Es war AHV-Tag, und es windete
Bald kann man dem Briefträger Geld einzahlen. Einst war es umgekehrt – er brachte Geld. Eine Erinnerung.

An jenem Septembertag circa des Jahres 1978 zerzauste ein böiger Wind das Appenzellerland. Mein Vater war Posthalter in Hundwil. Ich war Kantischüler, hatte Ferien und machte den Aushilfsbriefträger. Und nun kam, wie jeden Monat, der Tag der AHV-Auszahlung und . . .
Halt! Sagen wir zuerst, weswegen das hier erzählt wird. Gestern wurde vermeldet, dass in Orten ohne richtige Poststelle der Kunde bald an der Haustür Bares einzahlen kann. Beim Briefträger.
Damals war es in der Regel umgekehrt, das Geld ging vom Briefträger an den Kunden. Und am AHV-Tag lief das so: Der Posthalter übergab einem den Betrag aller Renten in bar, man nahm die Noten entgegen sowie die Renten-Auszahlungs-Scheine, quittierte, packte das Geld ein. Und zog los mit gut 20 000 Franken.
Zuerst ging es durch das Dorf, hernach hinaus ins Gelände. In so manchem Haus und Hof warteten die Alten sehnsüchtig auf ihr Geld. Und weil man im Appenzellerland Freudiges gern gemeinsam feiert, hatten sie das Schnäpsli bereitgestellt.
Tückischer Fallwind
Das Problem am AHV-Tag war, dass jedes zweite oder dritte Haus ein Schnäpsli offerierte. Die Leute drängten einem dieses mit Nachdruck auf und wollten ja auch ein wenig schwatzen; einige waren wohl einsam. Und so war ich in jenen Jahren der jugendlichen Unschuld schon mittags angesäuselt. Am Nachmittag hatte ich Mühe, die verbliebenen Noten souverän zu handhaben. Vollends schwierig machte dies der erwähnte Wind, der in wuchtigen Stössen attackierte. Irgendwo auf freiem Feld geschah es schliesslich, dass eine heftige Bö ein, zwei, drei Hunderternoten aus dem Bündel riss und auf Nimmerwidersehen mitnahm.
Der Posthalter hatte Verständnis. Die Post machte kein grosses Theater und verschmerzte den Verlust kulant, sie war wohl versichert gegen Fallwinde. Und selber verweigerte ich in Zukunft bei der Arbeit jede Art Alkohol.
So war das damals, und nun ist zu hoffen, dass heutige Landbriefträger dies lesen und sich gegen die Windgefahr wappnen.
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