«March Madness» steht im rechten oberen Bildschirmeck, darunter klebt das Logo des US-Senders CBS. Wahnsinn im März – ge­meint ist allerdings nicht das Interview mit der Pornodarstellerin und mutmasslichen Trump-Affäre Stormy Daniels, sondern die alljährliche Meisterschaft im College-Basketball. Weil ein Spiel in die Verlängerung geht, verzögert sich die Ausstrahlung der Sendung 60 Minutes.

Dass diverse amerikanische Medien dennoch pünkt­lich zum angesetzten Programmstart bereits aus dem Interview mit der Pornodarstellerin zitieren, liegt an einem Transkript, das der Sender mit Sperrfrist 19 Uhr herausge­ge­ben hat. Die resultierenden Schlagzeilen lassen vermuten: Journa­list Anderson Cooper hat der Frau, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heisst, tatsächlich Aussagen mit Sprengkraft entlockt.

Vielleicht war dazu nicht mal beson­de­res Geschick nötig. Daniels Kritiker sehen in ihr eine Oppor­tunis­tin und Lügnerin. Jemanden, der für Aufmerk­sam­keit und Geld bereit ist, vieles zu erzählen.

Cooper greift diese Vorbehalte in den ersten Minuten des Gesprächs auf. Er gibt den Advo­ca­tus Diaboli – am Ende geht es hier schliess­lich auch um seine Glaubwürdigkeit. Er sei sich nicht sicher, warum sie dieses Inter­view gebe, begrüsst Cooper seine Interview­partnerin. «Mir ist es sehr wichtig, mich selbst zu verteidigen», antwortet Daniels. Natürlich bekomme sie mehr Job-Angebote, seit ihre Beziehung zu Donald Trump zum Politikum wurde. «Aber nennen Sie mir eine Person, die einen Job ablehnt, für den sie plötzlich mehr Geld bekommt, obwohl sie den gleichen Job macht, den sie immer gemacht hat!»

Eine Frau, die das Leben hart ge­macht hat

Die 39-Jährige tourt derzeit durch Amerikas Strip-Clubs. «Make America Horny Again» lautet das Verkaufsversprechen ihrer Show – eine Anspielung auf Trumps Wahlkampfslo­gan. Daniels sagt, nicht sie selbst habe sich den Werbespruch ausgedacht, sondern die Clubbe­sitzer. Im 60-Minutes-Interview trägt sie zum schwarzen Bleistift­rock eine rote Bluse. Ihr Blick ist fest, abge­klärt. Ihr Lächeln nie ganz offen. Es wirkt, als sitze hier eine Frau, die das Leben hart ge­macht hat, vielleicht auch ein bisschen bitter. Auf viele Fragen antwortet sie kurz angebunden. Nein. Ja. Nein.

Das mag Kalkül sein, eine geschickte Inszenierung – Daniels arbeitet schliesslich seit Jahren vor und mit der Kamera. Der Fall Stormy Daniels taugt auch deshalb zum Fernsehhöhe­punkt am Sonntag­abend, weil hier eine Frau sitzt, die schwer einzuschätzen ist. Die in der Vergangenheit mehrfach bestritten hat, auch schriftlich, mehr als eine oberflächliche Be­kanntschaft mit Trump gehabt zu haben. Und die nun Anderson Cooper erzählt, dass sie Trump 2006 am Rande eines Golfturniers getroffen habe. Er habe mit seinem jüngsten Zeitschriftencover geprahlt. Sie habe ihm mit besagtem Magazin den Hintern versohlt. Alles ein Spass selbstver­ständ­­­lich.

Sie habe Trump als Mann nicht anziehend gefunden, sagt Daniels, und sie habe auch nicht mit ihm intim werden wollen. Aber sie habe sich nun mal mit ihm alleine in seiner Hotelsuite getroffen – als sie vom Frischmachen im Bad zurück ins Zimmer gekommen sei, habe Trump schon auf dem Bett gesessen. «Ich habe einen Fehler gemacht, ich war selbst schuld.» Ein einziges Mal habe sie mit ihm Sex gehabt, ungeschützt. «Ich habe das als Business-Deal betrachtet.» Trump, so erzählt es die heute 39-Jähri­ge, habe ihr die Möglich­keit einer Teilnahme bei der Promi-Ausgabe seiner Castingshow The Apprentice in Aussicht gestellt. Und ja, ihr sei bewusst gewe­sen, dass das vermutlich ein Köder gewesen sei. «Ich habe nie behauptet, dass ich ein Opfer bin», sagt Daniels.

«Ich mag es nicht, mit Ihnen über diese Sache zu reden.»

Stormy Daniels, Talkgast

Zum Opfer wurde sie ihrer eigenen Schilderung nach erst später. Bereits 2011 plante das «InTouch»-Magazin eine grosse Geschichte über die Affäre des damaligen Immobilienmilliardärs und TV-Stars Trump mit der Pornodarstellerin Daniels. Die Redaktion unterzog Daniels sogar einem Lügendetektor-Test, um ihre Schilderungen zu verifizieren – sie bestand ihn. Doch Trumps Anwalt Michael Cohen bekam Wind von der Sache und drohte der Zeitschrift mit einer Millionenklage. Die Geschichte wurde nie veröffentlicht.

Daniels wirft dem Trump-Team jedoch vor, sie im Nachgang körperlich bedroht zu haben. Auf dem Park­platz ihres damaligen Fitnessstudios sei ein Mann auf sie zugetreten, erzählt Daniels Journalist Cooper. Mit den Worten: «Lass Trump in Ruhe! Vergiss die Story», habe dieser versucht, sie einzuschüchtern. Anschliessend habe der Mann auf ihre kleine Tochter gezeigt, die in ihrem Kindersitz im Auto angeschnallt gewesen sei, und gesagt: «So ein hübsches kleines Mädchen. Es wäre schade, wenn ihrer Mama etwas zustösst.» Sie würde diesen Mann jederzeit wiedererkennen, sagt Daniels. Auch heute noch, Jahre danach.

Es ist dieser Auszug aus dem Interview, den amerikanische Medien als Eil-Meldung ver­schicken, noch bevor die Sendung ausgestrahlt ist. Ob die Sache mit der Drohung stimmt? Ob Daniels Geschichte wahr ist?

Anwalt im Kreuzverhör

Die Redaktion von 60 Minutes ist zumindest sichtlich bemüht, dem Eindruck entgegenzu­wirken, es gehe nur um Sensationslüsternheit. Im Beitrag kommt ein Experte für Wahlkampfspenden zu Wort, der erklärt, warum die Schweigegeldzahlung an Daniels kurz vor der US-Wahl im November 2016 rechtlich heikel sein könnte. Und Journalist Cooper, der in der vergangenen Woche bereits das ehemalige Playboy-Model Karen McDougal zu ihrer vermeintlichen Affäre mit Trump interviewt hatte, nimmt Daniels Anwalt Michael Avenetti ins Kreuzverhör. Er habe sich einst für die demokratische Partei eingesetzt – ob sein Engagement politisch sei, fragt Cooper. Er tue das, weil es richtig sei, sagt Avenetti.

Doch am Ende bleibt es der Abend von Stormy Daniels. Ob sie im Rückblick etwas anders machen würde, fragt Anderson die 39-Jährige. Sie habe sich nie vorstellen können, dass sie einmal in dieser Sendung sitzen würde, sagt Daniels. «Ich mag es nicht, mit Ihnen über diese Sache zu reden.»