Jung trifft Freud
Der Regisseur David Cronenberg beleuchtet in seinem neuen Film die beiden Urväter der Psychoanalyse. Herausgekommen ist ein Ausflug in die menschlichen Abgründe, der nicht durchgehend überzeugt.

Diese hysterische Frau kommt Carl Gustav Jung (Michael Fassbender) wie gerufen. An der von wilden Zuckungen heimgesuchten und erotischen Hieben nicht abgeneigten Sabina Spielrein (Keira Knightley) kann der junge Psychoanalytiker erstmals die Therapiemethode seines Vorbilds Sigmund Freud ausprobieren. Dieser Fall wird in David Cronenbergs Drama «Eine dunkle Begierde» die zwei Urväter der Psychoanalyse zusammenführen, aber letztlich auch entzweien.
Rasch hat Jung in intensiven Gesprächen die Ursache für die Krankheit seiner Patientin identifiziert. Von Kindesbeinen an wurde die 18-jährige Russin von ihrem Vater verprügelt. Voller Scham muss sie ihrem Therapeuten gestehen, von den Schlägen sexuell erregt worden zu sein. Jung ist fasziniert von seiner Patientin, die ein intuitives Verständnis für die Psychoanalyse an den Tag legt. Er ermutigt Sabina nicht nur zu einer eigenen Karriere als Psychiaterin, der verheiratete Mediziner beginnt mit ihr auch eine Affäre.
Jung trifft Freud
Über die Korrespondenz zu Sabinas Fall kommt es zum ersten Treffen Jungs mit Freud (Viggo Mortensen in seiner dritten Rolle in einem Cronenberg-Film). Der 50-jährige Psychoanalytiker findet Gefallen an dem jungen Kollegen - auch weil der Pfarrerssohn seiner Ansicht nach der Aussendarstellung seiner von Juden dominierten Bewegung gut tut.
Allmählich aber stört sich Jung immer mehr an Freuds Fixierung auf das Sexuelle, Freud wiederum kann mit den esoterischen Theorien seines Schützlings nichts anfangen. Die gegenseitige Deutung ihrer Träume entwickelt sich zum Minenfeld des Unbewussten. Für den endgültigen Bruch sorgt Sabina, als Jung sie verlässt und sie sich Freud zuwendet.
Menschliche Abgründe, die nicht selten in der Verstümmelung des menschlichen Körpers münden, sind ein Spezialgebiet David Cronenbergs, der mit Filmen wie «Die Unzertrennlichen» und «Crash» gleichermassen Bewunderung wie Abscheu im Publikum ausgelöst hat. Nach den brutalen Gewaltszenen in seinem letzten Film «Tödliche Versprechen» mutet sein neues Werk trotz einer häufig unbekleideten Keira Knightley geradezu bieder an.
Geredet wird viel
Womöglich hat der Kanadier sich das Thema seines Films ein wenig zu sehr zu Herzen genommen. Da die Psychoanalyse um den Dialog zwischen Therapeut und Patient kreist, galt für Cronenberg nach eigenen Worten das Motto: «Es geht ums Reden.» So sprechen seine Figuren denn auch viel über Probleme und Gefühle, bei ihrem Leben zusehen kann ihnen der Zuschauer aber kaum. Schuld daran haben auch etliche Zeitsprünge, welche die Figuren dem Zuschauer immer wieder aufs Neue entfremden.
Auf der Theaterbühne mag dieses Konzept besser funktioniert haben. Oscar-Preisträger Christopher Hampton («Gefährliche Liebschaften») hat das Drehbuch zu «Eine dunkle Begierde» nach seinem eigenen Theaterstück adaptiert. Im Original heisst der Film «A Dangerous Method» («Eine gefährliche Methode»), der zwanghaft erotisierte deutsche Titel tut dem Werk keinen Gefallen.
dapd/mrs
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