angreifer, der nach Informationen der Zeitung «Welt» Riaz A. hiess, vor zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er habe seit März im Landkreis Würzburg gelebt, zuerst in einer Einrichtung in Ochsenfurt. Seit kurzem habe er bei einer Pflegefamilie gewohnt. Seine Unterkunft werde zurzeit untersucht, Pflegefamilie, Betreuer und Bekannte befragt.
Sie alle, so Herrmann, zeigten sich überrascht über die Tat. Riaz A. galt als ruhiger junger Mann. Er sei gläubiger Muslim gewesen, aber nur an Feiertagen in die Moschee gegangen. Er sei nicht als radikal oder fanatisch aufgefallen.
Michael Horlemann, der Sozialamtsleiter von Würzburg, kann bislang nur von «sehr guten Erfahrungen» mit der Unterbringung der jugendlichen Flüchtlinge in Pflegefamilien berichten. Das sei auch kein Wunder, denn es handle sich dabei «um schon sehr gut integrierte Jugendliche mit guter Perspektive. Das war auch in diesem Fall so», sagte Horlemann der «Welt».
Nur wer sich um seine Integration bemüht ...
Der Täter aus dem Regionalzug war seit dem 1. Juli bei der Familie. Nur wer sich um seine Integration bemühe, regelmässig die Schule besuche und von der Schule gut bewertet werde, erhalte das «Privileg» der Unterbringung in einer Pflegefamilie. Dies sei keine gesetzliche Verpflichtung, sondern wurde im Landkreis bereits vor einem Jahr mit Beginn der grossen Flüchtlingswelle initiiert.
In der Tat scheint sich Riaz A. vorbildlich an Integrationsmassnahmen beteiligt zu haben. So machte er nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums ein Praktikum mit der Aussicht auf eine Lehrstelle. Angeblich arbeitete er in einer Bäckerei, das berichtet die Nachrichtenagentur DPA.
Allerdings: An einer Pressekonferenz zum Fall am Dienstagmittag sagte Herrmann, neben einer selbst gemalten IS-Flagge hätten die Ermittler im Zimmer des Täters auch einen Text in Paschtu gefunden. Die Polizei geht offenbar jetzt dem Hinweis nach, dass sich der Täter in letzter Zeit selbst radikalisiert haben könnte.
Der 17-jährige afghanische Flüchtling sei im Rahmen der Jugendhilfe intensiv betreut worden, sagte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller. «Wir müssen jetzt sehr genau analysieren, wie es trotz dieser guten Voraussetzungen dennoch zu dieser Gewalttat kommen konnte», so Müller. Daraus sollten Massnahmen abgeleitet werden, um der Radikalisierung von jungen Leuten besser entgegenzuwirken.
Derzeit seien im Landkreis Würzburg rund 20 Jugendliche bei 15 Pflegefamilien im Landkreis untergebracht. Im Landkreis Würzburg seien derzeit rund 150 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge registriert.
Dieser Artikel wurde im Rahmen der Zeitungskooperation Lena von der «Welt» übernommen und von Redaktion Tamedia bearbeitet.
«Die Welt»/mol/ith/ff/pi
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