Klotens kämpferischer Parkierer
Urs Sprengers Familie lebt seit 60 Jahren vom Parkieren der Autos von Flugpassagieren. Doch jetzt wird es für sie so richtig schwierig.
Eine Kämpfernatur dieses Kalibers stellt man sich anders vor. Grösser, forscher, stattlicher – schliesslich geht es um viel Geld und gewichtige Gegenspieler wie die Stadt Kloten oder die Flughafen Zürich AG. Doch Urs Sprenger muss niemandem etwas vormachen. Kleine Statur, Frisur Typ Vokuhila, T-Shirt, Jeans und Jacke, in der Hand statt einer Aktentasche einen Autoschlüssel.
Die Sprenger Autobahnhof AG war die erste Firma, die am Flughafen Zürich das Parkieren von Autos angeboten hat, das Valet-Parking. Seit Jahren erkämpft sich Sprenger das Recht, das auch weiter so zu tun, wie er es will. Doch er spürt Widerstand von der Stadt Kloten und der Flughafen Zürich AG, denen sein lukratives Geschäft mit den Parkplätzen ein Dorn im Auge ist.
Als David, der gegen Goliath antritt, kommt er sich vor. Einen couragierten Gewerbler, der die Auseinandersetzung mit den Grossen nicht scheut, nennt ihn VCS-Geschäftsführerin und grüne Kantonsrätin Gabi Petri. Sie kämpft an seiner Seite, «obwohl ich mit Parkplätzen, Autos und Gewerbe sonst nichts am Hut habe».
Über all das hat Sprenger nun einen Film gedreht und auf seine Website gestellt. «Weil ich zeigen will, wie schwer es unserem KMU gemacht wird», sagt der 54-Jährige vorgängig am Telefon.
Urs Sprenger begrüsst einen dort, wo er auch im Film erstmals auftritt: im Flughafen-Parkhaus 3, auf dem 2. Deck, wo Tageslicht rar ist, am Schalter seines Unternehmens. Starker Händedruck, ein Lachen und die Worte: «Ja, das ist das, was unsere Kunden von unserem Unternehmen sehen.»
Chef von 32 Mitarbeitern
Die Sprenger Autobahnhof AG ist eine von drei Valet-Parking-Anbieterinnen, die von der Flughafen Zürich AG konzessioniert ist. Sie hat derzeit rund 800 Parkplätze gemietet, 170 davon in Kloten, 500 in Opfikon und weitere in verschiedenen Tiefgaragen in und um Kloten. In den besten Zeiten waren es fast doppelt so viele. Auf all diesen Plätzen parkieren Sprenger und sein 32-köpfiges Team jährlich rund 40'000 Fahrzeuge. Kostenpunkt für drei Tage in der Sprenger Autobahnhof AG: bis 90 Franken. Wer will, kann zusätzlich Wasch- oder Service-Arbeiten in Anspruch nehmen.
Was das bedeutet, wird in der Tiefgarage an der Flughafenstrasse 8 sichtbar. Da schrauben und putzen Sprengers Mitarbeiter Kundenautos, die meisten schwarz und aus dem oberen Preissegment. In der Zentrale darüber, einer Parterrewohnung mit Tankstelle, lagern auf einem Gestell aufgereiht Schlüssel von 600 parkierten Autos, jeder mit einem Datenblatt umwickelt.
Vater Hans Sprenger führte die Tankstelle mit Garage in der Liegenschaft der ehemaligen Swissair. Als 1958 mehr Leute mit dem Auto an den Flughafen kamen, begann er für die Swissair gegenüber der Tankstelle 271 Aussenparkplätze anzubieten. Der Sprenger Autobahnhof AG wurde zum Tochterbetrieb der Swissair, hatte einen Schalter im Terminal, eine direkte Telefonleitung von der Tankstelle zum Flughafen und bot den ersten Valet-Parking-Service an.
Mit 14 erstmals am Steuer
Auch mit der Polizei verstand man sich gut. «Wenn mein Vater etwas zur Tombola beisteuerte, bekamen wir lange keine Bussen mehr», sagt Sprenger. Er sitzt in seinem Büro, einem kleinen Raum der Wohnung ohne Fenster, seinem ehemaligen Kinderzimmer. Altrosa Spannteppich, eine Fototapete mit See und Berggipfeln an der Wand, «wahrscheinlich Kanada».
Bereits mit zehn Jahren begann Urs Sprenger, für das Unternehmen zu arbeiten. Sein Vater war ein Jahr zuvor verstorben, seine Mutter mit dem Geschäft auf sich allein gestellt. «Der Herr wünscht Benzin», hiess es nach der Schule jeweils. Mit 14 fuhr er bereits ein erstes Mal den VW Käfer seiner Mutter zum Flughafen, von ihr hat er den Kampfgeist geerbt. Zehn Jahre half Sprenger als gelernter Mechaniker und Disponent in der Firma mit, im Winter bot er in Florida Flugtaxi-Fahrten auf die Marco Islands an. Alles lief gut – bis zur Privatisierung des Flughafens im Jahr 2000 und dem Grounding der Swissair zwei Jahre später.
