Kanton Zürich gegen den Klimawandel – Neukom will 120'000 Ölheizungen durch Wärmepumpen ersetzen
Weg von Erdöl, Gas und Elektroheizungen, mehr Subventionen für Wärmepumpen: Baudirektor Martin Neukom hat seinen «Klima-Deal» vorgestellt. Die Parteien reagieren wohlwollend.
Pascal Unternährer
Das Wichtigste in Kürze:
Der Zürcher Regierungsrat will den CO2-Ausstoss im Gebäudebereich auf netto Null bis 2050 senken.
Baudirektor Martin Neukom stellte den Zürcher «Klima-Deal» vor, den er den Hauseigentümern anbietet. Er besteht aus Verboten auf der einen Seite und Subventionen auf der anderen.
In Neubauten sind Öl- und Gasheizungen verboten.
In bestehenden Häusern mit Öl- und Gasheizungen muss bei einem Ersatz grundsätzlich auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Eine neue Öl- oder Gasheizung ist nur dann erlaubt, wenn die CO2-neutrale Anlage wie eine Wärmepumpe über den gesamten Lebenszyklus mehr als 5 Prozent teurer wäre, also einschliesslich der Erdöl-, Gas- und Strompreise.
Ausnahmen sind vorgesehen, etwa für ältere Hauseigentümer mit begrenzten finanziellen Mitteln.
Der Strom für die Wärmepumpe soll in Neubauten von der eigenen Fotovoltaikanlage stammen.
Die Subventionen werden massiv ausgebaut. Eine Wärmepumpe soll zu 15 bis 20 Prozent vom Staat bezahlt werden. Für energetische Massnahmen stehen für die nächsten vier Jahren 180 Millionen Franken zur Verfügung. Zum Vergleich: In den letzten vier Jahren waren es 87 Millionen.
Fassadendämmung, Dachsanierung und Fensterersatz werden weiterhin subventioniert.
Biogas statt herkömmliches Gas soll gefördert werden für Gebäude, in denen Wärmepumpen nicht möglich sind.
Neue Elektroheizungen sind verboten, die alten müssen bis 2035 verschwinden.
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Sogar SVP und FDP reagieren positiv
Die ersten Reaktionen der Parteien auf den Gesetzesentwurf fielen mehrheitlich positiv aus. SVP und FDP, welche weniger ambitionierte Energiegesetze in anderen Kantonen abgelehnt hatten, begrüssten in ihren Mitteilungen die Stossrichtung des revidierten Gesetzes. «Der Kanton Zürich wird grüner!», schreibt die SVP. Die Massnahmen müssten jedoch verhältnismässig und wirtschaftlich tragbar sein, das Verbot von Elektroboilern beurteilt sie kritisch. Auch die FDP will genau prüfen, ob die vorgeschlagenen Massnahmen ökonomisch tragbar und gesellschaftlich akzeptiert seien. Kritik äussert die SVP an der geplanten Pflicht zum Bau von Fotovoltaik-Anlagen auf Neubauten. Nicht alle Dächer und Fassaden würden sich dafür gleichermassen eignen.
Grüne wollen mehr Tempo
Auch SP und Grüne befürworten die vorgeschlagenen Änderungen. Die Grünen würden jedoch beim Verbot der Elektroheizungen gerne mehr aufs Tempo drücken. Der Zeithorizont bis 2035 sei viel zu lang, schreibt die Partei in einer Mitteilung. Die SP will laut Mitteilung auf eine sozialverträgliche Umsetzung achten, um zu verhindern, dass am Ende primär die Mieterinnen und Mieter den energetischen Umbau der Gebäude bezahlen müssen.
Die GLP bezeichnet den Klima-Deal als überzeugendes Instrument, auch wenn ihr ein ausnahmsloses Verbot von neuen Ölheizungen lieber gewesen wäre. Auch die CVP begrüsst das geänderte Energiegesetz, insbesondere weil die Massnahmen wirtschaftliche Vorteile in Corona-Zeiten bringe und Gasheizungen in älteren Gebäuden möglich bleiben. Auch die EVP bezeichnet die Revision als wichtig und richtig. Sie vermisse allerdings konkrete Vorschläge für den Ausbau und die Förderung der Solarstromproduktion. (pu/sda)
Medienkonferenz beendet
Nach einer Dreiviertelstunde ist die Medienkonferenz zum neuen «Klima-Deal» des Kantons Zürich beendet.
Frage: Steigen die Mieten?
Neukom sagte, er habe lange an Bedingungen herumgetüftelt, dass Fördergelder nur ausbezahlt werden, wenn sich der Hauseigentümer verpflichtet, dass die Mieten nicht steigen. Doch er kam nicht auf einen grünen Zweig, so dass er darauf verzichtete.
Frage: Welchen Ölpreis genommen?
Für die Berechnung der Lebenszykluskosten von Ölheizungen hat Neukom den Durchschnittspreis des Erdöls der letzten vier Jahre genommen. Analog nahm er den Strompreis der letzten vier Jahre für die Berechnung der Lebenszykluskosten der strombetriebenen Wärmepumpen.
«Grosser Schritt für Klimaschutz»
«Es ist ein kleiner Schritt für das Weltklima, aber ein grosser Schritt für den Klimaschutz im Kanton Zürich», sagte Neukom. Er zeigte sich überzeugt, dass das neue Gesetz im Kantonsparlament und Volk durchkommt.
