Klassiker der Woche: Unerwarteter Preisträger
Der Dirigent und Pianist Christoph Eschenbach erhält den Siemens-Musikpreis, der als Nobelpreis der Klassik gilt. Warum nur?
Dass einmal mehr ein älterer deutscher Herr den Siemens-Musikpreis bekommt: Damit hat man rechnen können; die Jungen, die Frauen, die Nicht-Mitteleuropäer sind nicht auf dem Radar der Münchner Siemens Musikstiftung. Aber dass dieser Herr Christoph Eschenbach heisst, ist dennoch überraschend. Der 75-Jährige hat zwar als Dirigent illustre Klangkörper geleitet, aber wenig bleibende Eindrücke hinterlassen; und auch als Pianist ist er eher solid als aufregend (womit sich einmal mehr die Frage stellt: Wann kommt eigentlich Martha Argerich an die Reihe?).
Ein Zufall ist das nicht. Die Musik war einst sozusagen lebenswichtig für Eschenbach, der 1940 im heute zu Polen gehörigen Breslau/Wroclaw geboren wurde. Seine Mutter starb bei der Geburt, sein Vater wenige Jahre später; er kam in ein Waisenhaus nach Mecklenburg, wo er an Typhus erkrankte. Schliesslich adoptierte ihn eine Cousine der Mutter, die Sängerin und Pianistin war und dem Buben nach einjährigem Schweigen ein «Ja» entlockte mit der Frage, ob er denn Musik machen möchte.