«Machts gut. Ich kann nicht mehr atmen»
64 Besucher einer Mall in Sibirien kamen in einem Flammenmeer um, darunter vermutlich 40 Kinder. Die zwölfjährige Viktoria rief noch ihre Mutter an, bevor sie starb.
Die Region Kemerowo in Sibirien trägt Trauer und gedenkt der Toten des Grossbrandes in einem Einkaufszentrum. Die meisten der 64 Toten sind Kinder.
Auf Anordnung von Gouverneur Aman Tulejew gilt in der sibirischen Region im Kusbass ab Dienstag dreitägige Trauer – zum Gedenken an die Todesopfer des Grossbrandes in einem Einkaufszentrum vom Sonntag. Auch die Hafenstadt Wladiwostok im Fernen Osten Russlands verkündete aus Solidarität mit den Opfern eine dreitägige Trauer.
Am Morgen erschien überraschend Präsident Wladimir Putin in Kemerowo und legte einen Blumenstrauss an einer Mauer des Einkaufszentrums nieder. Dort hatten zuvor Bewohner der Stadt Blumen, Kerzen und Spielsachen abgelegt, ebenso wie Fotos der Opfer.
Verletzte noch in Spital
Bei der Katastrophe starben insgesamt 64 Menschen, unter ihnen möglicherweise rund 40 Kinder, wie die Agentur Interfax unter Berufung auf informierte Quellen berichtete. Am Montag wurden noch 15 Verletzte im Spital stationär behandelt, unter ihnen ein Elfjähriger, dessen Gesundheitszustand als «schwierig» beschrieben wurde.
Viele der Opfer waren Kinder, die nach Angaben von Zivilschutzleiter Wladimir Putschkow zunächst nicht identifiziert werden konnten. Eine Schulklasse aus der Provinz war zum Zeitpunkt des Brandes dort in einem Kino.
Offenbar hatten schwere Verstösse gegen Sicherheitsbestimmungen wie blockierte Notausgänge zu der Katastrophe beigetragen. Vier Verdächtige wurden festgenommen.
64 Menschen seien ums Leben gekommen, sagte Katastrophenschutzminister Wladimir Putschkow nach seiner Ankunft in Kemerowo dem russischen Fernsehen. Diese endgültige Bilanz berücksichtige auch sechs Todesopfer, die noch unter den Trümmern begraben seien. Unter den Toten seien mindestens neun Kinder, sagte eine örtliche Sprecherin des Katastrophenschutzministeriums der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Unter den Todesopfern befindet sich auch die erst zwölfjährige Viktoria Pochankina, die mit ihrer Schulklasse im Kino war. Die Lehrer hatten die Kinder alleine in die Vorstellung geschickt und gingen in der Mall shoppen. Alle Erwachsenen überlebten, die Kinder der Klasse sind tot.
Das Mädchen hat noch im Inferno ihre Mutter angerufen. «Wir brennen. Die Türen sind alle geschlossen, wir können nicht raus», sagte Viktoria. «Ich liebe euch, macht's gut. Ich kann nicht mehr atmen.»
Ersten Ermittlungen zufolge war das Feuer am Sonntagnachmittag in einem Kinosaal in der obersten Etage ausgebrochen. Ein Augenzeuge namens Konstantin sagte dem Radiosender BFM, Schulklassen aus den umliegenden Dörfern seien zu diesem Zeitpunkt in dem Kino gewesen.
War Alarmsirene ausgeschaltet?
Ein elfjähriges Kind und eine 18-jährige Frau, die vor den Flammen aus dem dritten Stock in die Tiefe sprangen, erlitten schwere Verletzungen, wie Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa dem Fernsehsender Rossia 24 sagte. Zehn weitere Verletzte wurden demnach ins Krankenhaus gebracht.
Das russische Ermittlungskomitee leitete eine strafrechtliche Untersuchung ein und stellte bereits «schwerwiegende Verstösse» gegen Bau- und Nutzungsvorschriften fest. Vier Verdächtige wurden demnach festgenommen, darunter der Pächter der Räumlichkeiten, in denen das Feuer ausbrach, und der Chef des Unternehmens, das die Shoppingmall verwaltet.
Ein fünfter Verdächtiger werde überprüft. Er arbeitet für eine Sicherheitsfirma, die die Alarmsirene in dem Einkaufszentrum ausgeschaltet haben soll. Die örtlichen Behörden erklärten, zu den «zahlreichen Verstössen» zählten ein fehlender Feueralarm und blockierte Notausgänge im Kino.
«Alle begannen zu rennen»
Zeugen des Unglücks sagten im russischen Fernsehen, es habe kein akustisches Warnsignal gegeben. «Die Menschen fingen einfach an, auf den Ausgang zuzurennen. Dann roch es verbrannt. Da haben wir begriffen, dass das keine Übung war», sagte eine Frau dem Sender Rossia 24.
Die Kreml-Beauftragte für Kinderrechte, Anna Kusnezowa, sagte im Fernsehen, es gebe Schutzvorschriften, aber diese würden nicht eingehalten. Die jetzige Katastrophe müsse Anlass dafür sein, die Sicherheit in anderen derartigen Einkaufszentren zu überprüfen.
Dach eingestürzt
Das im Zentrum von Kemerowo gelegene Einkaufszentrum beherbergt neben Geschäften und dem Multiplex-Kino eine Bowlingbahn, eine Sauna und Restaurants. Dichter Rauch erschwerte die Arbeit der rund 300 Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Erst nach rund sechseinhalb Stunden war der Brand unter Kontrolle.
Das Dach des Einkaufszentums stürzte fast vollständig ein, auch der übrige Gebäudekomplex war einsturzgefährdet. Am Montag drang erneut Rauch aus dem Gebäudekomplex, so dass die Feuerwehr erneut Wasserspritzen einsetzte. Die Schadenssume wurde auf mehr als drei Milliarden Rubel (42,6 Millionen Euro) geschätzt.
Putin schickt Hilfe
Russlands Staatschef Wladimir Putin sprach den Angehörigen der Brandopfer über seinen Sprecher Dmitri Peskow sein «tiefes Beileid» aus. Die Stadtverwaltung von Kemerowo rief eine dreitägige Trauerzeit für die Stadt mit ihren knapp 550.000 Einwohnern aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schickte Putin ein Kondolenztelegramm, auch Papst Franziskus übermittelte den Russen sein Mitgefühl.
Es war das schlimmste Brandunglück in Russland seit Jahren. Im April 2013 waren bei einem Brand in einer psychiatrischen Klinik im Grossraum Moskau 38 Menschen ums Leben gekommen. Im September desselben Jahres starben 37 Menschen durch ein Feuer in der Ortschaft Luka im Nordwesten Russlands, ebenfalls in einer psychiatrischen Einrichtung. 2009 hatte es 156 Tote bei einem Nachtklub-Brand in der Stadt Perm gegeben.
SDA/nd
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