Liefert Ecuador Assange doch aus?
Seit zwei Monaten geniesst der Wikileaks-Gründer den Schutz der ecuadorianischen Botschaft in London. Offenbar ist man dort nun doch bereit, über eine Auslieferung Assanges zu verhandeln.

Trotz des diplomatischen Streits, der zwischen Ecuador, Grossbritannien und Schweden ausgebrochen ist, zeigt sich Quito offenbar bereit, im Fall Assange zu verhandeln. Dies berichtet der «Guardian» und beruft sich dabei auf eine anonyme Quelle aus der ecuadorianischen Botschaft in London. Dort hat der Wikileaks-Gründer Julian Assange vor gut zwei Monaten Zuflucht vor den britischen Behörden gesucht.
Ecuador sei durchaus bereit, bezüglich einer möglichen Auslieferung von Assange mit den britischen und schwedischen Behörden zu verhandeln, so der Informant gegenüber der englischen Zeitung. «In einem Gespräch mit dem britischen Aussenministerium hat Ecuador klar gemacht, dass es bereit ist, mit London und Stockholm eine Auslieferung zu besprechen. Jedoch nur unter der Bedingung, dass man Julian Assange nach der Strafuntersuchung in Schweden nicht an ein Drittland ausliefern würde.»
50 Beamte um die Botschaft
Ecuadors Gesprächsbereitschaft wird publik, nur wenige Tage nachdem Grossbritannien gedroht hatte, die Botschaft in London zu stürmen. Unter Berufung auf den sogenannten Diplomatic and Consular Premises Act 1987 hatte London gedroht, Assange innerhalb der Botschaft zu verhaften. Die Warnung sei in schriftlicher Form zugestellt worden, so der anonyme Informant gegenüber dem «Guardian». Gleichzeitig hätten sich auf einmal immer mehr Polizisten um das Botschaftsgebäude versammelt. Plötzlich habe es vor jedem Fenster und sogar auf der Feuertreppe Beamte gehabt. «Da waren gut 50 Polizisten um das Haus. Die Polizeipräsenz war total einschüchternd.»
Der Diplomatic and Consular Premises Act wurde 1987 verabschieded und beruht auf einem Vorfall von 1984. Damals schoss ein libyscher Diplomat während einer Demonstration vor der Botschaft aus dem Fenster und tötete einen britischen Polizisten.
«Ich drohe nicht, habe aber einen Knüppel»
Die Drohung sorgte für weitreichende Kritik gegenüber der britischen Regierung. «Das war ein grosser Fehler», liess der frühere britische Botschafter Oliver Miles laut der «Washington Post» verlauten. Die britische Regierung bringe sich so in die Lage, etwas Illegitimes zu fordern.
Gleichwohl beharrte das britische Aussenministerium darauf, es habe sich bei einem entsprechenden Schreiben an die ecuadorianischen Diplomaten um keine Drohung gehandelt. Eine Aussage, die Miles mit einem Lachen quittierte: «Wenn ich Ihnen sage, ‹Ich drohe ihnen nicht, aber ich habe hier einen sehr grossen Knüppel›, dann ist es wohl keine Frage, wie man das deutet», sagte Miles.
«Angriff auf die nationale Souveränität»
Auch die Nationalversammlung Ecuadors verurteilte das Verhalten Grossbritanniens in einer offiziellen Erklärung. Die Drohung, zur Festnahme von Assange notfalls in die Botschaft des Landes in London einzudringen, stelle einen «Angriff auf die nationale Souveränität» dar und sei ein Verstoss gegen internationales Recht, heisst es in der Erklärung, die das Parlament am Freitag beschloss.
Der britische Aussenminister William Hague hatte zuvor gesagt, es gebe keine solche Drohung. Grossbritannien müsse aber seine internationalen Verpflichtungen erfüllen. Gegen Assange existiert ein EU-weiter Haftbefehl aus Schweden wegen des Verdachts auf Sexualdelikte. Der Wikileaks-Gründer hatte sich in die ecuadorianische Botschaft in London abgesetzt, um sich einer Auslieferung nach Schweden zu entziehen.
Assange will Statement abgeben
Assange bestreitet die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung und vermutet ein Komplott. Der Australier befürchtet eine Abschiebung von Schweden in die USA, wo ihm lebenslange Haft wegen Geheimnisverrats drohen könnte. Morgen will er offenbar vor die Öffentlichkeit treten und ein Statement abgeben. Die von Assange massgeblich betriebene Plattform Wikileaks hatte unzählige vertrauliche diplomatische Depeschen aus den USA veröffentlicht, die Einblick in die US-Aussenpolitik und den Umgang mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan geben.
Amerikanische Staaten beraten
Die Aussenminister der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) werden am kommenden Freitag über den Fall Assange beraten. 23 Mitgliedstaaten der OAS stimmten den Beratungen zu. Die USA, Kanada sowie Trinidad und Tobago votierten dagegen. Das US-Aussenministerium stellte unterdessen klar, dass die Vereinigten Staaten den Begriff des «diplomatischen Asyls» nicht anerkannt hätten.
mit Material von dapd/ AFP/kpn
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