Mamablog: Anstrengende FragephaseMamas Elend mit meinen Warums
Oder weshalb wir unseren Kindern mehr Fragen als Antworten bieten sollten.

Die Warum-Phase unseres Grossen hatte ihren Durchbruch ausgerechnet zu der Zeit, als seine kleine Schwester zur Welt kam. Dies hatte zur Folge, dass seine gewichtigen Fragen oft mit der gleichen Aussichtslosigkeit im Babygeschrei untergingen, wie meine Kapazität, auch noch als wandelnde Suchmaschine für kleine Weltentdecker zu walten.
Aber er gab nicht auf. Kaum öffnete er am – jeweils sehr, sehr frühen – Morgen die Augen, heftete er sich an meine Fersen, tappte hinter mir her und fragte über alles und jedes: «WALUM?». «Walum Mama scheint die Sonne?», «Walum ist die Tasse grün?», «Walum ist heute nicht Weihnachten?»,«Walum, Walum, Walum?»
«Was glaubst denn du?»
Als ich also mal wieder eine schlaflose Nacht hinter mir hatte und in meinem Hirn kaum noch meinen eigenen Namen, geschweige denn die Antwort auf seine neueste Frage fand, seufzte ich matt: «Sohn, ich brauche eine Warum-Pause!»
Er schaute mich an, in seinem Hirn ratterte es sichtbar und dann kam, was kommen musste:
«Walum?» Ich war also gezwungen, einen Weg zu finden, der sowohl seinem grossartigen Wissensdrang als auch meiner etwas weniger glanzvollen Überforderung gerecht wurde. Diesen fand ich – erst als Überlebensstrategie, dann aus Überzeugung – darin, ihm nicht länger Wikipedia ähnliche Antworten zu liefern, sondern schlicht zurückzufragen: «Was glaubst denn du, warum?». Und je öfter ich diesen Satz wiederholte, umso einfacher und mit immer weniger Kraftaufwand liess sich dieser auch mitten im fordernden Alltag abrufen.
Ab diesem Moment wurden aus «Walum?» kleine, philosophische Gespräche.
Plötzlich stellte ich fest, dass es bei diesem Spiel nicht um meine pfannenfertigen Antworten geht, sondern darum, ihn in seinem eigenen Denken zu begleiten. Von da an wurde es nicht nur richtig spannend, sondern seine eigenen Überlegungen verwurzelten sich in seinem Kopf auch viel kraftvoller als Muttis fixfertiger Eintopf aus der Dose. Ab diesem Moment wurden aus «Walum?» kleine, philosophische Gespräche, welche die erschöpfende Einbahn im Keller versenkte und deren spannende Inhalte auch mir Kraft spendeten.
Fragen wollen selbst erforscht sein
Wir Eltern haben ja manchmal die etwas anstrengende Angewohnheit, unseren Kindern ständig die Welt erklären zu wollen. Klar, wir meinen es gut. Wir wollen unser Wissen weitergeben, schliesslich soll der Nachwuchs wissen, wie man in der Not ein Mammut erlegt. Oft ist das auch gut und richtig so. Doch manchmal sind unsere neunmalklugen Belehrungen etwas zu viel des Guten. Denn nicht wenige Fragen wollen selbst erforscht sein. Und es macht nicht nur mehr Spass, sondern auch mehr Sinn, Kinder in ihrem Denken-Lernen zu begleiten, statt für sie das Lexikon zu spielen.
Denn eigenständig denkende Menschen braucht unsere so komplex und widersprüchlich gewordene Welt dringender denn je. Phantasie und eigene Gedanken sind der grösste Rohstoff künftiger Erwachsener eines Planeten, in der viele gepfadete Wege nicht mehr greifen. Und genau diese Ressource können wir mit unseren Kindern trainieren, statt sie ihnen abzugewöhnen. Indem wir es sind, die fragen: «Warum?»
Das Alter bringt mehr Fragen als Antworten
Heute sind unsere beiden Kinder in einem Alter, in dem sie mit bedeutend mehr Antworten als Fragen um sich schmeissen. Und da auch kein Baby zeitgleich schreit, vermisse ich dieses Hinterfragen manchmal. Denn mir geht es genau umgekehrt als den beiden: Je älter ich werde, je mehr Wissen ich habe, umso klarer wird mir, wie wenig davon wirklich absolut ist. Je mehr Antworten ich gefunden zu haben glaube, umso mehr neue Fragen stellen sich mir. Wie dicht unsere Sicht der Wahrheit mit uns selbst, unserer Kultur und unserer persönlichen Geschichte verknüpft ist, wird immer deutlicher. Zumal ja jeder von uns seine ganz persönlichen Fragen hat, die er oder sie seit Jahren so hartnäckig wie erfolglos zu ergründen versucht. In meinem Fall lauten diese unter anderem:
Wie bringe ich in einem Wellnessbereich die sogenannte Erlebnisdusche zum Laufen, ohne mich zu verbrühen oder sie zu zerstören? Wie trete ich aus dieser entzückenden Dusche unverletzt und mit solch gleichgültiger Miene heraus, als hätte ich persönlich ihre Gebrauchsanweisung verfasst? Und ist es wirklich so, dass alle ausser mir – verfluchtnochmal – wissen, wie man solch ein Ding zum Laufen bringt?

Warum drängen sich morgens im Bus alle mit kampfverzerrtem Gesicht um die Türe, obwohl hinten im Bus alles leer ist? So war das zumindest vor der Zeit, als es dem Kick eines Banküberfalls gleichkam, den Mindestabstand zur nächsten Tanne nicht einzuhalten. Warum schloss damals also nie einer auf, obwohl nicht anzunehmen war, dass der Chef im Büro wartet, ihnen begeistert auf die Schulter klopfte, wenn sie 15 Sekunden früher als die anderen vor Ort waren, um sie dann zum Mitarbeiter des Jahres zu küren?
Haben auch Sie solch ungelöste Rätsel? Dann fragen sie doch mal Ihre Kinder.
Denn, wenn Sie Glück haben, erhalten sie von diesen sogar eine Antwort auf eine Frage, die sie sich noch nie gestellt haben.
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