«Körperliche Wehwehchen gehören zum Pilgern»
Von Hape Kerkelings Pilgertagebuch «Ich bin dann mal weg» wurden drei Millionen Stück verkauft. Jetzt spricht der Entertainer über sein Leben zwischen Buch und TV.

In Ihrem Pilger-Buch erzählen Sie von einer Rückführung in ein früheres Leben: Sie waren ein Franziskaner, der von Nazis erschossen wurde. Haben Sie auf dem Jakobsweg auf den Pfad der christlichen Tugend zurückgefunden?Ich glaube nicht, dass ich in dieser Schau der Rückführung eine wirkliche Reinkarnation gesehen habe. Der Franziskaner ist vielleicht eine Figur in meinem Unbewussten und verkörpert die suchende Ader in mir, die mich auch auf den Jakobsweg geführt hat. Solange ich zurückdenken kann, habe ich mich für alles, was spirituell und religiös ist, interessiert und begeistert.
Möglich also, dass Sie eines Tages Franziskaner oder Mönch werden?Nein. Als Jugendlicher hatte ich in Freizeiten öfter Gelegenheit, so für eine Woche ins Kloster zu gehen. Und jedes Mal, wenn ich das Kloster verlassen habe, war ich froh. Ich könnte mich in eine so strenge Ordnung nicht einfügen. Dazu bin ich zu freiheitsliebend. Es widerspricht auch meinem Naturell, mich so komplett unterzuordnen, zumal einer menschlichen Autorität.
«Ich bin dann mal weg» wurde 3 Millionen Mal verkauft und soll bald verfilmt werden. Ist der Erfolg darauf zurückzuführen, dass Sie über Spirituelles nicht nur todernst reden?Ich gehe selbstironisch mit mir um. Ich habe versucht, so ehrlich wie möglich zu sein, mit mir und mit dem Leser. Und da, wo ich nicht hätte ehrlich sein können, wo es zu privat und intim wurde, solche Passagen habe ich gar nicht erst ins Buch aufgenommen. Ich wollte eben nichts schönreden. Was ich dem Leser präsentiere, ist ungeschönt. Vielleicht macht das den Erfolg aus.
Beschreiben Sie deshalb das Profane, Ihre körperlichen Gebresten oder das Wäschewaschen, so genau wie Ihre spirituelle Entwicklung?Die körperlichen Wehwehchen und das tägliche Waschen der Wäsche gehören zum Pilgern und sind Bestandteil des Weges. Da treffen sich dann das Profane und das Heilige. Und das eine kommt nicht ohne das andere aus.
Sie haben einen veritablen Pilgerboom ausgelöst. Überrascht Sie das?Ja, ich hatte wirklich nicht erwartet, eine solche Welle auszulösen. Ich sehe das positiv wie negativ. Dass so viele Menschen sich grundsätzlich auf den Weg machen und die Chance haben, ähnlich schöne Erlebnisse zu haben wie ich, ist positiv. Andererseits ist das natürlich kein klassischer Urlaub, und Pilgern ist kein Sport. Da geht es nicht ums eigene Ego, es geht um den Weg.
Sie schreiben bereits an Ihrem Zweitling. Wiederum ein spirituelles Buch?Es wird sich auch mit den Dingen zwischen Himmel und Erde beschäftigen, ja.
Gibt es auch neue Fernsehprojekte?Nein, ich bin wieder in einer Auszeit, die ich in erster Linie nutze, um das neue Buch zu schreiben. Vor Ende des kommenden Jahres werde ich nicht mit einer neuen Sendung auf dem Schirm zu sehen sein.
Sie werden als möglicher Nachfolger von Elke Heidenreich für das ZDF-Format «Lesen» gehandelt. Ist da was dran?Quatsch. Ich bin von niemandem angefragt worden. So viel ich weiss, ist die Sendung «Lesen» eine Erfindung von Frau Heidenreich, und wenn sie diese Sendung nicht mehr macht, dann gibt es sie auch nicht mehr.
Als TV-Entertainer haben Sie Fernsehpreise im Dutzend gewonnen. Marcel Reich-Ranicki hat seinen zurückgewiesen. Hat er Recht mit seiner Fernsehschelte?Wenn man einen 88-jährigen Herrn quasi dazu zwingt, sich die vierstündige Gala des Deutschen Fernsehpreises auf dieser unzumutbaren Bestuhlung anzusehen, dann darf man sich nicht wundern, dass so etwas passiert. Ich fand das sehr erfrischend, und es hat auch eine nette Diskussion angeregt. Ob Reich-Ranicki das alles so gemeint hat, weiss ich nicht. Natürlich kann man nicht sagen, das deutsche Fernsehen sei insgesamt doof und blöd. Mag sein, dass es der Abend war. Insofern hat Reich-Ranicki im Affekt gehandelt. Leute, die im Affekt handeln, sind aber meist unschuldig.
Auf dem Jakobsweg empören Sie sich mal über all den Müll im spanischen Fernsehen. Gibts den nicht auch auf deutschen und schweizerischen Sendern?Das ist ein weltweites Phänomen und war es immer schon. Es wird immer Müll geben, genauso wie es im Blätterwald nicht nur hochwertige Zeitungen gibt.
Wollen Sie leugnen, dass im Sog des Privatfernsehens das Niveau bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sinkt?Nein. Insgesamt ist das Niveau sicher nach unten gegangen. Trotzdem würde ich nicht von Verblödung reden, sondern von Pluralisierung. Dank der Vielfalt der Sender geht es punktuell auch nach oben. So findet man bestimmte historische Dokumentationen, wie man sie vor dreissig Jahren im deutschen Fernsehen so nicht sehen konnte. All die schlechten Sendungen wie die Nachmittagstalkshows sind zudem eindeutig Minderheitenprogramme.
Herr Kerkeling, sind Sie bald mal wieder weg?Ja natürlich. Das liegt mir im Blut. Aber ich weiss nicht, ob ich dann zwingend darüber schreiben würde.
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