Luzern plant forsch
Die Zentralschweizer haben in einem Büchlein ihre Vision formuliert: «Gemeinsam schaffen wir Grosses!» Aber der Aufbruch wird von Spannungen begleitet.

Das Büchlein hat die Grösse eines Schweizer Passes, ist aber blau statt rot, und auf dem Deckel steht: «Mein FCL. Seit 1901. Für immer.» Auf den folgenden Seiten wird eine Vision mit diversen Botschaften ausgebreitet, es ist eine Mission definiert, die den Kundenfang erleichtern soll. Wer unterschreibt, trägt die Philosophie mit. «FCL-Pass» heisst dieses Büchlein, und Besitzer können und sollen alle werden, die mit Blau-Weiss sympathisieren.
Ausgerichtet ist alles auf das Jahr 2021, wenn der FC Luzern seinen 120. Geburtstag feiert. «Wir wollen Pokale gewinnen und Fussballfeste feiern», steht zum Beispiel in diesem Werk. Oder: «Wir sind Persönlichkeiten mit einer Gewinner-Mentalität.» Auch: «Der FCL wird zum gelebten Kult – unsere Marke ist der Motor des Erfolges.» Und: «Wir verlieren nie die Bodenhaftung. Wir sind geerdet, volksnah und in der Innerschweiz verwurzelt.» Als Abrundung steht ein Satz, der sich wie ein Auftrag liest: «Gemeinsam schaffen wir Grosses!»
Der FCL-Pass suggeriert einheitliches Denken und Handeln. Und er soll eine Aufbruchstimmung erzeugen. Aber da tut sich auch ein Problem auf: Die Luzerner müssen sparen.
Sparen? Das ist nicht der richtige Begriff, wenn man Marcel Kälin damit konfrontiert. Er ist seit September des vergangenen Jahres der CEO. Und «sparen», das ist für ihn negativ behaftet. «Die Prozesse optimieren» nennt er das lieber, «für den FCL Mehrwerte generieren und unsere Vision 2021 leben.»
Kälin war früher selber Fussballer. Als der FCL 1989 das bislang einzige Mal in seiner Geschichte Meister wurde, stand er in der ganzen Saison während acht Minuten auf dem Platz. Jetzt beherrscht der 51-Jährige die Geschäftsstelle, und in kurzer Zeit hat sich gegen ihn eine Opposition aufgebaut. Kritiker werfen ihm vor, im Umgang unbedarft zu sein und sich überall einzumischen. Und: Er soll die Hauptursache für ein angespanntes Arbeitsklima sein.
Kälins Antwort auf die Kritik
Aber Kälin setzt nicht etwa zu einem donnernden Konter an, er erwidert mit betonter Gelassenheit: «Veränderungen gefallen eben nicht allen. Ich setze mich dafür ein, dass wir agiler werden und uns mit Eigenverantwortung unternehmerischer aufstellen. Und was immer bei uns geschieht: Es sind keine Alleingänge von Marcel Kälin. Der Verwaltungsrat steht zu hundert Prozent hinter mir.» Überhaupt: Die mediale Darstellung wegen des Klimas sei vollends übertrieben: «Gehen Sie einmal durch die Bürogänge, und Sie stellen eine positive Aufbruchstimmung mit motivierten Mitarbeitern fest. Meine Tür ist immer offen, als Chef führe ich lösungsorientiert.»
Kälin ist geholt worden, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Auf 24 Millionen Franken ist das Budget mittlerweile gestiegen, und die Rechnung schliesst Jahr für Jahr mit einem Minus ab. Über 2 Millionen beträgt das Defizit, das die Investoren decken. Einer von ihnen heisst Bernhard Alpstaeg, dessen Firma Swisspor die Rechte am Stadionnamen besitzt. Und Alpstaeg, ein erfolgreicher Unternehmer, hat entdeckt, wie einfach es ist, sich in der Sport-Öffentlichkeit wirksam zu inszenieren. Es braucht nur einen kernigen Spruch von ihm, und schon ist ihm eine Schlagzeile garantiert. Mit Vorliebe poltert er via Boulevardmedien, und dann sind die Spieler für ihn schon einmal «Buben», die er zu «einer Woche Bergwerk verknurren» möchte. Und wenn das Budget nicht eingehalten werde, wolle er «den Stecker ziehen».
Unter solchen Voraussetzungen muss Markus Babbel erfolgreich sein. Er ist seit Oktober 2014 Trainer in der Zentralschweiz und damit der dienstälteste der Liga – was angesichts seines Arbeitsplatzes keine Selbstverständlichkeit ist. Strömungen und Spannungen versucht er möglichst von seinem Team fernzuhalten. Nur ist das in einem Verein mit der überschaubaren Grösse Luzerns nicht einfach.
Der unvermeidliche Umbruch
Hinter sich hat der 44-jährige Deutsche «die schwierigste Vorbereitung überhaupt, seit ich in diesem Geschäft arbeite». Mit Marco Schneuwly, Nicolas Haas, Ricardo Costa und Markus Neumayr hat sich ein Quartett verabschiedet, ein Umbruch ist unvermeidlich. Und mit François Affolter plant der Trainer nicht mehr – er hat ihn aussortiert.
Zwar ist die Personalsituation nicht das, was Babbel Sorgen bereitet. Mit Rückkehrer Christian Schwegler (Salzburg), Olivier Custodio (war Captain in Lausanne), U-21-Nationalspieler Shkelqim Demhasaj (Schaffhausen), Nicolas Schindelholz (Thun), Marvin Schulz (Mönchengladbach) oder dem Nordkoreaner Il Gwan Jong hat er Personal erhalten, von dessen Qualität er überzeugt ist. Der neue Sportchef Remo Meyer habe «einen fantastischen Job gemacht», sagt er. Aber noch sind nicht alle Spieler verfügbar, wenn es heute mit der Europa-League-Qualifikation beim kroatischen NK Osijek losgeht – dabei merkt Babbel, dass er mit seiner Mannschaft Resultate liefern muss. Sonst könnte es ziemlich rasch turbulent werden.
Unverantwortlich findet er die kurze Sommerpause und bezieht das nicht einmal so sehr auf die physischen Herausforderungen, sondern auf die mentale Frische: «Die Jungs stehen unter Druck. In nur zwei Wochen Ferien konnten sie sich doch gar nicht richtig erholen.» Daran ändern kann er freilich nichts, und darum sagt er: «Wir arbeiten darauf hin, dass wir unsere Zuschauer begeistern werden. Aber es muss allen bewusst sein, dass es am Anfang holprig werden kann.»
Holprig, das ist ein Ausdruck, der irgendwann aus dem Luzerner Vokabular gestrichen werden soll – zumindest, wenn es nach CEO Kälin geht. Wie sagt er doch? «Die Leute müssen das Gefühl bekommen, dass sie etwas verpassen, wenn sie nicht im Stadion sind.» In diesem Sinne: Vorhang auf.
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