Kontrollfreak Xi Jinping trifft auf Improvisationstalent Trump
Chinas Präsident Xi Jinping schätzt Staatsbesuche nach Drehbuch, sein amerikanischer Gastgeber Donald Trump improvisiert lieber: Das heutige Treffen bietet Zündstoff.

Heute Donnerstag trifft US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal auf Xi Jinping. Auf den Präsidenten jenes Landes, das er im Wahlkampf über Monate beschimpft und attackiert hat wie kein zweites. Weil China angeblich amerikanische Jobs «stiehlt» und «unser Land vergewaltigt». Weil es den USA nicht bei Nordkorea hilft und Land besetzt im Südchinesischen Meer.
Die Welt hat auf diesen Gipfel der zwei weltgrössten Volkswirtschaften gewartet, mit einigem Bangen, Asien sowieso. Nun, da es so weit ist, veröffentlichte die Pekinger «Volkszeitung» – Pauken und Trompeten sonst nicht abgeneigt – eine Nachricht mit dieser Überschrift: «Xi Jinping reist zu einem Staatsbesuch nach Finnland und wird auch die USA für einen Präsidentengipfel besuchen». Lakonischer kann man die Luft kaum lassen aus all den Erwartungen.
Abtasten statt Abwatschen
Eigentlich hätte Xi allen Grund, nervös zu sein. Gerade noch sah es so aus, als hätten sich Trump und seine Mannen China zum neuen Erzfeind erkoren. Zudem wird das Treffen eine Studie zweier unterschiedlicher Persönlichkeiten: hier der disziplinierte Kontrollfreak Xi Jinping, der als Beamter und Politiker vier lange Jahrzehnte durch den Apparat an die Spitze geklettert ist. Ein Mann, dem Stabilität über alles geht und dem Unberechenbarkeit ein Grauen ist.
Und dort der sprunghafte grosse Disruptor, der aus einer Laune heraus mal schnell Gesprächspartner demütigt und kistenweise Porzellan zerschlägt. Wenn Chinas Führer einen Gipfel besuchen, dann normalerweise nur, wenn es zuvor ein detailliertes Drehbuch gibt. Trump aber hält sich an keine Drehbücher.
Und doch wird die chinesische Delegation auch neue Zuversicht im Gepäck haben, wenn sie in Mar-a-Lago eintrifft. Die Gefahr, dass der US-Präsident seinen Gast tatsächlich abwatscht und mit einem Burger von McDonald's abspeist, wie er das im Wahlkampf noch angekündigt hatte, ist gering: Die Signale stehen auf vorsichtiges Abtasten. Man wolle den «Rahmen» für eine künftige Kooperation ausloten, liess das Weisse Haus im Vorfeld verlauten, einen «ersten Schritt hin zu einer konstruktiven und ergebnisorientierten Beziehung». Das klingt ganz anders als noch vor kurzem.
Peking hat Trump bislang schlicht auflaufen lassen.
Stoff für Konflikt gibt es dabei weiter genug. Nordkorea wird bei Trump ganz oben auf der Liste stehen, am liebsten wäre ihm, Peking sorgte für den Kollaps des Regimes – ein Ansinnen, auf das Peking nie eingehen wird. Das Südchinesische Meer, wo China Schritt für Schritt umstrittene Territorien besetzt. Das US-Handelsdefizit mit China, 347 Milliarden Dollar im letzten Jahr. Ein möglicher Handelskrieg ist eine der grössten Sorgen von Chinas Präsident. Xis Traum ist der Wiederaufstieg Chinas zu alter Grösse, aber dazu wird es noch lange auf den US-Markt angewiesen sein.
Besonders in diesem Jahr kann Xi sich keine Erschütterungen leisten: Ende 2017 steht ein wichtiger Parteitag der KP an, die Macht wird neu geordnet. Für Xi wird das eine Art zweite Krönungsmesse – und der Besuch bei Trump soll der Auftakt werden zu einem Jahr, in dem Xi Jinping als Führer erstrahlt.
Pekings neue Zuversicht
Wenn Xi meint, das Risiko des Staatsbesuches eingehen zu können, dann wohl auch deshalb, weil Chinas Führung glaubt, in den letzten Monaten einiges über Trump gelernt zu haben. «Trumps aussenpolitische Doktrin: eine grosse Klappe und ein kleiner Stock», hiess es diese Woche in der «New York Times». In China nennen sie so einen «Papiertiger». Noch ist zwar längst nicht klar, ob Trump am Ende China – und der Welt – nicht doch richtig gefährlich werden kann, aber die letzten Monate haben in Peking doch mehr Zuversicht einkehren lassen.
Chinas nach aussen hin erstaunlich stoische Zurückhaltung im Sperrfeuer der Tweets des US-Präsidenten hat sich offenbar ausgezahlt: Peking hat Trump bislang schlicht auflaufen lassen. Weder sind die von Trump angekündigten Strafzölle bislang gekommen, noch hat er China zum Währungsmanipulator erklärt. Und nachdem Trump zum Entsetzen Pekings ein paar Tage mit Taiwan geflirtet hatte, erklärte seine Regierung mit einem Mal ihr Bekenntnis zur herkömmlichen «Ein-China-Politik», «auf Verlangen von Präsident Xi», wie das Weisse Haus erstaunlich offen erklärte. US-Aussenminister Rex Tillerson plapperte bei seinem Pekingbesuch unlängst gar chinesische Propagandaformeln nach.
Besser als die wildesten Träume
Dass Trump mit Menschenrechten nicht viel am Hut hat, kommt Peking entgegen. Und dass er bei Themen wie Freihandel und Klimaschutz das auf beiden Feldern sündige China im Vergleich mit einem Mal als globales Vorbild dastehen lässt, registrieren sie bei der KP mit Genugtuung. Vor allem aber scheinen sie über Trumps Schwiegersohn Jared Kushner einen effektiven Kanal zum US-Präsidenten gefunden zu haben.
Dass Prinzlinge mitregieren und dass man über die Verwandtschaft das Ohr der Mächtigen erreicht, das muss den KP-Führern merkwürdig vertraut vorkommen. Am meisten aber, meinte der «New Yorker», dürften sich die chinesischen Verhandler über die Unbedarftheit grosser Teile der trumpschen Mannschaft freuen: «Nicht in ihren wildesten Träumen hätten sie sich einen solchen Gegenpart mit Kushners Merkmalen vorstellen können: ein Vertrauter des Präsidenten, überarbeitet und ohne Erfahrung.»
Am meisten bangen wohl Chinas Nachbarn in Asien. Trumps Todesstoss für das transpazifische Freihandelsabkommen TPP hat ohnehin Schockwellen durch die Region gesandt: Für China war es ein Geschenk des Himmels, bei Amerikas Alliierten in der Region hat es die Glaubwürdigkeit der USA schwer erschüttert. Die Furcht ist gross, dass Trump nun für ein paar kurzfristige Zugeständnisse Chinas im Handelsbereich weitere langfristige Interessen der USA und ihrer Alliierten opfern könnte. Beobachter gehen jedenfalls davon aus, dass Peking entsprechende Geschenke an den Gipfelgastgeber im Gepäck hat.
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