Juncker will «Freundschaftsvertrag» mit der Schweiz
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundespräsidentin Doris Leuthard sind optimistisch. Ein Rahmenabkommen soll im Frühling stehen.
Zwischen der Schweiz und der EU herrscht Tauwetter. Der Bundesrat verspricht eine weitere Kohäsionsmilliarde, Brüssel kommt ihm bei einigen Dossiers entgegen. Beim wichtigen Rahmenabkommen über institutionelle Fragen gibt es jedoch keinen Fortschritt.
Beide Seiten hätten sich gewünscht, dass dieses Abkommen schon Ende Jahr stehen würde, sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. Es verblieben aber noch Differenzen.
Knacknuss Streitschlichtung
Neben Leuthard stand EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er sprach von einem «Freundschaftsvertrag». Es habe Fortschritte gegeben. Laut Juncker sind diese aber noch nicht substanziell genug, um darüber Auskunft geben zu können. Geplant sei der Abschluss des Abkommens für das kommende Frühjahr.
Umstritten ist vor allem, wie Streitfälle zwischen der Schweiz und der EU beigelegt werden sollen. Die EU möchte, dass der EU-Gerichtshof darüber entscheidet. In der Schweiz gilt das als politisch chancenlos. Die Gespräche bewegten sich für die Schweiz in die richtige Richtung, sagte Juncker dazu.
Ergiebiger Besuch
Er nimmt von seinem Besuch in Bern gut 1,3 Milliarden Franken mit nach Hause. Bei den offiziellen Gesprächen mit Leuthard, Aussenminister Ignazio Cassis und Innenminister Alain Berset hat ihm die Schweizer Delegation versprochen, dem Parlament Antrag für einen weiteren Kohäsionsbeitrag zu stellen.
Eigentlich handelt es sich um zwei Beiträge. 1,1 Milliarden Franken werden in der Berufsbildung eingesetzt, wie Leuthard sagte. Mit dem Schweizer Know-how in dem Bereich sollen die Wirtschaft angekurbelt und die Jugendarbeitslosigkeit in den osteuropäischen Ländern bekämpft werden.
Darüber wird die Schweiz mit den neuen EU-Ländern separate Abkommen schliessen. 200 Millionen Franken werden im Bereich Migration eingesetzt. Dieser Fonds soll allen EU-Mitgliedstaaten offenstehen.
Die EU erwartet die Beteiligung an der Entwicklung neuer EU-Länder als Gegenleistung für die Teilnahme am EU-Binnenmarkt. Eine erste Kohäsionsmilliarde hatte das Stimmvolk 2006 gutgeheissen. Damit wurden bisher in den 13 neuen Ländern rund 300 Projekte finanziert.
Die gesetzliche Grundlage für einen weiteren Kohäsionsbeitrag hat das Parlament bereits letztes Jahr verabschiedet. Ein Referendum dagegen wurde nicht ergriffen. Nun müssen die Räte noch die nötigen Kredite genehmigen.
Milliarde heruntergespielt
Im Vorfeld von Junckers Besuch war darüber spekuliert worden, was die Schweiz als Gegenleistung erwarten darf. Die Erwartungen hatte der Bundesrat selber geschürt. Mitglieder des Gremiums hatten in den letzten Monaten wiederholt erklärt, der Bundesrat mache den Kohäsionsbeitrag von Fortschritten in den übrigen Dossiers abhängig.
Im Beisein von Juncker äusserte sich Leuthard allerdings weniger entschieden. «Der Bundesrat macht das nicht in Verknüpfung konkreter politischer Interessen», sagte sie. Leuthard relativierte auch die Bedeutung des neuen Schweizer Beitrags, indem sie einen Zusammenhang mit der Schweizer Hilfe für die ehemaligen kommunistischen Länder herstellte.
Die Schweiz sei seit den 1990er Jahren in Ost- und Zentraleuropa engagiert, sagte die Bundespräsidentin. Die so genannte Transitionszusammenarbeit läuft unabhängig von den Beiträgen an die neuen EU-Länder.
Ende der Eiszeit
Obwohl es beim Rahmenabkommen keine Fortschritte gab, steht Leuthard nicht mit leeren Händen da. Zum einen stellt der erste offizielle Besuch eines EU-Kommissionspräsidenten seit bald zehn Jahren einen Höhepunkt ihres Präsidialjahrs dar.
Zum anderen konnten in den letzten Monaten in verschiedenen Dossiers Fortschritte erzielt werden. Die Voraussetzungen dafür hatte Leuthard im April bei einem Besuch in Brüssel geschaffen. Vorher hatte zwischen der Schweiz und der EU Eiszeit geherrscht: Obwohl die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative die Personenfreizügigkeit nicht verletzte, blieben die meisten Dossiers eingefroren.
Seither hat sich einiges bewegt. Die EU willigte ein, ihr CO2-Emissionshandelssystem mit jenem der Schweiz zu verknüpfen. Das entsprechende Abkommen ist am Donnerstag im Beisein von Juncker und Leuthard unterzeichnet worden. Für die Schweiz ist das wichtig, weil der Schweizer Markt für einen funktionierenden Emissionshandel zu klein ist.
Im Interesse der Schweiz
Zudem wurde diese Woche in Brüssel ein Abkommen paraphiert, das den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf die Eurodac-Datenbank ermöglicht. Auch das ist im Interesse der Schweiz: Die Datenbank verfügt über ein automatisches Identifizierungssystem für Fingerabdrücke von Personen, in in einem Dublin-Staat ein Asylgesuch eingereicht haben.
Das für die Schweizer Wirtschaft wichtige Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen ist bereits im Sommer aktualisiert worden. In anderen Dossiers steht ein Durchbruch gemäss einer Mitteilung des Bundesrats kurz bevor. Dazu gehört das Versicherungsabkommen und die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Gesundheit und der Europäischen Agentur für chemische Stoffe.
Über die Zusammenarbeit der Schweiz mit der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) und die Mitwirkung bei der Agentur für das europäische globale Satellitennavigationssystem (GSA) werden demnächst Verhandlungen aufgenommen. Bewegung soll es auch bei der Gleichwertigkeits-Anerkennung der Börsen-Regulierung geben. Laut Juncker will sich die EU-Kommission Anfang Dezember damit befassen. Konkrete Zugeständnisse machte er aber nicht. Ohne diese Anerkennung dürfen europäische Händler nicht mehr an Schweizer Börsen handeln. Diese könnten dann auch nicht mehr in der EU kotierte Schweizer Aktien handeln.
SDA/rub
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch