Löst der Klimawandel die nächste Wirtschaftskrise aus?
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich fordert die Notenbanken auf, mehr gegen den Klimawandel zu tun. Die Schweizerische Nationalbank sieht das anders.

Ihr Name klingt nach Behördenmuff, und die wenigsten werden sie kennen: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, kurz BIZ. Tatsächlich ist die Basler Institution eine wichtige Schaltstelle der Hochfinanz, denn hier koordinieren die grossen Notenbanken der Welt ihre Politik. Daher gilt die BIZ auch als «Zentralbank der Zentralbanken».
Nun legen die BIZ-Experten einen Bericht vor, der für Debatten sorgen wird: Darin beschäftigten sie sich mit der Frage, welche Rolle Notenbanken und Finanzaufseher beim Kampf gegen die Klimawandel einnehmen sollen. In der Studie «The Green Swan – Central Banking and Financial Stability in the Age of Climate Change» plädieren die Autoren für eine aktive Rolle der Zentralbanken – damit grenzt sich der Report von der Haltung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ab, die den Kampf gegen den Klimawandel nicht zu ihren Aufgaben zählt.
Das Kernargument der BIZ: Der Klimawandel ist eine existenzielle Gefahr, ohne eine effektive Politik gegen die Erderwärmung werden Notenbanken schlicht nicht mehr in der Lage sein, Preis- und Finanzstabilität zu sichern. «Der Klimwandel könnte (…) die Ursache der nächsten systemischen Finanzkrise sein», heisst es in der Studie.
SNB sieht mässigen Einfluss
Die SNB scheint hier viel entspannter: «Die Klimarisiken insgesamt, die in der Schweiz die Stabilität der Wirtschaft und des Finanzsystems beeinflussen könnten, scheinen zurzeit nach unserer Einschätzung mässig zu sein», erklärte SNB-Direktoriumsmitglied Andréa Maechler im November bei einem Vortrag.
Die BIZ-Autoren sagen zwar, dass die Notenbanken allein nicht den Klimawandel würden aufhalten können. Das sei Aufgabe der Politik, das wichtigste Instrument hierbei sei eine wirksame Bepreisung des Klimagases CO2. Doch gleichzeitig drohen Notenbanken selbst Opfer einer verfehlten Klimapolitik zu werden.
Denn je später ein wirksamer CO2-Preis weltweit eingeführt wird, um so höher wird er ausfallen müssen, um die Klimaerwärmung zu begrenzen. Und dann drohen die Folgen für Wirtschaft und die Finanzstabilität dramatisch zu sein. Kredite und Investments in CO2-intensive Unternehmen könnten plötzlich und stark an Wert verlieren – was unter Umständen Banken in Schieflage bringen könnte –, so wie während der letzten Finanzkrise, als der Kollaps des US-Immobilienmarktes beinahe zu einer Kernschmelze im Finanzsystem führte.
Zentralbanker sollen aktiver sein
Reagiert die Politik also erneut zu spät, könnten die Notenbanken wieder gezwungen sein, als eine Art «letzter Klimaretter» Banken solche sogenannten braunen Anlagen abzunehmen, um den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems zu vermeiden, warnen die BIZ-Experten.
Damit es nicht so weit kommt, macht die Studie eine Reihe Vorschläge, was Notenbanken tun könnten. Zentralbanken müssten «proaktiver werden» und einen Politikwechsel einfordern, um ihr Mandat langfristig ausüben zu können, heisst es.
In ihrer Rolle aus Finanzaufseher sollten die Zentralbanken dafür sorgen, dass Banken und Versicherer ihre Klimarisiken adäquat managen. Erste Aufseher wie die Bank of England und die niederländische Zentralbank unterziehen ihre Finanzinstitute bereits einem Klima-Stresstest, wobei die Auswirkungen einer radikalen Politikwende auf die Bilanz einmal durchgerechnet werden sollen.
«Finanz- und Klimastabilität können als zwei miteinander verbundene öffentliche Güter angesehen werden.»
Zum Zweiten schlagen die BIZ-Autoren vor, dass die Zentralbanken aktiv bei den ihnen unterstellten Finanzinstituten dafür werben, Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards – auf Englisch: environmental, social and goverance standards, kurz ESG – bei ihren Geschäften einzusetzen, etwa bei der Vergabe von Krediten und bei Anlagen.
Eine Streitfrage hierbei ist, inwieweit die Notenbanken ihre eigene Anlagepolitik in den Dienst des Kampfs gegen den Klimawandel stellen sollen. Die BIZ-Studie stellt in diesem Zusammenhang die Banque de France und die niederländische Zentralbank als beispielhaft vor, diese würden ESG-Kriterien in die eigene Anlage aufnehmen. Und die schwedische Notenbank habe Anleihen von Regionen mit starkem CO2-Fussabdruck, etwa von Teilstaaten in Australien, aus der Bilanz geworfen.
«Starke» Einschränkung
Die Schweizerische Nationalbank hat zwar auch ESG-Kriterien in die Titelauswahl einbezogen. So investiert sie nicht in Wertpapiere von Unternehmen der Waffenindustrie oder solchen, die systematisch gravierende Umweltschäden verursachen. Aber «eine aktivere Bewirtschaftung auf dem Gebiet der Umwelt würde unsere Anlagemöglichkeiten stark einschränken», warnte Thomas Moser, stellvertretendes Mitglied im SNB-Direktorium, im November.
Das Mandat der SNB umfasse die Wahrung der Preisstabilität. «Diesen Auftrag mit Blick auf die Verwirklichung anderer Ziele wie die Förderung einer grünen Wirtschaft zu erweitern, würde den Weg für Interessenkonflikte frei machen und zu einer Politisierung der Geld- und Währungspolitik führen», erklärte er.
Dagegen heisst es in der BIZ-Studie: «Finanz- und Klimastabilität können als zwei miteinander verbundene öffentliche Güter angesehen werden.» Die Debatte um die Klimapolitik und den eigenen Beitrag, sie hat nun die Spitzen der Geldpolitik erreicht.
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