Können Sänger mit ihrer Stimme ein Glas zum Zerspringen bringen?
In dieser Rubrik beantworten unsere Redaktorinnen und Redaktoren die am häufigsten gegoogelten Fragen.

Ja, sie können – das ist belegt seit dem 18. Mai 2005. Damals brachte der amerikanische Stimmcoach Jaime Vendera in der Sendung «Mythbusters» auf dem Discovery Channel mit seiner Stimme ein Weinglas zum Zerspringen. Er war der Erste, dem das vor laufender Kamera gelang, wenn auch erst beim 20. Versuch. Und er macht weiter: Auf Youtube ist jedenfalls dokumentiert, wie er sein 85. Glas schafft.
Gerüchte darüber, dass so etwas möglich sein soll, gab es aber schon früher. Dem Tenor Enrico Caruso etwa wurden Glas zersprengende Stimmkräfte zugesprochen, wobei seine Frau Dorothy das immer bestritten hat; auch im Hause Caruso dürften die Gläser ganz banal wegen irgendwelcher Ungeschicklichkeiten zu Bruch gegangen sein. Der Erfolg von Ella Fitzgerald in einer Memorex-Werbung von 1972 zählt ebenfalls nicht: Ihre Stimme war verstärkt, und die Lautstärke ist eines der entscheidenden Kriterien beim Gläserzersingen. Im gepflegten Mezzopiano wird es nie klappen, in einem normalen Fortissimo auch nicht.
Das zweite Kriterium ist die Frequenz. Nicht hohe Töne sind es, die ein Glas erledigen, sondern jene, die der Eigenfrequenz des Glases entsprechen. So wie eine Menschenmenge im Gleichschritt eine Brücke in Schwingung versetzen kann, können Schallwellen ein Glaszum Vibrieren bringen – wenn sie exakt jene Tonhöhe treffen, die man hört, wenn man ans Glas schlägt.
Es braucht eine gute Puste
Mechanisch lässt sich das leicht realisieren, darum ist das Experiment im Physikunterricht beliebt. Da wird ein Sinuston auf die gefragte Frequenz eingestellt und dann so lange aufgedreht, bis das Glas kapituliert. Auch die Dauer des Tons – Kriterium Nummer drei – ist hier kein Problem; die Maschine tönt halt, bis es Scherben gibt. Ein Mensch muss dagegen schon eine ziemlich gute Puste haben, damit er oder sie lange genug durchhält. Selbst der lauteste Kiekser auf der richtigen Frequenz bringt kein Glas zu Bruch.

Es ist übrigens kein Zufall, dass der Gläserzersinger Jaime Vendera in seiner Jugend in einer Rockband sang: Kräftige, direkte Stimmen haben bessere Chancen, ein Glas zu bezwingen, als hoch kultivierte; selbst Laien kommen unter Umständen weiter als Opernsängerinnen und -sänger. Diese haben zwar einen Vorteil in Sachen Lautstärke, weil sie ohne Verstärkung ein Haus füllen können. Aber sie haben ein breiteres Frequenzspektrum in ihren Tönen; neben der Glasfrequenz schwingt da immer noch anderes mit. Auf der Bühne macht das ihre Qualität aus, die Farbe ihres Timbres. Scherbeln dagegen, für einmal im wörtlichen Sinn verstanden: Das können andere besser.
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