Die neue Flughafeneigentümerin wollte Sprengers Geschäfte kontrollieren und ihm die Lizenz entziehen. Aber die Wettbewerbskommission war für ihn. Im Film verkörpert ein Schauspieler die scheinbar übermächtige Flughafen Zürich AG, eine reale Konfrontation mit seinen Gegnern fehlt. 2008 übernahm Urs Sprenger die Firma und investierte.
Vorzüge aus Swissair-Zeiten schwinden
Doch heute schwinden die Vorzüge aus Swissair-Zeiten. So auch das Recht auf den Parkplatz gegenüber der Tankstelle. Die Pacht ist seit fünf Jahren ausgelaufen, die Flächen werden laufend überbaut. Im Industriegebiet von Kloten fand Sprenger einen Standort, um ein Parkhaus mit 271 Parkplätzen zu bauen, aber keine gültige Baubewilligung. Zuerst hiess es, das Gebäude sei zwei Zentimeter zu nah an die Strasse geplant. Auf das korrigierte Baugesuch gingen die Behörden gar nicht mehr ein. Sie wollen den Grundsatzentscheid des Bundesgerichtes abwarten. «Die wollen mir mein Geschäft ruinieren», sagt Sprenger. Marc Osterwalder, Leiter Bereich Lebensraum und Sicherheit bei der Stadt, kontert: «Wir wenden nur das Recht an.» Im kantonalen Richtplan gebe es keine Einträge, die ein Valet-Parking ausserhalb des Flughafenperimeters rechtfertigten.
Konkurrenz wittert Urs Sprenger auch von der Flughafen Zürich AG, die auf der Parzelle Oberhau ein neues Parkhaus plant, um auch in Spitzenzeiten allen genügend Parkplätze zur Verfügung stellen zu können und Suchverkehr sowie Staus zu verhindern. Für Sprenger ist indes der Bedarf dieser Parkplätze nicht nachgewiesen. Die bestehenden Parkhäuser seien nicht ausgelastet, die Ziele des Modalsplits noch nicht erfüllt. Deshalb hat er gegen den Bau Einsprache eingelegt, genauso wie die grüne Kantonsrätin Gabi Petri mit dem VCS. Und so hat sie seine Geschichte erfahren. «Da ist einer, der korrekt seinem Gewerbe nachgeht, in die Mühle von zwei Mächtigen geraten.» Obwohl sie aus anderen Gründen als Sprenger gegen das Parkhaus kämpft: Auch sie prangert das Tun von Stadt und Flughafen an. Beide sollten eher dafür sorgen, dass der öffentliche Verkehr besser genutzt werde und die wilden Valet-Parking-Anbieter verschwinden.
Die Flughafen Zürich AG sieht sich keineswegs als Gegnerin von Sprenger. Er sei ein langjähriger Vertragspartner und hätte Ende 2016 wieder den Zuschlag für eine Konzession bekommen. «Wir sind an einer guten Zusammenarbeit interessiert», lässt die Flughafen Zürich AG verlauten.
Kriminelle Kunden
Nach eineinhalb Stunden im engen Büro seufzt Sprenger. Er habe ja schon viel erlebt, sagt er und erzählt die Anekdote von den Benzindieben, die nachts Tanks mehrerer Wagen angebohrt haben, von Autodieben und von all den Kriminellen, die gestohlene Autos monatelang auf seinen Parkplätzen parkierten, ohne dass Sprenger je einen Rappen sah. «Aber all dies ist nichts gegen das, was ich derzeit mit der Stadt und dem Flughafen erlebe.» Im Wagen entschuldigt er sich für das «Geschwätze», aber er müsse seine Geschichte erzählen.
Das jüngste Kapitel betrifft seinen Schalter-Standort. Bis Ende Monat muss er in den 5. Stock zügeln, weil der Flughafen im 2. Stock eine zweite Ausfahrt plant, um den Stau zu beheben. Die Büroeinrichtung stellt der Flughafen. Aber auch das will Sprenger nicht, fast wöchentlich hat er deswegen derzeit einen Anwaltstermin. Rund 150'000 Franken hat ihn das Engagement schon gekostet; aufgeben oder verkaufen kommt für Sprenger noch nicht infrage. «Und wenn, nur den Chinesen.»
Trotz all dem kann Sprenger noch abschalten, mit der Familie, mit Freunden oder in seiner Werkstatt, wo er an einem Kleinflugzeug bastelt. Ganz nebenbei keimen dann jeweils neue Ideen, zum Beispiel jene vom Parkhaus an der Glatt, mit Check-in und Bus zum Terminal. Dass er damit beim Flughafen je auf Gehör stossen wird, bleibt zu bezweifeln. Versuchen wird es Sprenger trotzdem.
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