Film-Highlights der Woche«La nuit du 12» ist ein packender Krimi um einen ungelösten Mord
Ebenfalls im Kino: Neues Filmschaffen aus Kosovo, Frauen im iranischen Kino und das Porträt eines Zürcher Sozialhelfers, bei dem Krebs diagnostiziert wurde.

La nuit du 12
Krimi von Dominik Moll, F/B 2022, 115 Min.
Etwa 20 Prozent der Mordfälle in Frankreich bleiben ungelöst, heisst es am Anfang von «La nuit du 12». Regisseur Dominik Moll («Seules les bêtes») hat nun einen davon verfilmt, er stiess dank eines Sachbuchs darauf: Für «18.3. – Une année à la PJ» begleitete die Autorin Pauline Guéna die Polizei von Versailles bei der Arbeit und hielt unter anderem fest, wie der Brandanschlag auf eine junge Frau die Ermittler beschäftigte.
Für den Film hat Moll die Geschichte etwas umgedichtet, und so spielt sie nicht mehr in Versailles, sondern in Grenoble und Umgebung. Clara (Lula Cotton-Frapier) verlässt spätnachts eine Party. Ein Fremder überschüttet sie mit Brennsprit und zündet sie an, sie stirbt. Die Kripo übernimmt den Fall unter der Führung von Kommissar Yohan Vivès (Bastien Bouillon).
Auch wenn von Anfang an klar ist, dass der Täter nie gefunden werden wird, ist das ein packender Krimi geworden. Moll, der selbst in einer Polizeiwache recherchierte, schildert die Ermittlungsarbeiten alltagsnah, bis hin zu den ständigen Druckerpannen.
Moll zeigt, was es mit den Polizisten macht, wenn über Jahre hinweg jede Spur in eine Sackgasse führt. Und er fragt danach, wie es sich auf die Ermittlungsarbeit auswirkt, wenn eine fast ausschliesslich männliche Truppe den Mord an einer Frau untersucht.
An den letzten Césars, den französischen Oscars, gewann «La nuit du 12» sechs Auszeichnungen, unter anderem für die beste Regie und den besten Film. (ggs)
Ab Do 18.5. im Kino
So 14.5., 21 Uhr, Riffraff, Vorpremiere
Röbi geht
Dokumentarfilm von Heidi Schmid und Christian Labhart, CH 2023, 90 Min.
«Du bist in mir zu Hause, in meinem Lungenflügel, du wächst und frisst von mir.» So spricht Röbi in einem Gedicht mit seinem Krebs. Oder mit seinem «Krebsli», wie er ihn nennt.
«Röbi geht» ist eine Doku über die letzten Monate von Robert Widmer-Demuth, der lange in Zürich gewirkt hat: In den Siebzigern fing er beim Hilfswerk von Pfarrer Sieber an, mehr als 30 Jahre lang leitete er den Suneboge, die Wohn- und Arbeitsgemeinschaft für Obdachlose beim Schanzengraben.
Als die Krebsdiagnose kommt, ist Widmer-Demuth längst pensioniert und lebt mit seiner Frau in Wetzikon. Chemo und Bestrahlung lehnt er ab, lieber verbringt er die verbleibende Zeit mit den Liebsten. Er erzählt den Enkelkindern Geschichten, führt Gespräche mit Freundinnen und Wegbegleitern, macht Spaziergänge mit seinem schwarzen Pudel. Wir sehen alte Super-8-Aufnahmen und hören eben Zeilen aus seinen Gedichten. Der Film ist denkbar einfach gehalten und auch deshalb berührend, aber nie rührselig. (ggs)
Arthouse Le Paris
Das Lehrerzimmer
Drama von İlker Çatak, D 2023, 98 Min.
An einer deutschen Schule wird geklaut. Immer wieder kommen Geldbeträge abhanden. Es herrscht ein Klima gegenseitigen Misstrauens. Carla Nowak (Leonie Benesch), eine junge Lehrerin für Mathe und Sport, noch neu im Kollegium, meint es nur gut, als sie den Dieb auf eigene Faust fassen will. Sie tritt damit jedoch eine Kette von Ereignissen los, die sich nicht mehr kontrollieren lassen.
