«Das Glück schlägt bei mir nicht so hoch aus»
Kuno Lauener hat Mühe damit, ein politisches Lied zu schreiben. Die meisten Lieder auf dem neuen Züri-West-Album «Love» handeln vom langsamen Verrutschen der Gefühle.

Kuno Lauener hat es sich auf einem Designerstuhl im Penthouse des Hotels Allegro bequem gemacht. Er wirkt fit, fast schon drahtig. Die kleinen Fältchen im 56-jährigen Gesicht untermalen eher seine Liebenswürdigkeit als eine potenziell aufkommende Altersgram. Und schnell wird klar, dass er dieses neue Album «Love» mit weit mehr Selbstvertrauen promotet als vergangene Werke der Band.
Eingefleischte Kuno-Textdeuter werden sich Sorgen um Sie machen. Die meisten Lieder auf «Love» drehen sich um Trennung und Abschied. Wie ist das Befinden?
Keine Sorge. Es geht mir gut, und ich führe eine prima Beziehung, mit allen üblichen Ups und Downs. Die Songs sind aus anderen Zusammenhängen heraus entstanden.
Also alles bloss Phantomleid?
Es ist wie fast immer bei Züri West: Da werden Secondhand-Geschichten mit Firsthand-Erfahrungen gewürzt. Natürlich ist es so, dass auch mich Themen wie Liebe und Verlustängste umtreiben. Und wenn man Vater zweier Kinder ist, steht hinter allem noch ein zusätzliches Ausrufezeichen. Die Massierung zwischenmenschlicher Themen war mir lange gar nicht bewusst. Als wir am Schluss des Prozesses die Albumreihenfolge bestimmten, musste ich kurz schlucken. Meine Freundin auch. Doch wie gesagt: Es geht uns gut.
Gehören Sie zu dem Menschenschlag, dem ein Übermass an Glück suspekt ist?
Das Glück schlägt bei mir nicht so hoch aus. Ich habe das Talent, dass wenn keine Probleme da sind, ich innert kürzester Zeit ein grösseres schaffen kann.
Ketzer würden festhalten, dass die Welt aus den Fugen ist – aber Züri West singen über Quitten und Haustiere.
Das ist doch wunderbar (lacht) . Nun, ich habe den Weg einfach nicht gefunden, einen politischen Song zu schreiben. Das können andere besser. Es ist ja nicht so, dass ich die Welt um mich herum nicht mehr wahrnehmen würde. Ich glaube einfach, in einem Popsong lässt sich das momentane Geschehen nicht eindampfen. So wie dies auch in einem Tweet nie gelingen wird.
Ist dies der oft beschriebene Rückzug in den Mikrokosmos des Privaten angesichts einer immer unverständlicher werdenden Welt?
Ich habe schlicht keine Idee, wie die Welt durch mich weniger kompliziert werden könnte. Ich bin ebenso wenig ein Welterklärer wie die, die auf Facebook ein Ordnungssystem schaffen, das auf erhobenen und gesenkten Däumchen beruht. Diese Form der Anteilnahme geht mir auf die Nerven. Ich habe als Song-Schreiber versucht, Stimmungen und Szenarien zu kreieren, die bestenfalls auf einer anderen Ebene etwas über den Menschen verraten. Wenn zwei nebeneinander auf dem Sofa sitzen und sich nichts mehr zu sagen haben, dann erklärt das zwar nur eine kleine Welt, aber vielleicht sagt auch das etwas über unser Zusammensein aus.
In den 80er-Jahren sind Züri West überall aufgetreten, wo kulturelle Freiräume erkämpft wurden, zuweilen erhob man auch den Stinkefinger gegen die Obrigkeiten. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie den momentanen Wirbel um die Reitschule beobachten?
Für mich war die Reitschule eine gute Schule fürs Leben. Sie hat mich gelehrt, etwas zu bewirken und dabei Spass zu haben. Und das ist die Reitschule auch heute noch: ein gutes Modell für Junge, die sich zu finden versuchen. Sie macht Bern zu einer besseren Stadt, weil sie näher am Leben ist als jeder andere Kulturbetrieb. Deshalb nervt es mich, wenn sie immer wieder wegen einiger Teilzeit-Systemverweigerer aus gutem Hause in die Negativschlagzeilen gerät und zum politischen Spielball verkommt.
