«Kein revolutionärer, aber ein wichtiger Schritt»
Ausstieg aus der Atomenergie Verschiedene Artikel, TA vom 27. Mai Aufbruch nicht stoppen! Die Schweiz zeichnet eine starke Innovationskraft, gepaart mit einem ausgeprägten Sinn für praktische und gewinnbringende Umsetzung, aus. Wie sonst hätte das kleine, arme Alpenbauernland zu einem äusserst wirtschaftsstarken Staat werden können? Und Energieministerin Doris Leuthard knüpft mit dem geordneten Umstieg und einer neuen Energiepolitik hier an. Hut ab! Und wir sollten alle unseren Beitrag leisten. Es bleibt zu hoffen, dass die grossen Stromanbieter und die energieintensiven Industriezweige, die wir noch haben, diesen Aufbruch nicht stoppen, sondern – auch als Chance für sich – mit anpacken. Ich selbst arbeite in der Kerntechnik, die als Übergangstechnologie den Umstieg abfedern kann, falls sie sicher betrieben und die Abfallfrage verantwortungsbewusst angegangen wird. Und das wird sie meiner Meinung nach mit dem laufenden Sachplan geologische Tiefenlager. Thomas Flüeler, Hausen AG Wir werden stolz sein. Blickt man auf unsere Geschichte zurück, steht am Anfang von gesellschaftlichen Veränderungen meist eine Katastrophe. Tschernobyl war ein solch katastrophales Ereignis, doch es hat vor 25 Jahren nicht ausgereicht, uns dazu zu bringen, die Energiewende herbeizuführen. Als zweiter Super-GAU in einem Vierteljahrhundert scheint Fukushima nun den Wendepunkt zu markieren. Obwohl wir alle wissen – wenn wir nicht gerade alle negativen Auswirkungen von Atomenergie ausblenden –, dass die Kernenergie ein Auslaufmodell ist, macht dieser Energiewandel Angst und ruft Zweifler auf den Plan. Doch der Atommüll wird immer noch strahlen, wenn alle, die heute den politischen Kurs bestimmen, schon längst nicht mehr leben. Wir haben heute die Pflicht, nachhaltige Entscheide für unsere Nachkommen zu treffen. Der Bundesrat hat mit seinem Entscheid, per 2034 aus der Atomenergie auszusteigen, keinen revolutionären, aber einen wichtigen Schritt gemacht. Es ist kein einfacher Weg, doch welcher Wandel ist schon einfach, vor allem am Anfang. Doch dereinst werden wir stolz sein, dass wir in der Schweiz den Atomausstieg geschafft haben. Pascal Merz, Sursee Kampf in der Sommersession. Die Atomlobby greift zurück auf Verunglimpfungen der AKW-Gegner. Angefangen beim Angriff auf die Bundesrätinnen bis zur altbekannten Verteufelung von allen, welche nicht blindlings den Strombaronen und ihren politischen Helfershelfern nachlaufen. Gerne suggeriert man, dass erneuerbare Energien uns vom Ausland abhängig machten. Dass Uran aber ebenfalls vom Ausland bezogen werden muss, wird geflissentlich verschwiegen. Ebenso wischt man den CO2-Ausstoss beim Uranabbau unter den Teppich und behauptet, der Atomstrom sei umweltfreundlich und günstig. Diese Rechnung schliesst jedoch nicht ein, dass die AKW-Betreiber nur eine minimale Haftpflicht zu übernehmen haben. Der grosse Rest müsste bei einem Unfall von den Steuerzahlern übernommen werden, wie das jetzt übrigens auch in Japan der Fall ist. Die für Jahrtausende sichere Endlagerung von Atommüll ist trotz jahrzehntelanger Anstrengungen noch immer ungelöst, und der sichere Rückbau stillgelegter Werke verschlingt Milliarden, wie jetzt die deutsche Regierung einräumen muss. All das muss uns im Widerstand gegen Atomstrom bestärken, denn der Bundesratsentscheid bedeutet noch lange keinen wirklichen Ausstieg. Die bürgerlichen Fraktionen im Nationalrat und die Atomlobby werden in der Sommersession dagegen ankämpfen, und ob die politische Mitte nicht einmal mehr umfällt, bleibt abzuwarten. Willi Bhend, Fulenbach SO Nach uns die Sintflut. Mit Pauken und Trompeten versuchen die Energiebosse zusammen mit Economiesuisse, den