«Letztlich hatte er eine Vision – die Machtergreifung»
Michel Djotodia hat sich in Zentralafrika an die Macht geputscht und Präsident Bozizé aus dem Amt gejagt. Doch seine Position ist alles andere als gesichert – nicht einmal in der eigenen Rebellenbewegung.
Vor wenigen Monaten tauchte Michel Djotodia noch in Tarnkleidung und mit Turban zu Friedensgesprächen auf. Seit sich der Rebellenführer an die Macht in der Zentralafrikanischen Republik geputscht hat, ist er jedoch von Uniform auf Anzüge umgestiegen.
Der über 60-Jährige hat in der Sowjetunion studiert und fungierte als Konsul in der sudanesischen Krisenregion Darfur. Im Januar trat der Rebellenchef einer Regierung der nationalen Einheit bei, um als Verteidigungsminister unter seinem langjährigen Widersacher Präsident François Bozizé zu amtieren. Doch das Bündnis zerbrach rasch. Keine zwei Monate nach der Koalitionsbildung marschierten Djotodias Truppen in der Hauptstadt Bangui ein, Djotodia ernannte sich auf vorerst drei Jahre zum Präsidenten des bitterarmen, aber rohstoffreichen Lands.
Doch wie lange er sich halten kann, ist ungewiss. Zwar hat sich Djotodia für den Moment an die Spitze des wild zusammengewürfelten Rebellenbündnisses namens Séléka («Allianz») manövriert, aber schon murren einige Mitstreiter, es sei nicht so gedacht gewesen, dass Djotodia nach Bozizés Sturz alleine regiert.
Kenner nicht überrascht
«Wir haben doch nicht gegen den einen Diktator gekämpft, um ihn durch einen anderen zu ersetzen», sagt Nelson N'Djadder. Der in Paris residierende Rebellenführer droht nun, Djotodia die Herrschaft über die seit Langem von Staatsstreichen und Aufständen geplagte Zentralafrikanische Republik streitig zu machen.
Djotodias Griff nach der Macht überrascht Kenner nicht. «Er war immer darauf fixiert, Präsident der Zentralafrikanischen Republik zu werden. Er ist ein immens ehrgeiziger Mann», sagt beispielsweise Alex Vines vom Afrika-Programm des Chatham House, einem britischen Politikinstitut. «Letztlich hatte er eine Vision - die Machtergreifung. Das hat er nun unter Umgehung der Verfassung getan.»
Russisch und Französisch
Aus einem grossen Pool potenzieller Rebellenführer habe er sich an die Spitze setzen können, sagt die seit zehn Jahren in der Zentralafrikanischen Republik forschende Louisa Lombard von der Universität Berkeley. «Sein Erfolg begründet sich wohl vor allem auf seine Diplomatie und die Bündnisse, die er mit verschiedenen Leuten aushandeln konnte», sagt Lombard. «Er war zur rechten Zeit am rechten Ort und verfügte über den notwendigen Ehrgeiz.»
Djotodia stammt aus Vakaga im Nordosten, der ärmsten Region eines ohnehin armen Lands. Experten zufolge hat er während seines Studiums in der Sowjetunion geheiratet und eine Familie gegründet, ausserdem spricht er angeblich fliessend Russisch und Französisch. Er gehört zu den Mitbegründern der Rebellenbewegung Union Demokratischer Sammlungskräfte (UFDR), die für Schlagzeilen sorgte, als sie 2006 die Hauptstädte von zwei Provinzen im Norden des Landes unter ihre Kontrolle bringen konnte.
Exil in Benin
Sie kämpften für mehr Regierungsinvestitionen im vernachlässigten Nordosten des Landes, erklärten die Rebellen damals. Die nichtstaatliche Organisation International Crisis Group sieht das anders. Sie schreibt, die Anführer der UFDR schienen eher daran interessiert gewesen zu sein, sich im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens gut dotierte Posten in der Regierung Bozizé zu sichern.
2006 floh Djotodia mit seinem Mitstreiter Abakar Sabone ins Exil nach Benin, wo sie letztlich verhaftet und ins Gefängnis geworfen wurden. Amnesty International schreibt, Djotodia sei 2008 auf Wunsch der Regierung der Zentralafrikanischen Republik freigelassen worden. Wo er nach seiner Freilassung gewesen ist und was er dort getan hat, ist nicht ganz klar, aber nach seiner Rückkehr in die Heimat setzte sich Djotodia an die Spitze eines Rebellenbündnisses, das einstmals zutiefst verfeindete Gruppierungen an einen Tisch brachte. Laut Analysten und Beobachtern trug Djotodias Rückkehr in die Zentralafrikanische Republik wohl wesentlich dazu bei, dass im Dezember der Séléka-Aufstand losbrach.
Ausländisch Kräfte
In einem Interview mit dem französischsprachigen Wochenmagazin «Jeune Afrique», das in der Woche seines Sturzes erschien, sagte Bozizé, er vermute ausländische Kräfte hinter der Rebellion. «Sechs Monate vor Beginn dieses Aufstands traf sich eine von mir entsandte Delegation mit Djotodia in seiner Heimatstadt Gordil», sagte Bozizé. «Damals erklärte er, dass er für den Frieden sei und die Vereinbarungen zur Demobilisierung respektiere. Entsprechend erstaunt war ich, dass er dieses bedauerliche Unterfangen zum Leben erweckte. Wurde er von externen Mächte aktiviert? Das ist wahrscheinlich.»
Als er vor einem Jahrzehnt im Sudan gearbeitet hat, soll Djotodia angeblich Kontakte zu Rebellen aus dem Tschad geknüpft haben. Diese Verbindung zu ausländischen Kräften und das wacklige Bündnis mit den anderen Gruppierungen der Séléka könnten sich für Djotodia als grosse Hürden erweisen, sagt die Expertin Lombard: «Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir in den kommenden Wochen einige Kämpfe um Macht und Kontrolle erleben werden.»
SDA/wid
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