Kokainschwemme in Biarritz
Krimi der Woche: Drogenabstürze und eine brutale Killerin – Estelle Surbranche ist DJ, ihr Debüt «So kam die Nacht» ist hart und düster.

Der erste Satz:
Das sieht übel aus.
Das Buch:
Knallhart und ziemlich blutig ist das Romandebüt der Französin Estelle Surbranche. Eine serbische Killerin ist unterwegs; ihr Markenzeichen sind ausgestochene Augen. Und zwei nette Studenten in Paris, die zum Surfen nach Biarritz gefahren sind, gehen letztlich zugrunde am Kokain, das sie am Strand gefunden haben. Unbeschadet überstehen auch die Überlebenden die Geschichte nicht. Es sind zwei Frauen: Natalie, die Killerin, und Gabrielle Lavasseur, Capitaine bei der Polizei in Biarritz. Letztere erweist sich erst im Verlauf des Buches als die Hauptfigur von «So kam die Nacht». Ein tatsächliches Ereignis habe sie zu dieser Geschichte inspiriert, sagte Surbranche in einem Interview: 2003 seien in Biarritz Päckchen mit kiloweise Kokain angeschwemmt worden. Sie habe sich gefragt: Was würdest du tun, wenn du so ein Paket finden würdest? Was würde passieren? In ihrem Roman, den sie 2003 ansiedelte, kippen Transporteure eine grosse Menge Kokain in den Atlantik, als ihr Boot von der spanischen Küstenwache aufgebracht wird. Während Wochen werden sowohl an der spanischen wie an der französischen Küste Pakete angespült. Niemand weiss, wie viele. Aber es gibt Todesfälle; der sehr reine Stoff bekommt in grosser Menge nicht jedem. Und dann taucht die Killerin auf, die im Auftrag der serbischen Mafia an jedem, der sich an dem Stoff vergriff, ein Exempel statuieren soll. Nachdem sie in Biarritz ein paar Leichen hinterlassen hat, mit denen sich Capitaine Lavasseur befasst, reist Natalie auf den Spuren der beiden Surfer, die Kokainpakete gefunden haben, nach Paris. Die beiden Studenten haben sich in die Clubszene geworfen, wo sie als Lieferanten des begehrten Stoffes hofiert werden und viel Geld machen. Bis Natalie sie findet, ist der Stoff aufgebraucht.
Estelle Surbranche erzählt die böse, düstere Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Man erlebt das Geschehen mal aus der Sicht von Natalie, dann aus der des einen und dann des anderen Studenten, aus dem Blickwinkel der Polizistin aus Biarritz und dem von Koksnasen in Pariser Clubs. Die Beschreibungen sind anschaulich, und mit den inneren Monologen mehrerer Protagonisten leuchtet die Autorin auch tiefer in deren Psychologie, in ihre Gedanken und Gefühle, in ihre Geschichte auch, durch die sie so wurden, wie sie sind. Dabei spürt man, dass Surbranche, die als DJ seit vielen Jahren in der Clubszene zu Hause ist, Figuren, wie sie sie beschreibt, nicht einfach erfunden hat, sondern aus eigenen Beobachtungen kennt.
«So kam die Nacht» ist spannend und geht unter die Haut; ein starker Erstling, der sich in die beste bzw. dunkelste französische Noir-Tradition einreiht. Dass sich Gabrielle Lavasseur erst spät als eigentliche Hauptfigur erweist, mag man ein bisschen bedauern. Denn auch sie ist, wie die meisten anderen Personen im Roman, ein vielschichtiger, gebrochener Mensch. Sie hat nicht nur eine Beziehungsgeschichte, die böse Folgen hatte, hinter sich, sondern steht auch in stetigem Konflikt mit ihren Vorgesetzten: «Standesdenken, Inkompetenz und eine Justiz, die mit zweierlei Mass mass, manchmal widerte ihr Beruf sie wirklich an.» Gerne wäre man als Leser noch etwas näher bei ihr. Doch das kann ja noch werden: Estelle Surbranche führt die Figur in ihrem zweiten Roman weiter.
Die Wertung:

Der Autor: Estelle Surbranche, Jahrgang unter Verschluss, stammt aus Annecy in den französischen Savoyen. Sie schloss 1999 die ESSEC Business School mit einem MBA in Marketing und Management ab, wurde dann aber Journalistin. Schon mit 16 Jahren war sie in die Welt der Techno-Sounds eingetaucht. Seit 2002 legt sie als DJ unter dem Namen Estelle S. auf. 2003 war sie Co-Autorin einer Biografie über die französische Hip-Hop-Gruppe Suprême NTM. Estelle Surbranche war Mitgründerin des französischen Magazins «Flavor», dessen Chefredaktorin sie bis 2014 war. 2015 erschien ihr erster Roman «Ainsi vint la nuit» («So kam die Nacht»); in Frankreich ist kürzlich ihr zweiter Roman «Emmène-moi au paradis» erschienen.

Estelle Surbranche: «So kam die Nacht» (Original: «Ainsi vint la nuit», La Tengo Editions, Paris, 2015). Aus dem Französischen von Cornelia Wend. Polar-Verlag, Hamburg, 2917. 335 S., ca. 22 Fr.
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