«Junge Frauen glauben, sie können keine Kinder mehr bekommen»
Über 170 Arbeiter, die während der Katastrophe von Fukushima im Reaktor aufräumen mussten, wurden verstrahlt. Die Gesamtbevölkerung leidet an einer anderen Auswirkung des Super-Gaus.

Die radioaktive Strahlung nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima hat bisher weder Todesfälle noch Krankheiten verursacht. Nach einer Untersuchung von UNO- Wissenschaftlern wird auch die Krebsquote in der japanischen Bevölkerung kaum steigen.
«Das, was die Strahlung draufpackt, wird gering und wissenschaftlich nicht erkennbar sein», sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Komitees der Vereinten Nationen für die Folgen von Strahlung (UNSCEAR), Wolfgang Weiss, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in Wien.
Viel schlimmer sind laut dem aktuellen Zwischenbericht der UNSCEAR gesellschaftliche Auswirkungen wie Depressionen und Ausgrenzungen von Menschen aus dem Gebiet um Fukushima.
Der vollständige Bericht des UNSCEAR-Teams mit 72 Wissenschaftlern aus 18 Staaten wird im Herbst 2013 vorgelegt werden. Weiss betonte: «Die Langzeitfolgen beschäftigen uns die nächsten zwanzig Jahre.» Das UNSCEAR-Team arbeitet nach eigenen Angaben mit Informationen der japanischen Regierung sowie unabhängiger Organisationen, vergleicht die Daten und zieht daraus Schlüsse.
Über 170 Arbeiter verstrahlt
Die Bevölkerung sei durch die Reaktorkatastrophe deutlich weniger Radioaktivität ausgesetzt gewesen als 25 Jahre zuvor in Tschernobyl, sagte Weiss. Die Gegend um Fukushima sei im März 2011 vergleichsweise schnell evakuiert worden.
In Tschernobyl habe es 6000 Kinder mit Schilddrüsenkrebs gegeben. «In Japan sind wir bei den Kindern weit entfernt von dem, was erhöhte Raten erahnen lässt. Das ist eher in einem Bereich, der keine Kopfschmerzen verursacht.»
Die gesamte Strahlenbelastung in Japan ist nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geringer als befürchtet. Sie liegt meist unterhalb zulässiger Grenzwerte.
Bei den japanischen Arbeitern, die direkt nach dem Super-Gau eingesetzt wurden, seien zum Teil hohe Strahlenwerte gemessen worden, weil sie schlecht geschützt waren, erklärte Weiss. 167 Arbeiter hätten mehr als 100 Millisievert abbekommen, 6 Arbeiter mehr als 250 Millisievert und 2 von ihnen 680 Millisievert.
Zehn Millisievert entsprechen etwa der Strahlung bei einem Computertomogramm (CT). 50 mSV in einem Jahr gelten als oberster zulässiger Grenzwert für Menschen, die mit Radioaktivität zu tun haben. Die Dosis darf in fünf Jahren 100 mSv nicht überschreiten.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Unmittelbare Konsequenzen wie Krankheiten bei den Arbeitern oder Todesfälle gab es aber nicht, sagte Weiss. «Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass es die in absehbarer Zeit geben wird.» Sechs Arbeiter starben laut Weiss in der Zwischenzeit. Keine der Todesursachen habe etwas mit Strahlung zu tun.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen seien hingegen sehr problematisch. «Nach solchen Katastrophen werden mehr Menschen depressiv oder begehen Selbstmord. Das sehen wir auch in Japan», sagte Weiss.
«Junge Frauen aus der Gegend glauben, sie können keine Kinder mehr bekommen.» Deswegen würden sie nicht geheiratet. «Andere Frauen sagen, sie müssen jetzt abtreiben. Der Reis aus Fukushima wird nicht gegessen. Viele Menschen sind deswegen in ihrer Existenz gefährdet.»
Umstrittene Zahlen
Bis heute ist umstritten, wie viele Menschen wegen der Atomkatastrophe in Tschernobyl ums Leben kamen: Die UNSCEAR erkennt lediglich den Tod von 31 Feuerwehrleuten und Liquidatoren als direkte Folge der Strahlung an.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace dagegen geht davon aus, dass bis 2005 in der Ukraine, Russland und Weissrussland mindestens 100'000 Menschen an den Folgen von Tschernobyl starben.
SDA/kle
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