Kullernde Tränen, Kameras und Körper
Zum ersten Mal sind die Arbeiten der Amerikanerin Anne Collier in der Schweiz in einer Einzelausstellung zu sehen.

Tränen bedeuten Emotionen. Bedeuten Kontrollverlust. Schwäche und Hilflosigkeit. Gerade weinenden Frauen werden diese Eigenschaften attestiert. Gerettet werden sie – von starken Männern.
Klar sind das Klischees, allerdings solche, die sich in der Gesellschaft bis heute hartnäckig halten. Eine, die mit ihrer Kunst genau diesen Diskurs aufnimmt, kritisiert und umdeutet, ist Anne Collier. Die Amerikanerin beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Bild der weinenden Frau. Dabei arbeitet Collier mit gefundenen Schallplattencovers, Titelseiten, Magazinen, Werbebildern oder Filmstills aus den Siebziger- und Achtzigerjahren.
Voller Details
Die Bilder und die Details davon fotografiert sie ab und druckt sie neu. Mit dieser Praxis und Haltung erinnert Collier an eine Mischung aus Andy Warhol und Cindy Sherman. Letztere war es auch, die Collier inspirierte, sich mit Fotografie zu befassen, wie sie 2018 dem britischen Magazin «i-D» sagte.
Die 48-Jährige interessiert sich wie Sherman für das – oftmals sexualisierte – Frauenbild. Dabei setzt sie sich nicht nur ideologisch, sondern auch praktisch mit der Gebrauchsweise von Fotografie und Kamera auseinander. In ihrem Werkkomplex «Women with Camera» etwa, der neben der Reihe «Woman Crying» im Zentrum ihrer ersten Schweizer Einzelausstellung steht, zeigt sie fotografierende Frauen.

Die Verwendung einer Kamera wurde oft als Zeichen von Unabhängigkeit und Ermächtigung interpretiert. Die Frauen bestimmen, wie sie dargestellt werden, indem sie sich selbst in Spiegeln oder Scheiben fotografierten. Nur: Auch mit einer Kamera in der Hand ist die Frau nicht vom männlichen Blick und einer ideologischen Aufladung geschützt.
Genau das macht Colliers Arbeiten so stark. Sie entlarvt die erotische oder emotionale Konnotation der Frauenkörper und holt (sich) so die Deutungshoheit über das Frauenbild zurück. Will heissen: Es ist nicht mehr der männliche Blick auf die Frau, sondern eben der einer Frau. Gleichzeitig hinterfragen Colliers Fotografien das Frauenbild in der Gesellschaft – etwas, das auch heute noch vonnöten ist.
Fotomuseum Winterthur, Grüzestr. 44 / 45 Vernissage in Anwesenheit von Anne Collier: Fr 18 Uhr Eintritt 10 Franken Di / Do–So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhrwww.fotomuseum.ch
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