Macrons Stierkämpferin
Frankreichs Präsident will die Hälfte der Kandidatenplätze für die Parlamentswahl an Anfänger vergeben. Eine von ihnen ist die Torera Marie Sara.

Nein, sie müsste sich das nicht antun. Marie Sara mag weder den Rummel noch die Hetzerei von einem Wahlkampftermin zum nächsten. Schüchtern, fast eingeschüchtert spricht die 52 Jahre alte Kandidatin von der Welt der Politik, die sie in Paris erwartet: die Intrigen auf den Korridoren der Macht, das Gefeilsche. Die Mutter dreier Kinder gibt offen zu, dass sie sich nicht gerüstet fühlt für das Amt einer Abgeordneten in Frankreichs Nationalversammlung. Noch nicht. «Das ist alles Stress für mich», sagt sie. Dabei streicht sie sich eine Strähne ihrer blonden Haare aus dem Gesicht und lacht: «Aber so bin ich – ich liebe Stress!»
Marie Sara, die Polit-Novizin, ist ein Adrenalinjunkie. Sie liebt den Nervenkitzel, und sie dringt gerne in Welten vor, die eigentlich tabu sind. Vor mehr als 30 Jahren setzte sich die zierliche Frau aus wohlhabender Pariser Familie in den Kopf, die Macho-Welt des Stierkampfes zu erobern. Als beste Torera zu Pferde wurde sie zu einem umjubelten Star, in einem Spielfilm durfte sie sich selbst darstellen. Vor vier Wochen hat sich Sara nun auf «ein neues Abenteuer» eingelassen. Bei der Parlamentswahl von morgen tritt sie für La République en Marche an, die Partei von Präsident Emmanuel Macron. Laut Umfragen sind ihre Chancen gut, dass sie nach der Stichwahl am 18. Juni im Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung, ihre nächste Arena finden wird.
Das sind ganz neue Töne
Eingebrockt hat ihr diese neue Karriere der Präsident persönlich. Kurz nach seinem Wahlsieg am 7. Mai hatte Emmanuel Macron bei Sara angerufen. Man kannte sich. Saras verstorbener Ehemann, der PR-Unternehmer Christophe Lambert, und Macron hatten sich vor zehn Jahren als Mitglieder einer Beraterkommission in Paris angefreundet. «Und wenn einen der Präsident bittet, dann sagt man nicht Nein», sagt Sara.
Macron hatte als Zeichen des Neubeginns versprochen, die Hälfte aller Kandidatenplätze an politische Anfänger zu vergeben. Zugleich suchte En Marche händeringend ein prominentes Gesicht im erzkonservativen Département Gard. Der Landstrich zwischen der wilden Camargue und dem altehrwürdigen Nîmes ist eine Hochburg des Front National, 2012 hat hier der Rechtsextremist Gilbert Collard gewonnen. Der bullige Populist ist landesweit der einzige FN-Politiker, der sich nun zur Wiederwahl stellt. Sara, die telegene Torera, soll diesen politischen Stier für Macron erledigen – und sie räumt ein, dass sie dieses Duell reizt: «Collard ist ein Demagoge, ein Rassist, er steht für alles, was mich anwidert. Diese Gegend ist meine Heimat. Ich will nicht, dass die Leute länger sagen, hier würden Faschos regieren.»
Klare Worte
So unverblümt redet Sara auch über andere. Etwa über Macrons Vertrauten Richard Ferrand, der als Minister der jungen Regierung ihre erste Affäre bescherte. «Er muss abtreten», sagt sie. Diese Offenheit ist ein Risiko, das En Marche bewusst eingeht. Viele der neuen Abgeordneten, die von der Macron-Welle ins Parlament getragen werden, sind ohne Erfahrung: Fraktionszwang, politische Etikette und die Finessen parlamentarischer Gesetzgebung müssen sie lernen.
«Auf keinen Fall», so schwört Sara, wolle sie Berufspolitikerin werden. Nach fünf Jahren sei Schluss. Bis dahin aber will sie etwas bewegen für ihre Wahlheimat, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei 40 Prozent liegt und wo es weder ein öffentliches Gymnasium noch eine Berufsschule gibt. Sie hat Angst, die Leute im Gard zu enttäuschen: «Das würde mir den Atem rauben.» Die Politik in Paris, so spricht sie sich Mut zu mit dem typischen Optimismus einer Macronistin, «das kann ich lernen – weil ich es will».
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