Magnums Reise zum Heiligen Vater
Sonntagsausflug nach Martigny VS, wo Bernhardiner zum Hospiz pilgern – und einer sogar weiter.

Nervös steht Claudio Francesco Rossetti, Präsident der Stiftung Fondation Barry in Martigny und gläubiger Katholik, auf dem Petersplatz in Rom. Neben ihm zerrt sein Hund unruhig an der Leine: Magnum, das Prachtexemplar eines Bernhardiner-Rüden, 18 Monate jung, 70 Kilo schwer, fühlt sich offensichtlich nicht wohl in seinem Fell; der Hund will nichts wie weg von diesem merkwürdigen Ort. Und jeden Moment kann der Heilige Vater auftauchen.
Rossetti erzählt die Episode immer wieder gern – es ist die Story seines Lebens: Die Zeitungen waren voll davon, damals, vor einem Jahr, als er einer Delegation angehörte, die zur Audienz im Vatikan geladen war. «Aber das, was mir im Nachhinein wie ein veritables Wunder vorkommt», erinnert sich Rossetti, «das hab ich noch nie öffentlich erzählt.» Es hat mit seinem zweiten Vornamen zu tun und mit dem heiligen Franz von Assisi. Der konnte mit den Tieren reden – und dieser Papst hat seinen Namen angenommen.
Weltweit sind in den Zuchtbüchern rund 9000 Nachfahren jenes legendären Ur-Barry registriert, der vor hundert Jahren auf der Passhöhe des Grossen St. Bernhard vierzig Menschenleben gerettet hat.
Heute steht sein ausgestopfter Balg im Naturhistorischen Museum von Bern, während es im «Barryland», am Stadtrand von Martigny, zu- und hergeht wie im hölzernen Himmel: Auf dem Parkplatz hat ein schwäbischer Car eine Ladung reiselustiger Rentner in die Freiheit entlassen. Alle schwärmen aus zur Cafeteria, zum Souvenirshop und ins Barry-Museum. Und vor allem Richtung Hundekinderstube, wo eine wilde Rasselbande die Besucherschar in helles Entzücken versetzt.
Hier tummelt sich ein gutes Dutzend Barry-Welpen; tollpatschig schlagen sie kühne Purzelbäume, verbeissen sich in Hosenstösse und Rockzipfel und fahren der Hundepflegerin mit ihren nassen Zungen übers Gesicht. Mit stoischer Ruhe beobachten die Mütter und Väter das ausgelassene Treiben ihrer Zöglinge, während eine Tierpflegerin ihnen ein Halsband anlegt, verziert mit weissen Kreuzen auf rotem Leder. Wer die Hunde begleiten will, kann sich zu einem organisierten Auslauf anmelden. In den Sommermonaten werden aus den Spaziergängen Bergwanderungen.
Ein Fässchen Kräuterschnaps für den Papst
Denn die Tage der ausgewachsenen Hunde im Talboden sind gezählt: Mitte Juli ziehen sie, feierlich geschmückt, hinauf zum Hospiz auf den Pass, der ihnen Heimat ist und dessen Namen sie tragen – dorthin, wo die Chorherren schon seit Jahrhunderten Hunde züchten. Selbstverständlich sind Besucher auch hier oben willkommen.
Der Sommer währt auf dem Pass nur drei Monate: Anfang Oktober steht wieder der Alpabzug auf dem Jahresprogramm der Hunde. Für viele beginnt der Arbeitsalltag: Die schönsten und kräftigsten Tiere werden zur Zucht abgestellt, die gutmütigen und pflegeleichten zum Einsatz im «Sozialdienst» delegiert. Denn nichts kann die Seelen kranker, einsamer, dementer oder schwermütiger Menschen besser erwärmen als ein weicher, warmer Koloss, der sich liebevoll an den zweibeinigen Freund schmiegt.
Zurück nach Rom: Plötzlich wird am anderen Ende des Platzes eine Tür geöffnet und heraus tritt, gemessenen Schrittes, der Heilige Vater. Im selben Moment ist Magnum wie verwandelt – schwanzwedelnd marschiert er zielstrebig auf den Mann mit dem weissen Gewand zu, grad so, als wolle er einen alten Kumpel begrüssen. Der Papst krault den Hund unterm Kinn und bemerkt schmunzelnd: «Da fehlt doch was! Beim nächsten Mal soll er sein Whiskyfass mitbringen!»
So was lässt sich einer wie Claudio Rossetti nicht zweimal sagen. Er verzichtet darauf, den Papst zu belehren, dass das Whisky-Fässli ins Reich der Sagen und Legenden gehört. Aber er ist von Stund an ein Pilger geworden und nutzt jede Gelegenheit, um mit Magnum den Weg nach Rom unter die Füsse und Pfoten zu nehmen; jedes Mal fügt er der Reise nach Rom eine weitere Etappe an. Sobald die beiden erneut auf dem Petersplatz stehen, hängt er dem Hund ein Holzfass ans Halsband, «gefüllt mit Bergkräuterschnaps vom Grossen St. Bernhard»!
Im Gegenzug erwarte er weder eine Heilig- noch eine Seligsprechung für Magnum, scherzt Rossetti und äussert einen durchaus weltlichen Wunsch: «Magnum und ich sind froh, wenn der Papst sich dafür einsetzt, dass die UNO Barrys Heimat rund um den Grossen St. Bernhard als Weltkulturerbe anerkennt.»
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www.fondation-barry.ch
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