
Seit dem Abklingen der Corona-Pandemie treffen nur noch selten Beschwerden ein, die Titeln der Tamedia vorwerfen, Fake News zu verbreiten. An anderen Vorwürfen hingegen mangelt es nach wie vor nicht: ausbleibende Berichterstattung, beleidigende Karikaturen, intransparente Moderation von Onlinekommentaren, fehlerhafte Zeitungszustellung, anstössige Werbung. Ein Leser bringt seinen Ärger gegenüber Tamedia so auf den Punkt: «Pfui – pfui – pfui!»
Völlig recht aber hat jene Leserin, die in einer Meldung des «Zürcher Oberländers» über die Katzendichte in der Agglomeration Zürich folgende Statistik anzweifelt: «Hier geht man von 430 Katzen pro Quadratmeter aus.» Das Blatt hats korrigiert: Es ist die Dichte pro Quadratkilometer. Die fragliche Statistik ist ein Fall unbeabsichtigter Fehlinformation, aber keine gezielte Falschmeldung, keine Fake News.
Mit solchen beschäftigt sich in den USA seit 2007 Politifact, ein journalistisches Recherche- und Überprüfungsprojekt im Bereich der Politik. Seit 2009 kürt das Projekt jeweils «Die Lüge des Jahres». Wenig überraschend ist Donald Trump bereits dreimal der fleissigste Verbreiter der «Lie of the Year» gewesen – weitere Auszeichnungen dürften folgen.
Dieses Jahr haben die Verantwortlichen von Politifact ihren Blick über Amerika hinausgeworfen und sind bei Wladimir Putin und dessen Lügen über die Ukraine fündig geworden: «Putin hat sich unter die brutalsten Autokraten der Geschichte eingereiht, indem er eine alterprobte und hoch entwickelte Propagandamaschine aufgebaut hat, um einen nicht provozierten Krieg zu führen.» In die Meinungsbildung der Jury flossen auch Ergebnisse von Publikumsumfragen ein, denen zufolge der russische Staatspräsident hinter dem amerikanischen Ex-Präsidenten auf Platz zwei kam.
Fake News verbreitet
Für Politifact war entscheidend, dass 2022 keine anderen Lügen so gravierende Konsequenzen gehabt haben wie jene von Wladimir Putin: «Obwohl hinlänglich bekannt ist, dass Putin lügt – der frühere KGB-Agent gilt als Sponsor weltweiter Bemühungen zur Verbreitung von Falschinformationen und Hackerangriffen –, der menschliche Tribut der Invasion der Ukraine ist unentrinnbar und schrecklich.»
Wobei dieses Jahr Politifact zufolge ein Teil der Kritik auch die Medien trifft, die Fake News unwidersprochen verbreiten. So zum Beispiel Tucker Carlson, den Moderator des TV-Senders Fox News, der wiederholt behauptet hat, von den USA unterstützte Biolabors in der Ukraine würden biologische Waffen herstellen. Dafür gab es zwar keine Belege, der Fernsehmann insistierte aber, die Geschichte sei «total und völlig wahr».
Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wird heute vielerorts als Kardinaltugend der Medien gepriesen: das Überprüfen von Fakten. Doch Faktenchecks hat es schon früher gegeben. So traf Ende der 1950er-Jahre auf der Redaktion der «Miami News» aus London eine Meldung der Agentur AP ein, die von einem «sprechenden Hund» berichtete. Worauf ein ratloser Reporter seinen Chefredaktor fragte, was er mit der Story dieses cleveren Hundes anfangen solle. Die Antwort: «Ruf ihn an!»
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Kolumne Ombudsmann – Lügen und Lügner des Jahres
Über mächtige Männer, die schamlos lügen, und Medien, die Fake News unwidersprochen verbreiten.