Lega-Politiker fürchtet um die «weisse Rasse»
Attilio Fontana bekundete seine ethnischen Befürchtungen am Radio. Jetzt kennt ihn ganz Italien.

Dem Lokalpolitiker Attilio Fontana aus dem norditalienischen Varese ist das denkwürdige Kunststück gelungen, sich mit einem einzigen Satz im ganzen Land bekannt zu machen. Über Nacht. Vielleicht wäre es ihm aber lieber, wenn er diesen Satz, den er auf dem Sender Radio Padania formuliert hat, für alle hörbar und registriert, wieder zurücknehmen könnte. Man stellte ihm da Fragen zur Immigration und zur Integration vieler Menschen aus Afrika. «Wir müssen entscheiden», sagte Fontana, «ob unsere Ethnie, unsere weisse Rasse, unsere Gesellschaft, fortbestehen oder ausgelöscht werden soll.» Er sagte tatsächlich «razza bianca». Als die Entrüstung über den Begriff wuchs, schob Fontana nach, es sei ihm ein «Lapsus» unterlaufen, ein kleiner Fehler also.
Eine Bagatelle ist die Geschichte aber nicht. Fontana (65), früher Bürgermeister von Varese und Parteigänger der rechtspopulistischen Lega, ist Spitzenkandidat des rechtsbürgerlichen Lagers bei den Regionalwahlen in der Lombardei. Das ist Italiens grösste, reichste und weltoffenste Gegend. Die Regionalwahlen finden am 4. März statt, zeitgleich mit den nationalen Parlamentswahlen.
Fontana wurde zufällig Kandidat. Bis vor kurzem schien sicher zu sein, dass der bisherige Gouverneur der Lombardei, Roberto Maroni, sich um eine zweite Amtszeit bemühen würde. Doch Maroni verzichtete aus persönlichen Gründen, in letzter Minute. Als die Rechte Fontana präsentierte, hiess es, der Unbekannte sei gemässigt, eine Taube unter Falken, «fast ein Christdemokrat». Die Botschaft galt vor allem dem Mailänder Bürgertum, das sich nur dann mit Leuten der Lega anfreundet, wenn sich die nicht allzu rotzig und fremdenfeindlich aufführen. Auch Silvio Berlusconi, der Chef von Forza Italia, wurde mit dem Verweis auf Fontanas moderates Profil beruhigt: Er hätte nämlich lieber einen anderen Kandidaten in die Wahl geschickt.
Doch kein Versprecher?
Da aber die Rechte in der Lombardei schon seit mehr als 20 Jahren regiert, recht erfolgreich überdies, überwand man den Zwist und einigte sich auf Fontana. Der galt nun automatisch als Favorit, als sicherer Sieger sogar, denn die zerstrittene Linke konnte sich ihrerseits nicht auf einen gemeinsamen Bewerber einigen. Der sozialdemokratische Partito Democratico berief Giorgio Gori, den populären Bürgermeister von Bergamo. Der aber steht Liberi e Uguali (Freie und Gleiche), wie sich die Dissidenten vom linken Parteiflügel neuerdings nennen, nicht genug weit links. Sie bestimmten stattdessen einen Gewerkschafter, der mit seinen Stimmen vor allem Goris Wahlchancen vernichtet.
Nun mehren sich die Appelle, Liberi e Uguali möchten ihre Strategie überdenken, damit sich dieser Theoretiker der «weissen Rasse» doch noch verhindern lasse. Im bürgerlichen Lager ist die Verlegenheit über Fontana gross. Ein Politiker von Forza Italia rät dem Neuen, er möge künftig bis zehn zählen, bevor er rede. Nur Matteo Salvini, der Chef der Lega, gibt sich unbeirrt. Als man ihn fragte, ob die Partei Fontana nun zurückziehe, sagte er, er denke keine Sekunde daran. Alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen: Salvini spricht oft davon, dass Italien Opfer einer «Invasion» sei, dass eine «ethnische Auswechslung» drohe. Da kreuzen und vermählen sich die Gedanken von Salvini und Fontana. Doch kein Lapsus?
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch