So wurde aus dem schlanken Oldman der Dickkopf Churchill
Der 59-jährige Gary Oldman hat seinen ersten Oscar erhalten. Auch die Auszeichnung für das beste Make-up ging an denselben Film – und das ist kein Zufall.
Für seinen ersten Oscar ist der britische Schauspieler Gary Oldman wortwörtlich in die Haut seines Charakters geschlüpft. Der eher schlanke 59-Jährige wagte sich an die Rolle des britischen Nationalhelden Winston Churchill und wurde dafür nun mit seinem ersten Oscar belohnt. Nicht zufällig hat der Film «The Darkest Hour» auch den Oscar für das beste Make-up abgeräumt: Denn ein Team um Kazuhiro Tsuji vermochte Oldman mit Silikonmaske und Polsteranzug so glaubhaft in den wuchtigen Staatsmann Churchill zu verwandeln, dass man Oldman fast nicht mehr zu erkennen vermag.
Auch Oldman selbst war zunächst skeptisch, als ihm die Rolle offeriert wurde. «Als sie ‹Winston Churchill› sagten, lachte ich nur», berichtete Oldman der «Daily Mail». Er habe geantwortet: «Wartet mal, schaut mich doch nur an. Ich bin eher Stan Laurel (der Dumme bei Dick und Doof, Anm. d. Red.).» Er hätte die Rolle nicht angenommen, wenn nicht Kazuhiro Tsuji das Make-up gemacht hätte. Der Japaner sei «einer der einzigen auf dem Planeten, die das zustande bringen».
Zunächst musste sich Oldman bis auf die Augenbrauen und Wimpern alle Haare am Kopf abrasieren. Dann wurde sein gesamtes Haupt in einem Studio in Los Angeles mit einer blauen Silikonmischung überzogen, um mehrere Büsten von Oldman zu erstellen.
Als Nächstes machte sich Tsuji daran, aus diesen Büsten Winston Churchill zu formen. Der Japaner brauchte mehrere Oldman-Köpfe, ehe er zufrieden war. «Kazu (Tsuji) versuchte, den perfekten Hybriden von mir und Churchill zu finden, um den Geist und die Illusion Churchills zu erzeugen», so Oldman.
Tsujis Endprodukt war also quasi ein Gesichtsadapter, der Oldman in Churchill verwandelte. Sein Werk wurde dann nach Barcelona geschickt, wo die Silikonpolster hergestellt wurden, die schliesslich auf Oldmans Gesicht geklebt wurden. Insgesamt trägt der Schauspieler bei seiner Rolle fünf solche Polster: am Nacken, am Kinn, auf der Nase und auf beiden Backen. Den Mund, die Stirn und die Augen liess Tsuji bewusst frei, sodass Oldman beim Schauspielern nicht zu stark behindert wurde.
«Über 200 Stunden auf dem Schminkstuhl»
Das Make-up-Team entschied, die Silikonpolster jeden Tag auszuwechseln. Dafür musste Make-up-Chef David Malinowski jeweils um 1.45 Uhr in der Nacht aufstehen, um die erste Lage der Hautfarbe Churchills auf die Polster zu sprayen. Auch Oldman musste früh aufstehen: Jeden Tag wurde zunächst erneut sein Kopf rasiert. Dann arbeiteten Malinowski und die Make-up-Künstlerin Lucy Sibbick an jeweils einer Seite seines Kopfs, um ihm Churchills Gesicht aufzutragen. Unter den Kleidern hatte Oldman zudem einen Polsteranzug an, um die Fülle von Churchill zu erlangen.
«Ich glaube, ich habe die Maske insgesamt etwa 61 Mal getragen – über 200 Stunden auf dem Schminkstuhl», sagte Oldman zu «Vanity Fair». Die ganze Prozedur habe jedes Mal ungefähr vier Stunden gedauert.
