Weekend im Kanton UriOhne Lichtverschmutzung und Mobilfunk: Entspannen in Gitschenen
Wohltuende Übersicht: In Gitschenen gibt es nur eine Seilbahn, einen Lift, ein Gasthaus. Dafür können die Gäste das Getriebe der Welt für eine Weile vergessen.

Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Genug in der warmen Gaststube gesessen! Unsere siebenköpfige Gruppe hat das Frühstücksbuffet im Gasthaus Gitschenen mit Zopf und Birchermüesli genossen. Jetzt werden wir hibbelig: Der Berg ruft.
Die Spitzen der Urner Alpen haben sich eben noch in einem rosa gefärbten Versprechen gezeigt. Frühmorgens grenzte sich der Uri Rotstock auf 2929 Metern noch scharf von einem helltürkisen Himmel ab. Vom Gasthaus Gitschenen aus geniesst man auf 1550 Meter Höhe ein Rundum-Panorama der Urner Alpen. Ein Skilift liegt ums Eck, eine Loipe ums andere Eck. Es zieht uns hinaus in den Schnee.
Allein im Tannenwald
Es ist kurz nach neun. Drei einheimische Männer am Nebentisch geben uns freundlich Auskunft: Nein, heute werde man den Skilift leider nicht laufen lassen können. In der Nacht habe Regen die Pisten lädiert. Aber wir sollten doch Schneeschuh laufen, raten sie uns. Gleich neben dem Skilift führe ein Rundweg zu einem Aussichtspunkt.

Gute Idee. Dominik Wohlfeil, unser Gastgeber, versorgt uns mit Schneeschuhen. Unsere vier Teenager wollen hingegen lieber schlitteln. Schon bald kullern, schlingern, rasen sie den Hügel runter. Gelächter. Sonst Stille. Hinter ihnen harrt das 2400 Meter hohe Brisen-Gebirge.
Wir drei Erwachsenen stapfen mit den Schneeschuhen durch verschneite Tannenwälder. Kaum jemand ist zu sehen. Hier oben auf der Sonnenterrasse Gitschenen leben je nach Jahreszeit nur etwa dreissig bis vierzig Menschen. Vieles gibt es hier nur in der Einzahl: ein Gasthaus und ein «Gaststubli». Eine Seilbahn und einen Skilift. Je eine rote, blaue und schwarze Piste. Eine Bergkapelle. Dazu wenige Ferienhäuser und vier Bauernhöfe. Aus einem Minergie-Holzhaus späht ein Mann hervor. Er sei zu jeder Saison gerne hier, erzählt uns der Besitzer. Im Sommer, so schwärmt er, sehe man nachts die Milchstrasse: Sterne noch und noch im dunklen Himmel. Hier in der Abgeschiedenheit gebe es keine Lichtverschmutzung.

In Gitschenen gibt es auch keine Mobilfunkverbindung. Wer Strahlung als «Verschmutzung» betrachtet, ist also auch davor verschont. Die Einheimischen und Ferienhausbesitzenden sind zwar unterschiedlicher Meinung, haben sich aber geeinigt: Vorderhand beziehen sie ihre digitale Versorgung bis ins Jahr 2024 über Satellit.
Im Geist der Gitschener
Auch in vielen anderen Fragen baut man hier auf Mehrheitsentscheide und die Gemeinschaft. So haben die Einheimischen von jeher viele Projekte in Form von Genossenschaften umgesetzt. Auch der lokale Skilift ist eine Genossenschaft, die seit den 1960er-Jahren funktioniert. Ebenso haben sich die Gitschener ihre Bergkapelle in über dreissigjähriger Gemeinschaftsarbeit erspart und realisiert.
Der Tourismus ist neben der Berglandwirtschaft die wichtigste Lebensgrundlage. Ohne Skilift und Seilbahn kämen zu wenig auswärtige Gäste auf die Alp. Ohne Gasthaus wiederum würden sie nicht lange genug bleiben. Eins bedingt das andere.
Dieses Bewusstsein ist auch den Besitzern des Gasthauses ein Antrieb: Dani Helfenstein und Brigitta Tischhauser aus Luzern haben seit 2021 einige der Räume stilvoll saniert. Zudem engagierten sie eine Pächterfamilie aus dem deutschen Frankenthal: Der Gastronom und Energie-Achtsamkeits-Coach Dominik Wohlfeil, seine Frau Jhelisa Lenz und sein Team sorgen seit August 2021 fürs leibliche Wohl. Sie verwöhnen uns mit Älpler-Magronen, Rösti, Rahm-Rindsplätzli und raffinierten Salaten. Wo möglich, besorgen sie ihre Zutaten lokal, aus Bioanbau. Künftig wollen sie auch sportliche Aktivitäten und Entspannung fördern: mit Mondscheinwanderungen, Schneeschuh- oder Skitouren. Oder mit Kursen in Yoga, mit Achtsamkeitstraining oder ähnlichen Geistesübungen.

Wir spüren dem Geist der Gegend am Nachmittag in der Betrufkapelle nach. 1994 erbaut, lädt ihre schlichte Innenarchitektur zur Ruhe ein. Die Welt da draussen? In Gitschenen tritt sie in den Hintergrund. Unser gehetztes Wesen aus dem Unterland? «Der Berg richtet alles», sagt uns später der Wirt und gibt noch einen Kafi Träsch aus.
Eine Zusammenarbeit der Schweizer Familie mit Schweiz Tourismus.
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