Der neue Film von Regisseur İlker Çatak («Es gilt das gesprochene Wort») ist ein packendes Psychodrama über falsche Verdächtigungen und die Grenzen von Idealismus. «Das Lehrerzimmer» ist in sieben Kategorien des Deutschen Filmpreises nominiert. (SZ)
Arthouse Le Paris, Arthouse Piccadilly, Riffraff
Kino Kosova
Dieses Filmfestival geht in die dritte Ausgabe, zu sehen sind wie immer Werke aus Kosovo und der Diaspora. Ein Highlight ist die Doku «As I Was Looking Above, I Could See Myself Underneath»: Hinter dem langen Titel stecken fünf kurze Porträts von LGBTQ+-Personen. Regisseur Ilir Hasanaj legt eine wunderschöne poetische Alltagsbetrachtung vor. Als Rahmenprogramm zum Festival gibt es am Samstag im Helsinki ein Konzert mit anschliessender Party. (ggs)
Do 11. bis So 14.5., Riffraff, kinokosova.com
«As I Was Looking Above»: 13. Mai, 19 Uhr
Poker Face
Krimikomödien-Serie von Rian Johnson, USA 2023, 10 Folgen
Zerstrubbelt, rauchend und saufend mäandert Charlie Cale (Natasha Lyonne) durch ihr Leben in Las Vegas. An den Pokertischen war sie früher mal reich geworden, dabei half ihr ein Talent: Charlie erkennt Lügen, immer. Sie hat da einfach so ein Gefühl, lächelt dann und legt den Kopf schief, sagt: «Bullshit!»
Keine könnte besser zu dieser Rolle passen als Natasha Lyonne mit ihrer völlig verkratzten Raucherstimme. Ein schmieriger Casinobesitzer (Adrien Brody) überzeugt Charlie, ihr Talent noch einmal beim Pokerspiel einzusetzen. Und dann kommt natürlich ein Mord dazwischen.
Die Serie wurde von Autor und Regisseur Rian Johnson («Glass Onion: A Knives Out Mystery») erdacht, und in «Poker Face» gelingt ihm derselbe clevere Ton wie in seinen Filmen, obwohl er seine Erfolgsprinzipien völlig umdreht: Die Figuren der Serie warten nicht glamourös in einer Villa auf ihren Tod, einen herkömmlichen Kommissar gibt es auch nicht.
Charlie begibt sich nach der ersten Folge auf die Flucht. Wo immer sie landet, sterben Menschen, meistens sieht es nach einem Unfall aus, immer überführt Charlie mit wenigen gezielten Fragen und ein paarmal «Bullshit!» einen Mörder. (SZ)
Auf Sky Show
Iranische Regisseurinnen

Angesichts der feministischen Proteste im Iran widmet sich das Filmpodium den Regisseurinnen des Landes. Da laufen etwa zwei Filme von Mahnaz Afzali als Double-Feature: «The Ladies Room» (2003) ist eine Doku über die Gespräche von Frauen in einer Damentoilette. Und «The Red Card» (2006) rollt einen unfairen Prozess auf: Shahla Jahed wird zum Tod verurteilt, nachdem die Ehefrau ihres Geliebten ermordet wurde.
Am Fr 2.6. gibt es im Anschluss an das Doppelprogramm eine Podiumsdiskussion über Afzalis Werk und die Selbstermächtigung der iranischen Frauen in der Öffentlichkeit. Im Rahmen der Filmreihe wird auch das 9. Iranian Film Festival stattfinden. (ggs)
Di 16.5. bis Fr 30.6., Filmpodium
Flik
Das Open-Air-Kino auf dem Campus Hönggerberg feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag. Zu sehen sind drei Filme an drei Abenden, darunter das schräge Science-Fiction-Abenteuer «Everything Everywhere All at Once», der grosse Gewinner der vergangenen Oscarverleihung. Auf dem Hönggerberg gibt es Barbetrieb und Grill und vor jeder Vorführung ein Unterhaltungsprogramm. (ggs)
Mi 24.5. bis Fr 26.5., ETH Hönggerberg
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