Ora Funky CatKuriose Katze
Nicht alle Details überzeugen, doch das Gesamtpaket stimmt: Mit dem Kompakt-Stromer Ora Funky Cat könnte es dem chinesischen Konzern Great Wall Motor gelingen, in Europa Fuss zu fassen.

Die freundlichen Kulleraugen und fröhlichen Rundungen erinnern an den VW Beetle, das leicht abfallende Heck mit dem kleinen Dachkantenbürzel scheint vom ersten Nissan Leaf inspiriert. Durchaus eigenständig ist wiederum die Platzierung der Rück- und Bremsleuchten am unteren Rand der Heckscheibe – eine pfiffige Lösung, die zum Erkennungsmerkmal des Neulings werden dürfte. Sein Name? Funky Cat, was so viel wie «flippige Katze» bedeutet. Oder, fast passender noch, «kuriose Katze». Denn das Design ist nicht das Einzige, womit der Kompaktwagen ein wenig ratlos stimmt: Der Funky Cat ist ein Modell des Elektroautobauers Ora, und die Behauptung, die Marke mit dem eiförmigen Logo sei in Europa noch wenig bekannt, eine Untertreibung.
Unterschätzen sollte man sie deswegen aber nicht. Ora gehört zum chinesischen Konzern Great Wall Motor. Der sitzt in der Stadt Boading, die mit 9,2 Millionen mehr Einwohner als die gesamte Schweiz zählt, verkauft jährlich gut 1,3 Millionen Autos und wagt den Sprung nach Europa mithilfe von Emil Frey, seines Zeichens nicht nur der zweitgrösste Autoimporteur der Schweiz, sondern der grösste Autohändler des Kontinents. Und der Ora Funky Cat soll erst der Anfang sein.
Umfangreiche Ausstattung
Bei der ersten Begegnung mit dem 4,23 Meter langen Fünftürer überrascht neben dem luftigen Raumgefühl vor allem die wertige Anmutung des Innenlebens. Die Schalterleiste unter den Luftdüsen ist beispielsweise hübsch verchromt und die Instrumententafel schon in der Grundausstattung mit gestepptem Kunstleder bespannt. Hinzu kommen ein breiter Doppelmonitor mit guter Auflösung und zwei serienmässige Extras, die in der Fahrzeugklasse keine Selbstverständlichkeit sind: eine 360-Grad-Kamera sowie ein schlüsselloses Zugangssystem.
Unser Testfahrzeug hat den stärkeren Akku an Bord, der mit 63,1 kWh um 15,3 kWh grösser ausfällt als jener der Basisversion und 420 statt 310 Kilometer Reichweite verspricht. Im Stadtgewirr erfreut der Stromer mit seiner direkten Lenkung und hohen Agilität, ausserorts stellt er eine gute Strassenlage und bissfeste Bremsen unter Beweis. Doch das grösste Aha-Erlebnis bringt ein beherzter Tritt aufs rechte Fusspedal: Leise schnurrend, aber raubkatzenmässig energisch setzt der Funky Cat zum Überholen bummelnder Touri-Mietwagen an. Zugegeben, die spontane Leistungsabgabe ist eine Spezialität fast aller E-Autos, war beim so harmlos dreinblickenden Ora aber nicht unbedingt zu erwarten. Zumal er mit seinen 126 kW, 250 Nm Drehmoment, Frontantrieb und über 1,6 Tonnen Leergewicht nicht gerade sportwagenverdächtig erscheint.
Aber auch das entspannte Cruisen beherrscht der elektrische Chinese gut und gibt dabei die Gelegenheit, weitere Features zu entdecken. So etwa die mit einem selbst gewählten Namen aktivierbare Sprachbedienung, über die sich neben der nächstgelegenen Ladestation auch das lokale Kinoprogramm oder die aktuelle Wassertemperatur des Mittelmeers erfahren lässt. Irritierend ist dagegen der kleine Kasten links am Holm der Fensterscheibe. Darin versteckt ist eine Kamera, die das Gesicht des Fahrers ins Visier nimmt, um Müdigkeit und Ablenkung zu erkennen. An und für sich eine gute Sache, die wie der Rest der umfangreichen Sicherheitsausstattung vom Abstandstempomaten über die Fernlichtautomatik bis hin zum Bremsassistenten selbst beim Rückwärtsfahren Vertrauen schaffen soll. Bei jeder zufälligen Berührung der Mittellinie von einer strengen Stimme über die Lautsprecher zu mehr Konzentration ermahnt zu werden, ist jedoch mehr als gewöhnungsbedürftig.
Erst ab 2024 auch in der Schweiz
Und wo wir schon bei den Kritikpunkten sind: Mit 228 Litern fällt der Stauraum hinter den Rücksitzen um fast 160 Liter geringer aus als beim nahezu gleich langen VW ID.3, und das Gesamtgewicht der Passagiere plus Gepäck darf nicht über 335 Kilo betragen, 100 Kilo weniger als beim deutschen Konkurrenten. Wer darüber hinwegsehen kann – Argumente dafür liefert der umfangreich ausgestattete Funky Cat allemal –, erhält trotzdem einen Dämpfer: Noch ist das Fahrzeug ausschliesslich in Deutschland bestellbar, wobei die Basisversion ab 38’990 und das Modell mit der stärkeren Batterie ab 43’490 Euro kostet. Ob und wann die Lancierung in weiteren europäischen Märkten folgt, sei vom Entscheid des Herstellers und von dessen Produktionskapazitäten abhängig, heisst es aus der Unternehmenskommunikation der Emil Frey AG, die Schweiz gehöre potenziell aber dazu. Doch der Vertrieb der Marke Ora in Deutschland solle zuerst ein paar «Erfahrungswerte für kommende Schritte» liefern.
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