Atomausstieg des Bundesrates im Volk madig zu machen. Mit Szenarien von Energie-Blackouts und der Abwanderung der Wirtschaft werden unsere Sehnsüchte nach Sicherheit und Wohlstand angesprochen. Der Ausstieg dürfe erst beschlossen werden, wenn man alle Folgen kenne und realistische Alternativen aufzeigen könne. Doch wer hat uns denn in diese missliche Lage katapultiert? Kanntet ihr alle Folgen und Risiken, als ihr euch damals für die Atomenergie starkgemacht habt? Tschernobyl und Fukushima haben uns eines Besseren belehrt. Bis heute warten wir weltweit auf annehmbare Lösungen für den Atommüll. Nach uns die Sintflut, scheint das Motto zu sein. René Wullschleger-Mortensen, Aarau Das Jammern von Economiesuisse. Kaum war der mutige Entscheid des Bundesrates für eine zukunftsgerichtete Energiepolitik (inklusive Atomausstiegs) verkündet, wurde er aufs Schärfste von den Wirtschaftsverbänden, allen voran Economiesuisse, kritisiert. Die Berechnungen seien unseriös, der Entscheid rein populistisch und übereilt, heisst es. Zugegeben, es wird eine Herausforderung für unser Land, ein Kraftakt. Doch gerade solche Bedingungen haben die Schweiz stark gemacht. Am Ende wird sich dieser Weg auszahlen, weil er nicht rückwärtsgerichtet ist und neue Arbeitsplätze in modernen Bereichen schaffen wird. Womit ich jedoch am meisten Mühe habe, ist dieses unaufhörliche Gejammer von Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer in allen Medien, die Wirtschaft sei mit dem teurer werdenden Strom nicht mehr konkurrenzfähig. Dabei scheint er vergessen zu haben, dass gerade die Wirtschaft von der Unternehmenssteuerreform in hohem Masse profitiert und in der Schweiz äusserst vorteilhafte Bedingungen vorfindet. Nur wenige waren bisher auf freiwilliger Basis bereit, wie dies bürgerliche Kreise immer wieder ins Feld führen, Strom zu sparen oder auf die eine oder andere Annehmlichkeit zu verzichten. Es wird also Lenkungsabgaben und einen höheren Strompreis brauchen. Untergehen wird die Schweiz deswegen nicht. Egon Küng, Suhr AG Lange Bewilligungsverfahren. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist wohl nicht so einfach, wie insbesondere die Grünen und Linken glauben. Das Argument dieser Leute, durch Wind- und Sonnenenergieförderung würden mehr Arbeitsplätze geschaffen, ist zu hinterfragen. Mit der Entwicklung dieser Alternativenergien werden auf der einen Seite wohl Arbeitsplätze geschaffen. Die Frage aber ist, ob durch die daraus folgenden viel höheren Energiepreise die Schweizer Industrie gegenüber Ländern mit billiger Atomenergie wie China, Indien, USA, Frankreich noch konkurrenzfähig sein wird. In der Schweiz könnten deshalb insgesamt viel mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als gewonnen würden. Mit oder ohne Atomkraftwerke wird man Wasserkraftwerke und Speicherkraftwerke forciert ausbauen müssen. Wind- und Sonnenenergie werden in der Schweiz weiterhin keine grosse Rolle spielen. Das grosse Problem ist die lange Dauer der Genehmigungsverfahren. Gerade diejenigen, die gegen die Atomkraftwerke sind, legen sich in der Regel auch bei Alternativprojekten quer. Wind- und Sonnenenergie werden meist dann geliefert, wenn man sie nicht braucht. Deshalb ist auch ein teurer Netzausbau nötig. Im politischen Windschatten der Fukushima-Katastrophe versuchen in Deutschland sogar Konservative, die Grünen links zu überholen, offenbar, um Wählerstimmen zurückzugewinnen. Bei uns ist man doch etwas besonnener. Wilhelm Krakowitzer, Wettingen Riesige Kosten wegen Atommülls. Ein Ausstieg aus der Atomenergie ist längst überfällig. Wer das nicht einsieht, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden und kennt die Fakten der Atommüllproblematik nicht. Wer behauptet, man könne Atommüll sicher vor der Menschheit verwahren, ist kein Wissenschaftler, sondern ein Märchenerzähler. Ein Müll, der noch über 100 000 Jahre radioaktiv strahlt, wird immer ein Problem bleiben. Eine sichere Endlagerung wird es deshalb nie geben. Vom zusätzlichen Restrisiko, das uns offenbar alle 25 Jahre treffen kann (Tschernobyl, Fukushima), ist hier noch gar nicht die Rede. Es werden riesige Unkosten auf die Menschheit zukommen, schon nur für den Umgang mit dem Atommüll. Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob es nun Frauen oder Männer sind, die im Bundesrat den AKW-Ausstieg beschlossen haben, und was deren angebliches Kalkül sein sollte. Kim Overturf, Winterthur Erdwärme nutzen. Jetzt, wo sicher auch die Schweiz nach erneuerbaren Energien sucht, möchte ich auf die Erdwärme hinweisen. Der Geostrom holt sich Erdwärme mit einer Ein-Loch-Bohrung. Statt fossiler Brennstoffe mit CO2-Emissionen oder Erdgas mit Abgasen oder Stauseen, die Täler füllen, oder 30 Meter hohen Windrädern fällt ein Loch in der Erde nicht auf (lediglich während der Bohrzeit von einem Jahr ein 20 Meter hoher Bohrturm, der wieder verschwindet). Und die Erdwärme ist nun wirklich sozusagen unendlich. Wenn von der Erde in einer Million Jahren keine Wärme mehr kommen sollte, haben wir unseren Planeten ohnehin aufgezehrt und leer gegessen. Karl Etter, Menzingen Wirkungsvolle Lenkungsabgabe. Eine Lenkungsabgabe auf den Stromkonsum ist scheinbar bei Politikern der meisten Parteien ein Tabu, obwohl es die wirkungsvollste und die am raschesten zu realisierende Massnahme wäre. Alle anderen Sparmassnahmen sind sicherlich auch noch nötig, um die angestrebten Ziele zu erreichen. «Das eine tun und das andere nicht lassen» müsste also die Parole sein. Unsere Politiker bevorzugen aber den Weg des geringsten Widerstandes, um ja keine Wähler zu verärgern. Würde die Lenkungsabgabe zunächst für Privathaushalte eingeführt, so ist das Argument mit der Benachteiligung gegenüber dem Ausland nicht relevant, und für Firmen könnte, bei gutem Willen, eine Form der Kompensation als Ausgleich für diese Abgabe gefunden werden. Wilfried Johner, Zürich Atomstrom ist subventioniert. Immer wieder wird geschrieben und gesagt, der Atomstrom sei billig, und Alternativenergie müsse stark subventioniert werden. Dabei wird die Kernenergie auch stark subventioniert – nur müssen die Subventionen erst bei einem ernsthaften Störfall ausbezahlt werden. Die Versicherungssummen reichen ja bei weitem nicht aus, um die möglichen Schäden bei einem GAU zu decken. Dann muss der Staat – wir Steuerzahler – einspringen. Die Folgekosten eines GAUs seien nicht versicherbar, heisst es. So erscheinen diese erst in der Rechnung, wenn eine Katastrophe wie in Japan passiert und der Staat einspringt. Die Alternativenergien wären plötzlich konkurrenzfähig, wenn die Kosten für eine Behebung aller möglicher Schäden im Strompreis enthalten sein müssten. Eine weitere versteckte Eventual-Subvention hat mit der Abfallentsorgung zu tun. Diese Kosten sind nicht bekannt, vielleicht auch gar nicht im Voraus ermittelbar. Sie müssen jedoch irgendeinmal entweder von den Konsumenten, vom Staat oder von beiden bezahlt werden. Wenn für diese beiden Aufgabenbereiche kaufmännisch richtige Rücklagen gebildet werden und diese Kosten dem Strompreis belastet werden müssten, dann ist es vorbei mit dem Märchen vom billigen, nicht subventionierten Atomstrom. Hermann Eppler, Baden «Nur wenige waren bisher bereit,freiwillig Strom zu sparen. Es wird also Lenkungsabgaben brauchen.» Doris Leuthard erläuterte am vergangenen Mittwoch die Absicht des Bundesrates, auf Atomkraft zu verzichten. Foto: Reuters
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