Killer-Girl auf Deutschland-Odyssee
Im neuen Film «Wer ist Hanna?» jagt Cate Blanchett einen Teenager quer durch Europa. Ein märchenhaft bizarrer Actionthriller.

Teenager Hanna geniesst eine recht rustikale Privaterziehung. Mit Vater Erik haust sie irgendwo in der Schneewildnis des arktischen Nordens. Der Ex-CIA-Agent hat das Mädchen zu einer Kampfmaschine ausgebildet. Als sich Hanna reif fühlt, in die Welt zu gehen, aktiviert sie einen Funkkontakt. Waldschrat Erik rasiert sich, kleidet sich in feinen Zwirn und verschwindet. Hanna wird von martialischen Soldaten abgeholt und in einem CIA-Geheimversteck medizinisch untersucht. Nun kann sie jene Mission erfüllen, die Erik ihr eingetrichtert hat. Der Auftakt des Actionthrillers «Wer ist Hanna?» ist vielversprechend bizarr.
Aus dem kuscheligen Paralleluniversum einer Blockhütte, in der Hanna als einzige literarische Zerstreuung die Grimm'schen Märchen liest, wird das Mädchen in eine Zivilisation geworfen, die nach ihr unbekannten Regeln funktioniert. Klar ist anfangs nur, dass Hanna eine gewisse Marissa Wiegler killen muss – die ihrerseits alles daransetzt, die Halbwüchsige und ihren Vater auszuschalten. Hanna beginnt eine atemlose Odyssee von Finnland über Marokko bis zur Endstation Berlin, die sich als eine von Märchenmotiven durchzogene Initiationsreise entpuppt.
In den ostdeutschen Plattenbau
Das hört sich leider interessanter an, als es letztlich inszeniert ist: Regisseur Joe Wright, mit «Abbitte» als stilbewusster Kostümfilmer bekannt geworden, gelingt nur phasenweise der Spagat zwischen anspruchsvollem Kunstfilm und spannendem Actionthriller. Wunderbar ist zwar die Besetzung, in der Saoirse Ronan, die zuletzt im Märchendrama «In meinem Himmel» als ruheloses Vergewaltigungs- und Mordopfer auftrat, diesmal eine aufregende Mischung aus unschuldig blondem Rauschgoldengel und gnadenloser Killerin verkörpert. Wehrhafte Girlies sind zurzeit sehr in Mode, wie auch die Heldinnen in «True Grit» und «Kick Ass» zeigen.
Hannas erbitterte Gegnerin ist Cate Blanchett als rothaarig-hexenhafte Geheimdienstgrösse Marissa Wiegler, die nach dem Prinzip «unfinished business» eine Scharte aus ihrer Vergangenheit auswetzen muss. Eric Bana als Hannas Beschützer absolviert unter anderem eine mörderisch elegante Verfolgungsjagd und macht auch sonst eine gute Figur. Und als Berliner Oma taucht kurz der ostdeutsche Altstar Gudrun Ritter auf, die sich zuletzt mit «Boxhagener Platz» in Erinnerung rief. Last not least gibt es noch eine britische Familie, deren pubertierende Kinder die seltsame Hanna unterwegs aufgabeln.
Spagat zwischen Kunst und Ballerei
Leider fällt das Schicksal dieser netten Wohnmobil-Urlauber völlig unter den Tisch. Überhaupt beweist der Thriller, der neben Explosionen und Ballereien auf meditativ-abgründige Momente setzt, eine erstaunlich sorglose Brutalität. Links und rechts fallen die Leichen, ohne dass ihnen weitere Beachtung geschenkt wird. Auch Hannas Kulturschock angesichts der realen Welt hätte mehr Leinwandzeit verdient. Sobald sie in Europa ankommt, passieren überdies zahlreiche Anschlussfehler. Ihr Reisekurs besonders in Deutschland scheint vor allem von den regionalen Förderanstalten, die den Film mitfinanzierten, bestimmt.
Das mit überdeutlichen Anspielungen aufgeblasene Geheimnis ihrer Identität dürfte selbst ein nur durchschnittlich gewiefter Kinogänger schnell erahnen; tatsächlich kann Hanna mit ein paar Internet-Clicks das Wichtigste herausfinden. So geht angesichts der immer abstruseren Jagd, in der ein tumber Skinhead-Verfolger und die unvermeidlichen ostdeutschen Plattenbauten präsentiert werden, die zuvor sorgsam aufgebaute Spannung allmählich flöten. Zum Showdown kommt wieder mal der Berliner Spreepark mit seinen symbolträchtigen Gruselfiguren zum Einsatz; das wirkt dann leider nur noch verstiegen statt originell.
«Wer ist Hanna?», Actionthriller, USA/Grossbritannien/Deutschland 2011, 111 Minuten, FSK: 16, Verleih: Sony, Regie: Joe Wright, Darsteller: Saoirse Ronan, Eric Bana, Cate Blanchett, Tom Hollander u.a.
Kinostart in der Schweiz: 26. Mai 2011
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