Lassen Sie mich durch, ich bin ein Busen
Gabriel Vetter über die Zufuhr von Reizen.

Jetzt ist schon wieder nix Neues passiert. Nur die alte Erkenntnis: Männer haben den Drang, die äusserliche Erscheinung von Frauen ständig zu kommentieren. Yay. Aktuelles Beispiel: Ein deutscher Literaturkritiker hat anlässlich der Leipziger Buchmesse gefordert, man müsse die an der Buchmesse omnipräsenten Cosplay-Spieler von der Messe verbannen, weil es eine Zumutung sei, wenn an einem so seriösen Anlass während eines Gesprächs mit einer verfolgten türkischen Autorin im Hintergrund halb nackte Manga-Teenager im Hasenkostüm vorbeihopsten. «Man geht schliesslich auch nicht im Sexual Fantasy Outfit an eine Beerdigung», schreibt der Kritiker. Ich kann dazu nur zwei Sachen anmerken. Erstens: Der gute Mann geht offenbar an die falschen Beerdigungen. Zweitens: Der Feuilletonist versteht die wichtigste Lesemesse Deutschlands also als Begräbnis. Heureka!
In der Schweiz diskutiert man derweil darüber, ob TV-Moderatorinnen am Sender Tattoos zeigen dürfen. Der Tenor der männlichen Wortführer: Tätowierungen ja, aber nur dann, wenn sie sexy sind. «Ein Décolleté fände ich viel schöner», meinte der Mann, der die ganze bekloppte Debatte überhaupt erst lostrat. Das also ist das Drama des pensionierten Herrn im 21. Jahrhundert: Er rief Dekolletés, und es kamen Tattoos. Junge Frauen können es älteren Herren aber auch echt nie recht machen: Ausschnitt gerne, aber keine sexy Häsli! Leggins? Zeigen zu viel. Burkas? Zu wenig. Der Hormonhaushalt eines jedwelchen älteren Mannes im Anzug ist offenbar ein sensibler Biorhythmus, auf dem qua Damenbekleidung sorgfältig temperaturgesurft werden muss. Es ist ein wenig wie bei schreckhaften Junghunden: Es gilt, die Zufuhr an Reizen äusserst bedacht zu dosieren.
Der Mann, ein Dampfkessel?
Ich finde es immer wieder erstaunlich, zu sehen, dass viele Männer ihren Testosteronhaushalt offenbar an die unschuldige weibliche Zivilbevölkerung outgesourct haben. Reizwäsche ist ja im Grunde genommen nix anderes als die auf den weiblichen Körper umgewälzte Kompensation von eigenen Unzulänglichkeiten. Ich aber sage: Mit-Männer! Fragt euch nicht, was das fremde Décolleté für eure Libido tun kann, fragt euch, was all die auf Spesenrechnung verzehrten Cordon bleus mit euren Lenden machen! Dann klappts auch mit den Tattoos. Ich finde es als Mann irgendwie entwürdigend, wenn ich mir vorstelle, dass ich irgendwann bleich, traurig und voller Rindsfilet und Passugger schnappatmend in einem Flugzeug voller Businessclass-Anzugträger mit Bluthochdruck und Schlafapnoe hocke, und es dann durch den Lautsprecher heisst: «Sehr geehrte Fluggäste, dies ist ein medizinischer Notfall! Befindet sich zufällig ein Busen an Bord?»
Es ist 2017, und wir sehen Frauen immer noch als individuell dosierbare Uppers und Downers für die vom Frühling geschundene Männerseele. Hach ja. Hey, Bauarbeiter zum Beispiel pfeifen Frauen ja auch nicht deshalb nach, weil sie wollen, sondern weil die Passantin ihre innere Frühlings-Bluescht zum Sieden bringt. Das Pfeifen des Bauarbeiters ist also lediglich das akustische Begleitsignal für die allgemeine Wartungsinformation «BEHÄLTER VOLL!».
Jeder Mann ein Dampfkessel, der auf dem Herd des gesammelten Weltweibertums langsam schwitzend vor sich her köchelt? Hier pfeife ich, ich kann nicht anders? Ich glaube, ich spreche ganz im Sinne von Marie Curie, wenn ich hier sage: Bitch, please.
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