Ikone der Schwarzen Musik«Klar, dass da keine fröhliche Musik entstanden ist»
Susana Baca ist die Ikone der afroperuanischen Musik, war Ministerin in Peru, liebt Björk und Talking-Heads-Sänger David Byrne ist ihr grösster Fan. Nun kommt sie in die Schweiz.
Es ist der Abend des 11. September 2001. Gerade sind die beiden Twin Tower in New York eingestürzt, in der ganzen Stadt herrscht Verwirrung, Chaos und Bestürzung, als sich einige Blöcke weiter eine Band zum lange zuvor gebuchten Studiotermin zusammenfindet.
Mittendrin die Sängerin Susana Baca, die beschliesst, die Sache trotz der widrigen Umstände durchzuziehen, neben ihr der Tom-Waits-Gitarrist Marc Ribot und das Talking-Heads-Oberhaupt David Byrne, auf dessen Label das Album erscheinen soll. An diesem Abend starten die Aufnahmen zu «Espiritu Vivo», einem Werk, das getrost zu den wichtigsten Alben der peruanischen Musik gezählt werden darf. «Vermutlich wäre dieses Album fröhlicher ausgefallen, wäre es nicht vor diesem Hintergrund entstanden», wird Susana Baca später sagen. «In mir kamen alte Bilder hoch, als man in Peru, aus Angst vor den Terroristen, auch nicht mehr auf die Strassen gehen konnte. Als Band fühlten wir uns an diesem und an den kommenden Abenden näher denn je – das hört man auf dieser Einspielung.»
Peru ohne Flöten
Musik aus Peru? Da kommen schnell Bilder hoch von mehr oder minder vorteilhaft zum Einsatz kommenden Holzflöten und von Ethnomusik aus den Fussgängerzonen. Dass neben der Kultur der Indigenen vom peruantischen Hochland auch eine fast vergessene, schwarze Parallelkultur existiert, hat sich bisher in unseren Breitengraden noch kaum herumgesprochen. Und Susana Baca ist die unermüdliche und leidenschaftliche Botschafterin dieses kulturellen Schatzes. Wer schon mal das Vergnügen hatte, mit ihr über ihre Herzensangelegenheit zu sprechen, wird diese Inbrunst nie mehr vergessen. Susana Baca kichert, erzählt atemlos, singt eine Melodie, lacht, erzählt weiter, imitiert einen Rhythmus, ringt nach Worten, um dem gerecht zu werden, was ihre afroperuanischen Vorfahren ihr da hinterlassen haben.

Es sind oft schwerblütige Lieder, die Susana Baca singt, und doch liegen diese selten schwer auf dem Gemüt. Es blinzeln immer wieder scheue Sonnenstrahlen ins Geschehen. Meist reichen ihr ein Cajon und eine Gitarre zur Instrumentierung, nur um im nächsten Moment ein ganzes Blasorchester aufzubieten, um jegliche Niedergeschlagenheit in den Wind zu schlagen. Es sind Lieder über Liebe, Verlust und Leidenschaft, und über die Beschwerlichkeiten des Lebens, dargebracht in archaischer Schlichtheit und Schönheit, meilenweit weg von Ethnokitsch, Panflötenromantik und aufgesetztem Pathos.
Die Musik von Susana Baca hat ihren Ursprung im 16. Jahrhundert, als die Spanier damit begannen, afrikanische Sklaven nach Südamerika zu schaffen, um sie auf ihren Plantagen schuften zu lassen. «Es sind damals zwei Arten der Melancholie aufeinandergetroffen: hier die zur Unterschicht degradierten Ureinwohner Perus, da die als Sklaven importierten Afrikaner», erzählte Susana Baca einst dieser Zeitung. «Es ist klar, dass dabei keine wirklich fröhliche Musik entstanden ist, sondern eine Musik, die die Rhythmen Afrikas mit dem Weltschmerz des Sklaventums verband.»
Allerdings ist diese Musik bloss bruchstückhaft überliefert. Dass sie nicht ganz vergessen geht, das hat Susana Baca zu ihrem Lebensinhalt gemacht. In Lima hat sie das «Center for Black Continuum» gegründet, wo sie als Forscherin und Archivarin afroperuanischer Musik wirkt. Ihr Zentrum beheimatet die weltweit grösste Bibliothek, die sich dieser Materie widmet, eine Sammlung von Liedern, Instrumenten und ein Studio, in dem junge Künstler erste Aufnahmen machen können.
Bewahrerin einer Kultur
Die 79-jährige Susana Baca selbst reist durch ganz Peru, um in den Dörfern und auf den Marktplätzen den Sängern zuzuhören, ihre Geschichten und Lieder zu sammeln, der Vergessenheit zu entreissen. Noch immer bringt sie fast jedes Jahr ein neues Album heraus, hat zwei Grammys eingeheimst und wurde 2011 als zweite afroperuanische Frau ins peruanische Kabinett gewählt. Doch ihr Amt als Kulturministerin legte sie bereits nach wenigen Monaten wieder nieder, aus Protest gegen ein umweltverheerendes Bergbauprojekt.
Susana Baca nun aber auf die Rolle der wehmütigen Traditionalistin zu reduzieren, wäre unsorgfältig. Denn die Neugier dieser Frau richtet sich nicht bloss in die Vergangenheit, sie ist auch durchaus der Moderne zugetan: Unvergessen ist ihre Coverversion von Björks «Anchor Song» oder wie sie Damian Rices «Vulcano» zu einer zartschmachtenden schwarzperuanischen Ballade umgestaltet hat. Sie brauche diesen Ausgleich ab und zu, sagt sie, sie wolle schliesslich nicht, dass ihre Konzerte zu musealen Veranstaltungen verkommen.
Auf die Frage, wie sie die Auswahl ihrer Lieder trifft, sagt Susana Baca: «Die Lieder müssen zärtlich, rhythmisch, melancholisch und poetisch sein – und ich muss spüren, dass ich sie durch meine Interpretation zum Fliegen bringen kann.» Das gelingt ihr in erfreulicher Regelmässigkeit.
La Spirale, Freiburg, Sa, 13. 5., 20.30 Uhr. Moods, Zürich, So, 14. 5., 19 Uhr. Das Zürcher Konzert ist auch in einem Livestream zu sehen (www.moods.ch).
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