Impulsprogramm
Ein grosser Vorteil des Deals sei, dass die lokale Wirtschaft gefördert wird, meinte Neukom.
Verbot von Elektroheizungen
Neue Elektroheizungen sind verboten, die alten müssen bis 2035 ersetzt werden. «Das ist human», findet Neukom.
Der Klima-Deal
Neukom bietet den Hauseigentümern einen Deal an: Wenn eine Wärmepumpe über den ganzen Lebenszyklus maximal 5 Prozent mehr kostet als eine Öl- oder Gasheizung, muss bei einer Ersatzbeschaffung eine Wärmepumpe eingesetzt werden. Dafür werden die Pumpen mit 15 bis 20 Prozent subventioniert. Das Programm startet am 1. Juli 2020.
Und: Der Strom für die Wärmepumpe muss in den Neubauten selber hergestellt werden, etwa durch Fotovoltaik. Bei Neubauten sind fossile Heizungen verboten.
Auch auf Gebäuden, die schutzwürdig sind, sollen einfacher als bisher Solarpanels eingerichtet werden. Dass energetische Verbesserungen neu «von öffentlichem Interesse» (also wichtiger als bisher) sein sollen, wird in einer Revision des Planungs- und Baugesetzes angestrebt. Der Denkmalschutz wird also aufgeweicht.
120'000 Ölheizungen ersetzen
Etwa 40 Prozent des CO2-Ausstosses stammt von Häusern mit Öl- und Gasheizungen. Da ist das grösste Potenzial.
Es gibt im Kanton 120'000 Öl- und Gasheizungen. «Diese zu ersetzen, wird die grosse Herausforderung», sagte Neukom. Die fossilen Heizungen sollen grösstenteils durch Wärmepumpen ersetzt werden, die zwar grössere Anschaffungskosten haben, dann aber günstiger im Unterhalt sind und weniger Ressourcen benötigen.
CO2-Ausstoss: «Ziel ist Null»
«Das Ziel ist netto Null Tonnen CO2-Ausstoss», sagte Neukom. Die Zürcher Regierung stehe dahinter.
Medienkonferenz beginnt
Baudirektor Martin Neukom, der seit 1 Jahr und 2 Tagen im Amt ist, möchte etwas fürs Klima machen, kündigt er an. Das sei – hoffentlich im Unterschied zur Corona-Krise – ein langfristiges Thema. Dass sich die Erde erwärmt, weiss man seit weit über 30 Jahren, erklärte er. «Der Klimawandel ist eine Realität.» Diesen Winter etwa gab es in Zürich keinen oder fast keinen Schnee. Der Wandel hat aber noch mehr Auswirkungen, etwa auf den Wasserkreislauf.
Ausgangslage
Das Zürcher Energiegesetz wartet schon lange auf eine Revision. 2017 stimmte das Schweizer Stimmvolk der Energiestrategie 2050 zu, darauf sollten die Kantone mit detaillierten Ausführungen etwa zum Umgang mit Ölheizungen und Subventionen für Wärmepumpen folgen. Viele setzen grosse Hoffnungen in den neuen Zürcher Baudirektor Martin Neukom, von dem erwartet wird, dass er als Grüner einen entsprechenden Pflock einschlägt. Die Frage war, ob er seine Kolleginnen und Kollegen aus dem bürgerlich geprägten Regierungsrat hinter sich zu scharen vermag.
Dass es kantonale Energiegesetze, die weniger CO2-Ausstoss verlangen, schwer haben, zeigte zum Beispiel die Volksabstimmung in Bern Anfang 2019. Das Volk lehnte das neue Berner Energiegesetz ganz knapp ab, obwohl Öl- und Gasheizungen nicht verboten wurden.
Mitte Juni 2018 lehnte auch das Solothurner Stimmvolk eine konkrete Umsetzung der Energiestrategie ab, diesmal sehr klar. Gleichzeitig sagten die Luzernerinnen und Luzerner ganz klar Ja zu einem ähnlichen Energiegesetz.
Zur sog. Energiewende in Deutschland. Bruttostromerzeugung in Deutschland 2018 (Bdew - Statistik von Bundesministerium für Wirtschaft und Energie): - Braunkohle: 22% - Steinkohle: 13% - Erdgas: 13% - Kernkraft: 12% - Sonstige (Heizöl, PSW, u.a.): 5% - Erneuerbare: 35%
(Davon: Wind onshore: 14%, Photovoltaik: 7%, Siedlungsabfälle: 7%, Wind offshore: 3%, Wasser: 3%, Biomasse: 1%). - p.s.: Um Klarheit über die Anteil zu schaffen, in absoluten Zahlen.
Zur sog. Energiewende in Deutschland. Bruttostromerzeugung in Deutschland 2018 (Bdew - Statistik von Bundesministerium für Wirtschaft und Energie): - Braunkohle: 22% - Steinkohle: 13% - Erdgas: 13% - Kernkraft: 12% - Sonstige (Heizöl, PSW, u.a.): 5% - Erneuerbare: 35%
(Davon: Wind onshore: 14%, Photovoltaik: 7%, Siedlungsabfälle: 7%, Wind offshore: 3%, Wasser: 3%, Biomasse: 1%). - p.s.: Um Klarheit über die Anteil zu schaffen, in absoluten Zahlen.