Folge deinen Träumen, heisst es – doch das ist ein schlechter Rat
Die vermeintliche Lebensweisheit verleitet zu Passivität.

Man hört es an Maturafeiern, liest es auf Kühlschrankmagneten, auf T Shirts und in fast jedem Selbsthilfe-Bestseller. Es tönt so wahr, so weise, so inspirierend wie eine ganze Bücherwand Paulo-Coelho-Romane. Aber dieses Klischee ist schlimmer als ein harmloser Allgemeinplatz – nämlich falsch. Wer anderen rät: «Folge deinem Herzen!» (oder wahlweise: deiner Leidenschaft! deinen Träumen!), verbreitet gefährlichen Unsinn. Psychologen der Universitäten Stanford in Kalifornien und Yale-NUS in Singapur haben nun aufgezeigt, warum das so ist.
Die Wissenschafter untersuchten in Experimenten, wie Menschen auf solche Mutmacher-Mantras reagieren. Die Forscher stellten fest: Die vermeintlichen Lebensweisheiten verleiten zu Passivität. Einer Passivität, die dazu führen kann, sein Leben unter seinem Potenzial zu verbummeln.
Wer macht den «Löwenanteil der Arbeit»?
«Wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das Universum darauf hinwirken, dass du es erreichen kannst», heisst es in Coelhos «Alchimist». Das zeugt von einem mystischen Glauben, dass uns Leidenschaften auf magische Weise offenbart werden – dass wir dafür nichts tun müssen, ausser darauf zu warten wie auf eine himmlische Eingebung.
Der Yale-NUS-Psychologe Paul O’Keefe warnt darum in amerikanischen Medien: «Den Leuten zu sagen, dass sie ihrer Leidenschaft folgen sollen, legt nahe, dass die Leidenschaft den Löwenanteil der Arbeit für sie erledigt.» Es ist aber ein Irrtum, zu glauben, dass Leidenschaft automatisch zu grenzenloser Motivation führt. Und dass diese dann alle Schwierigkeiten wie von selbst aus dem Weg räumen wird. Eine solche Einstellung, so viel ist klar, wird unweigerlich in Enttäuschung enden. Spätestens wenn sich im wirklichen Leben dann die Schwierigkeiten auftürmen.
Arbeit – tägliche Mühe
«Eltern, Lehrer und Arbeitgeber können das Beste aus den Menschen herausholen», sagt O’Keefe, «wenn sie ihnen zeigen, dass Interessen entwickelt werden müssen und man sie nicht einfach irgendwo findet.» Seine wahre Leidenschaft zu entdecken und in eine Lebensaufgabe zu übersetzen, ist mit anderen Worten Arbeit, tägliche Mühe. Es reicht bei weitem nicht, darauf zu warten, bis man zufälligerweise darüberstolpert.
Welche Botschaft gehört dann also in Maturareden, auf Kühlschrankmagnete und inspirierende T-Shirts? «Suche aktiv nach Deinen Interessen, rechne mit Widerständen und Hindernissen, lerne, über Enttäuschungen hinwegzukommen.» Das tönt mässig inspirierend, ist dafür aber wahr.
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