TV-Kritik: Ernsthaft, klug und unterhaltsam
Bestsellerautor Richard David Precht wagt, woran viele schon gescheitert sind: Die Versöhnung von Philosophie und TV. Die Premiere seiner Talkshow gestern Nacht jedenfalls ist geglückt.
Ex-«Tagesschau»-Chef Anton Schaller erhoffte sich kürzlich in einem Gastkommentar auf Redaktion Tamedia von Richard David Precht nichts weniger, als dass er einen Dialog etabliere, der sich «zu einer Debatte in der Gesellschaft ausweite». Schaller träumt also den alten Traum vom geistig anspruchsvollen Fernsehen, das der Zivilgesellschaft von Nutzen ist – Precht soll seinen Traum Realität werden lassen.
«Precht» wurde tatsächlich wie erhofft eine Sendung, die ein populäres Thema («Bildungsmisere») mit philosophischem Tiefsinn verband – einem Tiefsinn, der Precht häufig vorschnell abgesprochen wird, weil er lange Haare und einen chronisch offenen Hemdknopf und mit populärwissenschaftlichen Büchern grosse Erfolge hat («Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?»). Peter Sloterdijk verglich ihn mit Schmalz-Geiger André Rieu. Doch Precht ist kein Schwurbler, sondern vielleicht Deutschlands ausdrucksklarster Philosoph, der sich ernsthaft und klug mit gesellschaftlichen Problemstellungen auseinandersetzt.