Um die Person Churchills zu erfassen, las Oldman zudem Biografien, studierte Filmaufnahmen, besuchte Churchills Zuhause (den Blenheim Palace bei Woodstock) und sprach mit Churchills Familie. «Ich vertiefte mich so richtig. Ich hatte ja nur knapp ein Jahr Zeit, um an der Rolle zu arbeiten. Das ist ein bisschen wie Osmose oder ein Schwamm: Ich sog seinen Geist auf – hoffentlich», so Oldman.
«Gary Oldmans Sternstunde»
Der Aufwand hat sich offenbar gelohnt. Oldman, der seit einigen Monaten in fünfter Ehe mit der Kunstkuratorin Gisele Schmidt verheiratet ist, begeisterte Zuschauer und Kritiker mit seiner Darstellung, die trotz der Maske und des Polsteranzugs authentisch wirkte. «Gary Oldman ist grossartig als Churchill», schrieb die Zeitung «Guardian». Das britische Filmmagazin «Empire» schwärmte: «Churchills dunkelste Stunde ist Gary Oldmans Sternstunde.» Für seine Leistung wurde er auch schon mit dem Golden Globe und dem britischen Filmpreis Bafta ausgezeichnet.
Die Mitglieder der Academy, die in den vergangenen Jahren nicht immer dem Trend der Globes folgten, sahen es in diesem Fall genauso und verliehen Gary Oldman die begehrte Trophäe im zweiten Anlauf. Bereits 2012 hatte er für seine Hauptrolle im Agententhriller «Dame, König, As, Spion» eine Oscar-Nominierung erhalten. Damals ging der Academy Award aber an den Franzosen Jean Dujardin («The Artist»).
«Es war eine bewusste Entscheidung, den Guten zu spielen»
Früher gab Oldman vor der Kamera häufig den Bösewicht. Er spielte den korrupten, drogenabhängigen Polizisten in «Léon – Der Profi» und versuchte als Terrorist in «Airforce One», den US-Präsidenten zu entführen. Lange Zeit war der britische Schauspieler Gary Oldman auf die Rolle des Fieslings festgelegt.
«Es war eine bewusste Entscheidung, den Guten zu spielen», verriet Oldman im vergangenen Jahr der Deutschen Presse-Agentur. «Was für ein Geschenk, die Chance zu haben, diesen Mann zu spielen und die Worte ‹Blut, Tränen und Schweiss› zu sagen.» Für die Interpretation dieser berühmten Churchill-Rede soll es in britischen und amerikanischen Kinos mitunter sogar Ovationen gegeben haben.
«Wir werden uns nie ergeben.»
Oldman spielt dabei auf Churchills erste Rede als Premierminister an, die er am am 13. Mai 1940 vor dem britischen Unterhaus hielt. Er wolle nichts schönreden, sagte Churchill dazumal: Er habe angesichts der Bedrohung durch die Nazis nur Blut, Mühsal, Tränen und Schweiss zu offerieren. Die Archivaufnahme können Sie auf Youtube hören.
Es war die erste von drei berühmten Reden während der Schlacht um Frankreich, die den trotzigen Widerstand der Briten verkörpern, während fast ganz Westeuropa vor den Nazis einknickte und die USA noch nicht in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren. Die wohl feurigste Bekundung seiner kompromisslosen Unnachgiebigkeit lieferte Churchill dann in seiner zweiten Rede, am 4. Juni 1940: «Wir werden in Frankreich kämpfen, wir werden auf den Meeren und Ozeanen kämpfen. Wir werden mit wachsender Zuversicht und wachsender Stärke in der Luft kämpfen. Wir werden unsere Insel verteidigen, was immer es kosten mag. Wir werden an den Stränden kämpfen, wir werden an den Landungsplätzen kämpfen, wir werden auf den Feldern und auf den Strassen kämpfen, wir werden in den Hügeln kämpfen. Wir werden uns nie ergeben.»
(Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.)
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