Kampf einer alten Dame hat Konsequenzen
Die Zürcher Gesundheitsdirektion nimmt die Finanzen aller Alters- und Pflegheime im Kanton Zürich unter die Lupe.

An sich ist das Pflegegesetz klar. Heime, die der öffentlichen Hand gehören oder einen Leistungsauftrag einer Gemeinde haben, dürfen für die Hotellerie – sprich für die Zimmermiete, die Verpflegung, die Reinigung und dergleichen – nur so viel verlangen, wie effektiv Kosten anfallen.
Doch daran halten sich nicht alle. Das hat der Kampf einer alten Dame gezeigt, die sich in Urdorf erfolgreich gegen zu hohe Hotellerietaxen wehrte. Die Gemeinde hatte die missbräuchlichen Taxen jahrelang toleriert und verschwiegen. Denn mit dem Überschuss aus der Hotellerie deckte das Heim das Defizit bei den Pflegekosten, das ansonsten die Gemeinde hätte tragen müssen. Im August schob der Regierungsrat der Praxis in einem wegweisenden Entscheid den Riegel.
Bald Resultate erwartet
Nun handelt die Gesundheitsdirektion. Nach Angaben von Mediensprecher Daniel Winter wertet sie derzeit die Daten der Zürcher Pflegeheime in der Pflegestatistik des Bundes aus: «Es geht dabei darum, abzuklären, ob und in welchen Fällen das Kostendeckungsprinzip nicht eingehalten worden ist.» Die Resultate liegen laut Winter sehr bald vor; möglicherweise informiert die Gesundheitsdirektion noch diese Woche darüber.
Ein Thema sind die Heimkosten auch an der Konferenz der Bezirksstatthalter, die morgen Dienstag stattfindet. Der Ustermer Statthalter Marcel Tanner, der die Konferenz leitet, sagt: «Wir werden prüfen, ob wir unsere Praxis anpassen müssen.» Es gehört zu den Aufgaben der Statthalter, die Heime und deren Finanzen zu überprüfen.
Überschüsse gibt es oft
Es ist gut möglich, dass es sich beim Heim in Urdorf um keinen Einzelfall handelt. Das jedenfalls legt eine Auswertung der Pflegestatistik nahe, die das gemeinsame Recherchedesk von «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» vorgenommen hat. Gemäss dieser Statistik haben 84 Institutionen im Kanton Zürich im Jahr 2016 in der Hotellerie einen Gewinn erzielt, während sie in der Pflege ein Defizit verzeichneten. Die Überschüsse sind teils beträchtlich. In 70 Heimen liegt der Gewinn höher als 100000 Franken, in 17 Institutionen ist es mehr als 1 Million Franken.
Die Stadtzürcher Heime Entlisberg und Mattenhof verzeichnen gar einen Überschuss von 2,4 Millionen Franken in der Hotellerie, dies bei Hotelleriekosten von rund 15 Millionen Franken. In manchen Betrieben übersteigen die Einnahmen die Kosten um mehr als 30 Prozent.
Gleichzeitig verzeichnen die allermeisten dieser Heime keinerlei Subventionen der öffentlichen Hand. Und das, obwohl das Pflegedefizit in den fraglichen 84 Heimen 30 Millionen Franken beträgt; rechnet man auch jene Heime ein, die in der Hotellerie keinen Gewinn ausweisen, bleiben gar rund 47 Millionen Franken Defizit in der Pflege. Die Frage, die sich angesichts dieser Zahlen stellt: Bezahlen Pensionäre das Pflegedefizit über zu hohe Taxen für die Hotellerie, während die öffentliche Hand, welche die Defizite von Rechts wegen übernehmen müsste, geschont wird? Bei vielen Heimen reicht der Gewinn aus der Hotellerie auf jeden Fall problemlos, um das Defizit in der Pflege mehr als auszugleichen.
Statistik kann täuschen
Die Heime selbst beteuern, korrekt abzurechnen; die Kontrollen seien eng. Die Tücken lägen in der Statistik, erklärt Renate Monego, Direktorin der Stadtzürcher Pflegezentren. So würden die Taxen und Kosten für Hotellerie und Betreuung in der Statistik getrennt erfasst, obwohl eine saubere Trennung in der Praxis kaum machbar sei: «Entscheidend ist, dass wir in beiden Bereichen zusammengenommen keinen Gewinn erzielen. Und das tun wir nicht, das Defizit in Hotellerie und Betreuung beträgt in den neun Pflegezentren der Stadt Zürich über 12 Millionen Franken.» Auch die Cafeteria müsse statistisch separat erfasst werden, obwohl diese keine kostendeckenden Preise verlange und teils über die Hotellerietaxen mitfinanziert werde.
Und wie ist zu erklären, dass die Stadt Zürich den Heimen trotz Defizit in der Pflege keine Subventionen ausrichtet? Auch hier täusche die Statistik, sagt Monego: «Die Stadt deckt unsere Defizite natürlich. Aber das gilt nicht als Subvention und taucht deshalb nicht entsprechend in der Statistik auf.»
Alles im grünen Bereich also? Für ihre eigene Institution beteuern das alle Heimleiter. Johannes Baumann, Geschäftsführer des Pflegezentrums Eulachtal in Elgg, räumt aber ein, das komplexe Finanzierungssystem lasse Raum für «Schlaumeiereien».
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