Durchgangszentrum in Richterswil170 ukrainische Flüchtlinge kommen in Paracelsus-Spital unter
Der Kanton wird ukrainische Geflüchtete zwischenzeitlich in Richterswil unterbringen. Die Gemeinde kauft zudem einen Pavillon als Flüchtlingsunterkunft.

Über ein Jahr lang stand es leer, nun hält wieder Leben im ehemaligen Paracelsus-Spital in Richterswil Einzug. Wie die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich in einer Medienmitteilung schreibt, werden die Gebäude des in Konkurs gegangenen Spitals ab Juni als Durchgangszentrum für ukrainische Flüchtlinge genutzt.
Bis zu 170 Personen können darin untergebracht werden; vor allem Familien mit Kindern sowie Einzelpersonen mit dem Schutzstatus S, die für kurze Zeit in Richterswil unterkommen werden. Der Mietvertrag zwischen dem Kanton und der SenioResidenz AG, welcher das ehemalige Richterswiler Spital gehört, läuft bis mindestens Ende Juni 2023 und ist auf maximal zwei Jahre befristet. Danach will die Eigentümerin die Liegenschaft als Versorgungszentrum für medizinische Leistungserbringer vermieten.
Wenige Tage Aufenthalt
«Es ist eine Übergangslösung», sagt der zuständige Regierungsrat Mario Fehr (parteilos) auf Anfrage dieser Zeitung. «Die Leute werden voraussichtlich nur wenige Tage in diesem Durchgangszentrum sein, bis sie einer anderen Zürcher Gemeinde zugewiesen werden.» Grund für den kurzen Aufenthalt im Durchgangszentrum ist der Schutzstatus S, welcher es den Geflüchteten erlaubt, Arbeit zu suchen. «Normalerweise bleiben Flüchtlinge drei bis sechs Monate in Durchgangszentren», sagt Fehr.
Bis Ende Mai werden die ehemaligen Spitalgebäude instand gesetzt. «Es sind nur kleinere bauliche Massnahmen nötig. Wir bauen beispielsweise eine Teeküche ein.» Da das Essen geliefert wird, sei der Einbau von richtigen Küchen nicht nötig, sagt Fehr. Über die Höhe der nötigen Investitionen wie auch zum vereinbarten Mietzins gibt der Kanton grundsätzlich keine Auskunft.
Drittes Durchgangszentrum
Das Richterswiler Durchgangszentrum ist das dritte eigens für Geflüchtete aus der Ukraine eingerichtete. Daneben gibt es im Kanton Zürich noch das ehemalige Alterszentrum St. Peter und Paul in der Stadt Zürich sowie eine zusätzliche Aussenwohngruppe des Zentrums Lilienberg in Affoltern am Albis für unbegleitete Minderjährige, welche als Durchgangszentren für Ukrainerinnen und Ukrainer dienen.
«Mit dem Zentrum in Richterswil schafft der Kanton zusätzliche Kapazitäten», sagt Fehr. «Wir sind der Gemeinde Richterswil ausserordentlich dankbar, dass innert kürzester Zeit diese Lösung gefunden werden konnte.»
Seit Kriegsausbruch sind rund 50’000 Menschen aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Mit der Nutzung des ehemaligen Paracelsus-Spitals als Durchgangszentrum sei der Bedarf an Räumlichkeiten vorerst gedeckt, sagt Fehr. «Wir schauen aber täglich, wie es weitergeht, und reagieren, wenn die Situation es erfordert.»
Von Aufnahmequote befreit
Für die Gemeinde Richterswil bedeutet das Durchgangszentrum, dass sie für die Dauer des Betriebs von der Aufnahmequote befreit ist. Das heisst, der Gemeinde werden keine neuen Flüchtlinge aus der Ukraine zugeteilt. «Geflüchtete können aber weiterhin privat bei Angehörigen in Richterswil unterkommen. Diese fallen nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde», sagt Richterswils Gemeindepräsident Marcel Tanner (FDP). Die bereits anwesenden ukrainischen Flüchtlinge müssen aber weiterhin durch die Gemeinde untergebracht werden.
Aktuell leben 130 ukrainische Flüchtlinge in Richterswil. 104 von ihnen sind bei Privaten untergekommen, für 26 hat die Gemeinde eine Unterbringung organisiert. Unter anderem konnte die Gemeinde einige Wohnungen in der Wohnsiedlung des Wohn- und Pflegeheims Wisli am See zwischennutzen. Da diese Gebäude aber einem Neubau weichen müssen, entfällt diese Option in absehbarer Zeit.
Gemeinde kauft Pavillon
Deshalb hat die Gemeinde nun den Pavillon der Tertianum AG in Samstagern für 1,8 Millionen Franken erworben. Dieser wird noch bis im Juni vom Tertianum genutzt, dann ziehen die Bewohnerinnen und Bewohner in das neue Wohn- und Pflegezentrum Etzelblick in Richterswil. Dass die Gemeinde selbst das ehemalige Paracelsus-Spital anmietet, sei keine Option gewesen, weil das Zeitfenster, in dem die Eigentümerin die Liegenschaft zur Verfügung stellt, zu kurz sei.

Der Pavillon verfügt über 20 Einzel- und 5 Doppelzimmer. «Als Erstes kommen dort die Geflüchteten unter, die jetzt im Wisli wohnen», sagt Richterswils Gemeindepräsident Marcel Tanner (FDP). Es sei aber auch möglich, dass Menschen, die jetzt bei Privaten untergebracht sind, in den Pavillon wechseln.
Aufruf für Möbelspenden
Tanner schätzt, dass der Pavillon ab Juli für Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung stehen wird. Bis dahin müsse insbesondere noch Mobiliar angeschafft werden. «Wir machen voraussichtlich wieder einen Spendenaufruf in der Bevölkerung.» Das habe sehr gut funktioniert, als es darum ging, Mobiliar für die zwischengenutzten Wohnungen im Wisli zu finden.
Bis wann der Pavillon als Unterkunft für Geflüchtete genutzt wird und was danach damit geschehen soll, ist offen. «Die Entwicklung des Kriegsgeschehens lässt sich nicht voraussagen. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass der Flüchtlingsstrom bald abreissen wird», sagt Tanner. Sollte wider Erwarten eine andere Entwicklung eintreten, gebe es aber durchaus andere Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude, sagt Tanner. «Wir könnten zum Beispiel Teile der Verwaltung dort unterbringen, wenn wir die Gemeindehäuser sanieren.»
Francesca Prader ist seit 2018 Redaktorin im Ressort Bezirk Horgen.
Mehr InfosDaniel Hitz ist Leiter News Desk und Redaktor für Themen rund um den Zürichsee. Er hat einen Abschluss in Journalistik und Organisationskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
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