Worüber können Sie sich noch so schön aufregen?
Dass es in Bern bald nur noch Handys und Sneakers zu kaufen gibt, und natürlich regt mich auch der Trump auf. Wenn der Populismus wirklich so geil sein soll, sollen die jetzt zeigen, was sie draufhaben. Bis jetzt habe ich allerdings überhaupt kein gutes Gefühl dabei.
«Love» gehört musikalisch nicht zu den draufgängerischsten Alben Ihrer Band. Was steckt hinter dieser musikalischen Askese? Der Wille zum zeitlosen Lied?
Der Song war der Chef. Mir stand der Sinn nicht nach musikalischen Manierismen, und wir wollten die Lieder so gestalten, dass wir damit auf die Bühne können, ohne noch zwanzig Gastmusiker einladen zu müssen. Natürlich haben wir jeweils verschiedene Sounds und alternative Songstrukturen ausprobiert, doch letztlich sind wir immer wieder auf die ungekünstelten Ursprungsversionen zurückgekommen.
Liegt hinter der Einfachheit mehr Beschwernis, als man denkt? Die Aufnahmen sollen sich in die Länge gezogen haben, und seit dem letzten Album sind fünf Jahre vergangen.
Es gibt mehrere Gründe dafür. Ich bin spät Vater geworden und gebe zu, dass in den ersten zwei Jahren die Musik nicht die grösste Priorität hatte. Zudem gabs die beiden Wechsel in der Band, es gab da einige Abtastrunden. Und zuweilen war es gar nicht so einfach, Termine zu finden: Die Situation in der Musikbranche hat zur Folge, dass all meine Mitmusiker Jobs und andere Engagements annehmen mussten.
Sie haben es gesagt: Es gibt zwei neue Gesichter bei Züri West. Der Gitarrist Manuel Häfliger ersetzt Tom Etter, und Wolfgang Zwiauer bedient neu den Bass. Was haben die beiden musikalisch eingebracht?
Wolfgang ist ein äusserst eleganter Bassist, und Mänu bringt eine Klangkultur in die Band ein, die noch kein anderer Züri-West-Gitarrist zuvor hatte. Und er kann wunderbare Soli spielen.
Ihr neuer Gitarrist Manuel Häfliger kommt aus der Werbebranche. Was sagt denn er zur doch eher zurückhaltenden Öffentlichkeitsarbeit von Züri West?
Er hat sich schon oft am Kopf gekratzt. Mir sind die Methoden, mittels neuer Medien Werbung für die Band zu machen, irgendwie zuwider. Ich falle nicht gern mit der Tür ins Haus. Wir sind uns bewusst, dass wir da künftig Kompromisse werden eingehen müssen. Doch ich bin froh, dass ich mich privat da raushalten kann. Ich mag diese Hektik nicht. Und ich wäre einer, der all die Kommentare viel zu ernst nehmen würde.
Weil Sie nicht auf Spotify und anderen Streamingdiensten sind, haben Sie quasi die Jugend aufgegeben. Und für einen Teenager sind Öffentlichkeitspausen von fünf Jahren ein halbes Leben. Haben Sie keine Nachwuchssorgen?
Natürlich haben wir die. Und natürlich sind alle Streaminganbieter bei uns am Pickeln. Ich bin frustriert, was die Entwicklung in der Branche angeht, wo man nur noch vor die Wahl zwischen Blödsinn und Quatsch gestellt ist. Natürlich ist es mässig geil, auf Spotify nicht vertreten zu sein, andererseits bezweifle ich, ob die Musik an Wert gewinnt, wenn alles überall halb gratis zur Verfügung steht und jeder Song mit Bildchen verziert werden muss.
Sie haben Ihre beiden Vorab-Singles mit einem einzigen Pauschalvideo unterlegt. Ein Statement?
Klar. Ich finde, Musik hat mehr Wirkung, wenn man sie mit geschlossenen Augen auf Kopfhörern hört als von Bildern abgelenkt über miserable Compi-Lautsprecher. Ich bin halt ein unverbesserlicher Nostalgiker.
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