Luca im Eishockey-Wunderland
Vor eineinhalb Jahren verliess Luca Sbisa die Schweiz, ohne dass ausserhalb von Zug jemand gross davon Kenntnis genommen hätte. Nun ist der 18-jährige Schweizer plötzlich ein NHL-Spieler und der Liebling Philadelphias.
«Sid the Kid» Crosby ist der neue Referenzwert für Spieler, die in der NHL Massstäbe setzen wollen. Mit 18 Jahren sammelte das kanadische Wunderkind in seiner ersten Saison in der besten Eishockeyliga der Welt 125 Skorerpunkte. Im zweiten Winter führte er sein Team, die Pittsburgh Penguins, in den Stanley-Cup-Final. Da kann Luca Sbisa, der noch nicht 19-jährige Schweizer aus Oberägeri bei Zug, nicht mithalten. Eine Sensation aber ist auch er, zumindest in Philadelphia bei den Flyers. «Luca, you are awesome», liess Melanie in der ersten Drittelpause des Spiels gegen Atlanta (4:3) über die Anzeigetafel ausrichten.
Begeisterung rundum
Wer Melanie ist? Luca Sbisa hat keine Ahnung. Aber «awesome», «grossartig», fühlt auch er sich. Auch wenn er das Wort anders interpretiert als Melanie, die Dame aus seiner stetig wachsenden Verehrergemeinde.
Begeistert von Luca Sbisa sind das Mädchen beim Medienempfang, der ältere Herr im Fahrstuhl zur Medientribüne, die Journalisten auf ebendieser und – last but not least – auch sein Trainer John Stevens, der dem jungen Schweizer Verantwortung überträgt und ihn in den letzten beiden, gewonnenen Spielen in Montreal und gegen Atlanta an der Seite von Kimmo Timonen, dem finnischen Verteidigerstar der Flyers, einsetzte. Timonen sagt: «Luca muss noch viel lernen. Aber er ist ein grosses Talent. Ich versuche, auf dem Eis möglichst viel mit ihm zu sprechen und ihm so zu helfen.»
Luca Sbisa seinerseits ist fast sprachlos und einfach nur begeistert. Im letzten Winter spielte er noch für wöchentlich 49,50 Dollar plus Kost und Unterkunft bei den Lethbridge Hurricanes in der Western Hockey League, einer der drei grossen kanadischen Juniorenligen. Nun verdient er 875000 Dollar und ist Teil der Philadelphia Flyers, deren zwei Stanley-Cup-Siege zwar beinahe 40 Jahre zurückliegen, die in der NHL aber immer noch zu den angesehen Franchisen gehören.
Sbisa sagt: «Ich fühle mich immer noch wie in einem Traum.» Der Schweizer pendelt gewissermassen zwischen zwei Welten. Auf dem Eis ist er mehr oder weniger etabliertes Mitglied der Flyers. Coach Stevens gab ihm gegen Atlanta auch dann noch viel Eiszeit, als er das 2:3 verschuldet hatte und vorübergehend die Sicherheit und Gelassenheit verlor, die ihn sonst auszeichnet. Neben dem Eis wird er vom Klub wie ein Sohn betreut, der noch spezielle Behandlung braucht. Der Medienchef sorgte nach dem Match gegen die Thrashers persönlich dafür, dass Luca Sbisa nach Hause gebraucht wurde. Denn er darf zwar NHL-Eishockey spielen, Auto fahren aber darf er momentan noch nicht.
Sbisa bewegt sich wie Alice im Wunderland durch die NHL. Noch immer ist er neben Spieler auch ein wenig Fan. Er spielte ohne falsche Bewunderung gegen Ligagrössen wie Sidney Crosby oder am Sonntag gegen Atlantas russischen Weltmeister Ilja Kowaltschuk. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass er auch deshalb bei den Flyers spielt, weil die Verteidigung durch Verletzungen von Stammspielern wie Derian Hatcher, Ryan Parent oder Randy Jones ausgedünnt ist. Er weiss, der Traum kann schnell enden.
Mental gefordert
«Ich habe momentan eine etwas schwächere Phase», sagt Sbisa. «Die Liga fordert mich weniger physisch als mental. Ständig 100 Prozent konzentriert zu sein, das macht müde.» Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass Sbisa ebenso schnell, wie er in der NHL aufgetaucht ist, auch wieder aus ihr verschwindet. Es ist weiterhin möglich, dass ihn General?Manager Paul Holmgren ins Juniorenteam nach Lethbridge zurückschickt, wenn sich die personelle Situation im Team verbessert und er der Überzeugung ist, dass sich Sbisa dort besser weiterentwickelt. Damit aber beschäftigt sich Sbisa momentan nicht. Er geniesst den Augenblick und ist mehr als je davon überzeugt, dass sein Entscheid, die Schweiz früh zu verlassen und schon als Junior nach Nordamerika zu wechseln, richtig gewesen ist. «Hätte ich das nicht gemacht, würde ich heute nicht da stehen, wo ich bin», sagt er.
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