Keller-Sutter verärgert Konzernkritiker
Erfolg für die Justizministerin: Der Bundesrat gibt ihr grünes Licht für einen eigenen, abgeschwächten Gegenvorschlag zur Konzerninitiative. Den Initianten kommt das ungelegen.

Der Vorgang ist ziemlich aussergewöhnlich. Seit über einem Jahr ringt das Parlament um die Volksinitiative, die Grosskonzerne für missachtete Menschenrechte oder Umweltstandards in Haftung nehmen will. Gestritten wird vor allem um die Frage, ob man die Anliegen der Initianten etwas abgeschwächt in einem Gegenvorschlag aufnehmen will: Der Nationalrat ist dafür, der Ständerat war bisher knapp dagegen. Mitten in der Parlamentsdebatte schaltet sich nun plötzlich Justizministerin Karin Keller-Sutter als Akteurin wieder ins Geschehen ein. Wie diese Zeitung vorab publik machte, möchte Keller-Sutter die Initiative mit einer Art eigenem Gegenvorschlag kontern, der deutlich schwächer wäre als der Entwurf des Nationalrats. Jetzt hat die Freisinnige einen ersten Erfolg errungen: Wie aus einer Medienmitteilung hervorgeht, entschied der Bundesrat an seiner gestrigen Sitzung, das Manöver zu unterstützen.
Keller-Sutter fasst damit den Auftrag, sich für eine Vernehmlassung noch in diesem Jahr zu rüsten. Zuerst wird sie darauf hinwirken, dass der Ständerat den vom Nationalrat kreierten Gegenentwurf ablehnt. Dieser enthält, wie auch die Initiative selber, Haftungsregeln und Sorgfaltsprüfungen für Firmen; der Bundesrat erachtet ihn als wirtschaftsfeindlich. Ist er erst versenkt, soll Keller-Sutter auf den Plan treten und der Öffentlichkeit ihre eigenen, deutlich milderen Ideen präsentieren – und mit ihnen als Alternative gegen die Initiative kämpfen.
Auf EU-Kurs
Gemäss dem gestrigen bundesrätlichen Entscheid würden grössere Unternehmen grundsätzlich verpflichtet, über die Achtung der Menschenrechte und den Umweltschutz Bericht zu erstatten. Betroffen davon wären Firmen mit mehr als 500 Angestellten – wobei im begründeten Einzelfall auch eine Befreiung von dieser Pflicht möglich sein soll. Das entspreche den Regeln, die in der EU gelten, schreibt der Bundesrat.
Wie aus dem Umfeld der Regierung verlautet, wäre Keller-Sutter der Wirtschaft gerne noch weiter entgegengekommen. Sie habe ein Regulativ angestrebt, das unter den Standards der EU liege. Das Bundesratskollegium habe sie indes dazu verpflichtet, zumindest das europäische Niveau nicht zu unterschreiten.
«Offenbar ist der Bundesrat ebenso beunruhigt wie wir über die Debatte im Parlament.»
Trotz alledem zeigten sich die Gegner der Initiative gestern zufrieden mit der Entwicklung. «Der Zeitpunkt ist etwas überraschend», sagt Erich Herzog vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Aber offenbar ist der Bundesrat ebenso beunruhigt wie wir über die Debatte im Parlament: Aus Angst vor dieserInitiative wollen viele deren grundfalsche und international einzigartige Mechanik in einem Gegenvorschlag verankern.»
Economiesuisse begrüsst es laut Herzog sehr, dass der Bundesrat nun aufzeigt, in welche Richtung die Diskussion eigentlich gehen müsste. Gegen Transparenzregeln, wie sie die EU kenne, habe man nichts einzuwenden. «Die Diskussion über die Einführung dieser Regeln wäre schon lange angelaufen, würde nicht die Initiative alles blockieren.»
Zufrieden ist auch FDP-Ständerat Andrea Caroni. Er hält Keller-Sutters Strategie für taktisch geschickt: Sie werde es «dem einen oder anderen Ständerat erleichtern», den weitreichenden Gegenvorschlag des Nationalrats abzulehnen. Auch für den Abstimmungskampf verspricht sich Caroni Vorteile.
Nervöse Gegner?
Wenig erfreut reagieren dagegen die Initianten. «Offenbar ist die Nervosität gross», sagt Tom Cassee, Sprecher des Initiativkomitees. Anders sei nicht zu erklären, warum der Bundesrat zweieinhalb Jahre nach der Botschaft ans Parlament seine Position nun ändere. Cassee spielt damit auf den ursprünglichen Entscheid des Bundesrats an, von einem Gegenentwurf zur Initiative abzusehen. Dass Keller-Sutters Manöver die Initiative schwächt, glaubt er nicht. «Im Gegenteil. Denn der Bundesrat anerkennt zwar den Handlungsbedarf, schlägt aber keinerlei griffige Massnahmen vor.»
Keller-Sutters Justizdepartement wiederum weist den Vorwurf eines taktischen Winkelzugs zurück. Man habe schon in der Botschaft ans Parlament angekündigt, dereinst eine Berichtspflicht à la EU in die Vernehmlassung zu schicken, betont eine Sprecherin. Mittlerweile verfüge man über ausreichende Kenntnisse der internationalen Entwicklung, um eine konkrete Vorlage aufzugleisen.
Und warum geschieht dies ausgerechnet jetzt, in der heissen Phase der Parlamentsdebatte? Ihre Sprecherin antwortet dazu lediglich: Es sei Justizministerin Keller-Sutter ein Anliegen gewesen, ihre Position zum nationalrätlichen Gegenvorschlag mit dem bundesrätlichen Kollegium zu besprechen und abzugleichen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch