Keine Stiefkindadoption für Lesbe
Das Bundesgericht weist die Beschwerde einer lesbischen Zürcherin ab. Eine Stiefkindadoption wäre in einer vergleichbaren Situation auch einem Ehepaar nicht erlaubt worden.
Von Simone Rau, Lausanne Das Erste, was man von ihr hört, ist ein lauter Schrei. «Jeeee», ruft Maria von Känel, als sie Hand in Hand mit ihrer Partnerin Martina Scheibling in Sichtweite des Bundesgerichts auftaucht. Vor dem Eingang warten bereits Journalisten auf sie, zahlreiche Zuschauer, Freunde und Bekannte. «Jeeee», ruft eine Frau zurück. Eine andere winkt. Die beiden laufen dem Paar entgegen. Umarmung hier, Umarmung da, Maria von Känel strahlt. «Ich bin nervös», sagt sie ein paar Minuten später vor dem Gerichtssaal. «Doch wir fühlen uns getragen von unseren Freunden.» Tatsächlich ist eine Schar Gleichgesinnter nach Lausanne gereist, um das lesbische Paar zu unterstützen. Neben den Freundinnen ist Eveline Mugier da, die Geschäftsführerin der Lesbenorganisation LOS, ebenso Pierre André Rosselet, der Präsident der Schwulenorganisation Pink Cross, sowie dessen Geschäftsleiter Uwe Splittdorf. Der Beginn der Verhandlung verzögert sich, die Frauen und Männer stecken die Köpfe zusammen und reden: über den Wunsch Maria von Känels, die Tochter ihrer Partnerin zu adoptieren, über das 2007 in Kraft getretene Partnerschaftsgesetz, das Adoption in eingetragenen Partnerschaften explizit verbietet, über die Beziehung, die die beiden Frauen seit 13 Jahren führen.Dann beginnt sie, die schweizweit erste öffentliche Gerichtsverhandlung zur Stiefkindadoption eines lesbischen Paars in registrierter Partnerschaft (TA vom 27. 4.). Bereits während der Ausführungen des zweiten Bundesrichters an diesem 5. Mai wird klar: Von Känels Antrag könnte an einer Formalität scheitern. Die eingetragene Partnerschaft der Frauen habe bei der Einreichung ihres Adoptionsgesuches im März 2010 erst drei Jahre bestanden, stellt der Richter fest. Ehepaare müssten für eine Stiefkindadoption hingegen fünf Jahre verheiratet sein. Die Beschwerde sei abzuweisen. In einer vergleichbaren Situation würde eine Stiefkindadoption auch einem Ehepaar verwehrt, womit keine Ungleichbehandlung vorliege.Und so kommt es, wie es kommen muss: Die fünf Richterinnen und Richter der II. Zivilrechtlichen Abteilung weisen die Beschwerde ab – wie zuvor die Vormundschaftsbehörde der Wohngemeinde des Paars (Greifensee ZH) sowie das Zürcher Obergericht, allerdings mit einer anderen Begründung. Die beiden Instanzen hatten argumentiert, die Adoptionen in eingetragenen Partnerschaften seien von Gesetzes wegen ausdrücklich verboten.Das Bundesgericht liess diese Frage offen, entscheidend war das Kriterium der 5-Jahres-Frist für Ehepaare. Die von den Richtern darüber hinaus gemachten Ausführungen werden nicht in die schriftliche Urteilsbegründung einfliessen. Interessant sind diese allemal: Die Richter waren sich einig, dass das gesetzliche Adoptionsverbot für eingetragene Paare klar und eindeutig ist. Und dass diesbezüglich kein Raum für Interpretation bestehe. Wenn denn eine Änderung herbeigeführt werden sollte, sei dies Sache des Gesetzgebers. Aus völkerrechtlicher Sicht sei das Adoptionsverbot nicht zu beanstanden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vertrete den Standpunkt, dass kein gesamteuropäischer Konsens darüber bestehe, ob homosexuellen Paaren die Adoption zu ermöglichen sei, oder ob das Kindeswohl dagegen spreche. Der Entscheid über die Einführung dieser Möglichkeit liege damit bei den einzelnen Staaten. «Ein fauler Entscheid» Kaum ist die Verhandlung beendet, stecken die Unterstützer des lesbischen Paars erneut die Köpfe zusammen. Die gescheiterte Beschwerdeführerin sagt: «Ich kann dieses Urteil akzeptieren. Die Richter stellen uns mit Ehepaaren gleich, das macht mich glücklich. Ich bin gerne bereit, die 5-Jahres-Bedingung zu erfüllen.» Ihre Partnerin Martina Scheibling ist dagegen sichtlich enttäuscht: «Die Begründung ist absurd. Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, unsere Partnerschaft vor 2007 zu registrieren, da das Partnerschaftsgesetz erst dann in Kraft trat.» Deutliche Worte spricht auch die Anwältin des Paars, Eylem Copur: «Es ist ein fauler Entscheid. Die beiden Frauen können zum jetzigen Zeitpunkt nun mal nicht fünf Jahre verheiratet sein.» Die Ausführungen der Richter hätten sich ausschliesslich auf die politische Frage konzentriert, ob Homosexuelle adoptieren dürften oder nicht. Keine Beachtung hätten sie hingegen der Frage des Kindeswohl geschenkt – ihrem Hauptargument für das Gutheissen der Beschwerde. Copur will das Urteil «definitiv» nach Strassburg weiterziehen. Maria von Känel (links) und Martina Scheibling vor dem Bundesgericht. Foto: Keystone
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