Jung-Nationalräte gründen überparteiliche WG
Neu gewählte Nationalräte von Grünen, SVP und FDP ziehen in eine gemeinsame Wohnung in Bern. Sie sehen darin ein Zeichen junger Überparteilichkeit – und Potenzial für mehr.

Franziska Ryser ist für vier Wochen Vaterschaftsurlaub, Mike Egger strikt dagegen. Die beiden 28 und 27 Jahre alten St. Galler Nationalräte politisieren bei den Grünen und der SVP an den Polen des Parlaments. Das hindert sie nicht daran, im Alltag zusammenzuspannen: Sie haben gemeinsam mit dem 25-jährigen Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt in Bern eine Wohnung gemietet, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet. Während der jährlich vier Parlamentssessionen werden die drei die ungewöhnlichste Polit-Wohngemeinschaft der Schweiz bilden.
«Ich war überrascht über meine Wahl und stand plötzlich vor ganz praktischen Fragen, etwa, wo ich wohnen werde in Bern», erzählt Andri Silberschmidt. Im Gespräch mit einem Arbeitskollegen sei spontan die Idee einer Polit-WG entstanden. «Wir Jungen wollen zeigen, dass wir anders sind als die Alten.»
«Es wird ein kleines Abenteuer.»
Während viele Parlamentarier in Bern in Hotels logieren oder eine Kleinwohnung mieten, machte sich Silberschmidt auf die Suche nach WG-Kollegen. «Ich habe Mike Egger angerufen, den ich vorher nur einmal gesehen hatte, und nach zwei Minuten sagte er zu.» Bei einem Kaffee kam Franziska Ryser hinzu – und war ebenfalls nach kurzer Zeit dabei. «Es wird ein kleines Abenteuer», sagt Silberschmidt. «Aber ich wohne jetzt schon in einer WG und bin recht unkompliziert.»
Für die Stube ins Brockenhaus
Nun haben die drei für 2100 Franken eine Viereinhalbzimmerwohnung gemietet. Pro Sessionsnacht belaufen sich so die Kosten pro Person auf 170 Franken – günstiger als viele Hotels. Die Politiker-WG befindet sich im Berner Marziliquartier, einen Steinwurf vom Bundeshaus entfernt. Vorderhand dürfte es eine spartanische Bleibe werden: Jeder richtet sein Zimmer ein, für die Wohnzimmereinrichtung planen die Jungpolitiker eine Fahrt ins Brockenhaus. «Diskussionen über den Einrichtungsstil haben wir noch nicht geführt», sagt Silberschmidt lachend.
Auch einen Ämtliplan gebe es nicht – ob die Politiker dereinst eine Putzhilfe in Anspruch nehmen werden, hängt davon ab, «wie ordentlich wir sind», sagt Silberschmidt. Dringender aber ist ein Einsatz mit der Bohrmaschine: Lampen aufhängen, damit die Wohnung benutzbar ist, wenn am Montag die Parlamentssession beginnt. Silberschmidt freut sich darauf: «Das gibt sicher noch lustige Szenen.»
«Vielleicht organisieren wir einmal eine WG-Party bei uns»
Dann wird sich zeigen, wie gut die Jungpolitiker gemeinsam einen Haushalt schmeissen. Silberschmidt sieht darin durchaus ein Symbol. «Wir politisieren anders. Wir werden jetzt schon überschwemmt mit Einladungen in die Restaurants während der Session. Vielleicht organisieren wir einmal eine WG-Party bei uns», sagt der Gastro-Unternehmer.
Auch SVP-Nationalrat Mike Egger sieht in der WG Potenzial für mehr, wie er dem «Tagblatt» sagte: «Ich bin nicht abgeneigt, unheilige Allianzen einzugehen.» Der gelernte Metzger und Betriebswirtschafter scheut sich nicht, mit politischen Gegnern zusammenzuspannen. So lancierte er mit SP-Nationalrätin Samira Marti einen gemeinsamen Vorstoss für einen Lohndeckel bei Krankenkassen.
Vegetarisch oder zumindest Bio?
Mit einem Metzger zusammenzuwohnen, störe sie keineswegs, sagt die grüne Nationalrätin Franziska Ryser, die Fleisch isst, aber nicht selbst zubereitet. «Wichtiger als vegetarisch wäre mir, dass wir Bioqualität aus der Region kaufen», sagt die ETH-Doktorandin und Unternehmerin.
Mike Egger kennt sie von Wahlkampfpodien der letzten Monate. «Inhaltlich waren wir selten gleicher Meinung», sagt sie. «Aber auf persönlicher Ebene haben wir uns immer sehr gut verstanden.» Egger wie auch Silberschmidt seien «politisch nicht auf meiner Linie, aber gradlinig». So lasse sich gut diskutieren, weil jeder wisse, woran er sei.
Mehr als ein Schlafplatz
«Idee und Anspruch sind schon, dass unsere Wohnung mehr als ein Schlafplatz wird, sondern dass wir den überparteilichen Austausch ausserhalb des Bundeshauses pflegen können», sagt Ryser. «Im Bundeshaus sind die Leute im Schnitt älter, Umgang und Habitus sind eher von der älteren Generation geprägt», sagt die 28-Jährige. «Jetzt, da wir einige unter 30 Jahren zählen, zelebrieren wir das auch neben dem Bundeshaus und zeigen, dass wir aus einer anderen Generation kommen.»
Inwiefern das auch mit eigentlichen Festen geschieht, werde sich zeigen. «Als wir jünger waren, haben wir WG-Partys gemacht», sagt Ryser. «Jetzt wird sich weisen, wie viel Zeit in den Sessionen noch bleibt.»
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