Lass das mal die Software machen
Dank künstlicher Intelligenz entwickelt das Bildbearbeitungsprogramm ein Verständnis für Motive. Das erweitert die Grenzen des Machbaren enorm.
Künstliche Intelligenz ist der Megatrend dieser Tage: Ob Chatbot, digitaler Kundenbetreuer oder der Roboter als Börsenanleger – kaum ein Unternehmen, das sich nicht überlegt, wie kluge Algorithmen eingesetzt werden könnten. Adobe macht keine Ausnahme: Das siebtgrösste Softwareunternehmen verspricht ungeahnte neue Möglichkeiten für Bildbearbeitung, Layout, Video- und Audioschnitt und Webdesign.
Welche das sind, hat Adobe letzte Woche in Las Vegas an der Max-Konferenz vor 12'000 Besuchern vorgeführt. Zum Beispiel die Korrekturfunktion «Deep Fill»: Sie ist dazu da, fehlende Bildteile zu ergänzen und störende Elemente wegzurechnen. Bei einem Porträt entfernt sie ein unvorteilhaftes Pflaster von der Nasenwurzel. Nach dem Auswählen des Pflasters und Drücken einer Taste werden Nase und Augenbrauen perfekt im Hautton vervollständigt.
Verständnis fürs Motiv
Der Clou bei «Deep Fill» ist ein Verständnis fürs Motiv, das die Software durch maschinelles Lernen erwirbt. Bei diesem Verfahren trainiert die Software, um die Gemeinsamkeiten ähnlicher Bilder zu erkennen. Bislang hat das vor allem die Verwaltung von grossen Fotomengen erleichtert. Die Bild- und Gesichtserkennung versieht Aufnahmen automatisch mit Schlagworten und dem Namen der abgebildeten Personen. Dafür entwickelt die Software jüngst auch ein Verständnis für «räumliche Beziehungen», wie Adobe das nennt. Sie versteht auch Bildersuche nach «einer Frau, die links neben einem Hund steht», und stöbert in Bilddatenbanken alle passenden Aufnahmen auf.
Bei der Bildbearbeitung erledigt ein Algorithmus mit einem Motivverständnis aufwendige Retuschearbeiten im Alleingang. «Deep Fill» modifiziert fotografische Objekte auch anhand von Skizzen. Das Beispiel an der Max-Konferenz war das Bild eines Felsenbogens: Eine kleine Kritzelei am Bogen bringt die Software dazu, die gekrümmte Gesteinsformation absolut fotorealistisch in eine herzförmige zu verwandeln.
KI für perfekte Selfies
Künstliche Intelligenz wird bald auch Alltagsbilder aufhübschen. Das demonstriert die Photoshop-Fix-App, in einer bisher unveröffentlichten Version: Sie verschönert bei Selfies nicht nur automatisch die Gesichtsproportionen, sondern optimiert nachträglich sogar den Aufnahmewinkel. Das Gesicht wird virtuell geneigt, um ein Doppelkinn zu verdecken. Und die «Stilübertragung» transferiert die Bildgestaltung eines anderen Porträts auf das eigene Selfie.
Joely Tafanalo ist Digital Designer aus Luzern, der auch Schulungen zu den Adobe-Produkten abhält. Er war dieses Jahr zum vierten Mal an der Max-Konferenz und zeigt sich beeindruckt über die Sensei-Plattform. Das ist Adobes Technologie für die künstliche Intelligenz, die inzwischen in allen Produkten verankert ist. Ein Jahr nach der ersten öffentlichen Vorstellung sei das Konzept nun greifbar geworden: Sensei funktioniert dank der enormen Datenmengen, die Adobe mit der eigenen Cloudlösung Creative Cloud sammelt. «Big Data trifft erstmals auf die kreative Community. Da dabei Bilder, Farben, Formen intelligent durchforscht werden und keine sensiblen persönlichen Daten, dürften die Vorteile klar überwiegen», sagt Tafanalo.
Landschaften neu zusammenbauen
«Scene Stitch» ist eine weitere Idee, wie die Bildbearbeitung der Zukunft aussehen könnte. Diese Funktion ist in der Lage, mehrere Aufnahmen nahtlos zu verschmelzen. Das Beispiel an der Max-Konferenz war eine Landschaftsaufnahme, bei der ein idyllischer Flusslauf durch eine Strasse verschandelt wird. «Scene Stitch» sucht automatisch in rund hundert Millionen Fotos nach Elementen, mit der sich der unerwünschte Bildteil kaschieren lässt.
Farbe und Perspektive werden automatisch angepasst und die Versatzstücke nahtlos ineinander geführt. Die Illusion ist nicht immer, aber in vielen Fällen annähernd perfekt. Der Bildbearbeiter braucht aus einem Dutzend Vorschlägen nur jenen auszuwählen, der ihm am überzeugendsten erscheint.
Der kluge Algorithmus präsentiert unter Umständen eine recht grosse Bandbreite an Varianten. Beim Retuschieren einer Rasenfläche aus einem Park schlägt er nicht nur einen See, sondern auch Tennisplätze, einen Sumpf, eine Flusslandschaft und ein unebenes Feld vor: «Wir füllen nicht nur die Löcher im Bild. Wir erlauben es den Nutzern, das Bild komplett umzugestalten», erklärt Softwareforscher Brian Price bei der Vorstellung der neuen Funktion.
«Viele werden arbeitslos»
Die eindrücklichen Beispiele veranlassten den Moderator an der Konferenz zur Bemerkung, die Funktion würde «sehr viele Leute arbeitslos machen». Brian Price beeilte sich mit dem Einwand, man hoffe, man werde ihnen helfen, ihre Arbeit schneller zu erledigen. Denn natürlich will Adobe bei den eigenen Kunden den Eindruck vermeiden, sie seien schon bald überflüssig.
Doch natürlich bringt die künstliche Intelligenz auch einen grossen Rationalisierungsdruck. Fastcodesign.com berichtet über ein Projekt, bei dem die Gestaltung von Firmen-Websites mittels künstlicher Intelligenz massiv beschleunigt werden soll: Die Software trifft Layoutentscheidungen, wählt Fotos aus und platziert sie im Design. Der menschliche Gestalter greift nur ein, wenn die Vorschläge in die falsche Richtung gehen.
Die Maschine gestaltet, der Mensch verbessert
Laut Fastcodesign.com nennt Adobe-Manager Cedric Huesler das «human augmented design», also «vom Menschen verbesserte Gestaltung». Routinearbeiten werden bald von der Software erledigt. Doch ob die frei werdende Zeit für schöpferische Zwecke genutzt werden darf, entscheiden die Auftraggeber.
Joely Tafanalo, der Gestalter aus Luzern, fürchtet sich nicht vor der Konkurrenz durch künstlich intelligente Algorithmen: Ihn begeistern die unerschöpflichen kreativen Möglichkeiten. Und er sagt: «Es wird für Inhalte und Gestaltung immer in irgendeiner Form das Mitwirken des Menschen brauchen.»
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