Klassiker der Woche: Onegin vs. Onegin
Tschaikowskys Antiheld ist ein höchst wandlungsfähiger Unsympath: Dmitri Hvorostovsky und Peter Mattei im Hörvergleich.
Er ist ja ein ziemlich unangenehmer Typ, dieser Jewgeni Onegin. Alexander Puschkin hat ihn sich einst ausgedacht, Piotr Iljitsch Tschaikowsky hat ihn 1879 auf die Opernbühne befördert; seither haben sich unzählige Sänger abgemüht damit, diesen Charakter einigermassen plausibel zu verkörpern. Was ist das für einer, der im ersten Akt die verliebte Tatjana eiskalt auflaufen lässt, der im zweiten seinen Freund Lenski erst provoziert und dann im Duell tötet – und der dann im Jahre danach angesiedelten Finale komplett den Kopf verliert, weil er schliesslich doch noch seine Liebe zur inzwischen verheirateten Tatjana entdeckt?
Die schlüssigsten Antworten auf diese Frage haben in den letzten Jahren zwei denkbar unterschiedliche Baritone geliefert: Einmal der gestern verstorbene Russe Dmitri Hrovostovsky; und dann der Schwede Peter Mattei, der die Rolle kürzlich auch am Zürcher Opernhaus verkörpert hat.
Komplizierter Charakter
Im obigen Video singen die beiden das Arioso «Uzhel' ta samaya Tatyana?» aus dem dritten Akt. Onegin befindet sich in diesem Moment auf einem Fest bei jenem Fürsten, den Tatjana geheiratet hat – und wird wie vom Blitz getroffen, als er sie sieht.
Bei Hvorostovsky ist das Resultat ein mächtiges Gedonner. Wuchtig singt er, intensiv, ungemein russisch, testosterongeladen – als Onegin, der gewohnt ist, zu bekommen, was er will. Das irre Lachen nach dem letzten Ton bestätigt das; dieser Mann kann nicht fassen, wie ihm geschieht. Er weiss, dass er keine Chance mehr hat bei Tatjana. Aber die will er packen.
Peter Mattei reagiert da ganz anders. Schon, weil er eine andere Stimme hat: eine hellere, leichtere, nuanciertere. Singt er den Onegin, hört man keine Urgewalt, sondern einen überaus komplizierten Charakter; keinen Rüpel, sondern einen Getriebenen, der für sich selbst ebenso schwer auszuhalten ist wie für die anderen. Ein Charismatiker ist auch er, vokal und darstellerisch (wie sehr, zeigt auch der Opernhaus-Trailer – mit dem zweiten Teil des Arioso ab 1'51"). Aber einer, der nicht an reinigende Gewitter glaubt.
Kollegen statt Konkurrenten
Wer von den beiden ist nun der Onegin? Die Opernwelt ist gespalten, diskutiert aber seit Jahren einigermassen entflammt. Hvorostovsky und Mattei selbst haben sich nie in eine Konkurrenz hineinziehen lassen; keiner hat sich je über den anderen geäussert. Und als Hvorostovsky im vergangenen Frühling seine Onegin-Auftritte an der New Yorker Met absagen musste, weil er schon zu krank war, ist Mattei eingesprungen. Nicht als zweite Wahl, sondern als andere erste Wahl.
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