
Markus Kägi (SVP) wurde vor zwölf Jahren vom kantonalen Ombudsmann, dem wohl besten, den Zürich je hatte, zum Regierungsrat. Seine Vergangenheit – auch Kantonsratspräsident und Notar-Stellvertreter war er einst – prägte ihn als Regierungsrat. Er blieb mehr Moderator als Visionär, mehr Verwalter als Gestalter und war nie ein knallharter Entscheider. «Er ist äusserst liebenswürdig, kann gut zuhören – man muss ihn einfach gern haben», sagt die grüne Fraktionschefin Esther Guyer.
Und doch war Kägi ein Visionär. Einst war der Bau eine Anfängerdirektion, in die man jene frisch Gewählten steckte, denen man weder die Finanzen noch die Volkswirtschaft oder die Justiz zutraute. Heute ist der Bau eine Schlüsseldirektion, die Schaltstelle zwischen Raumplanung, Naturschutz, Umwelt, Klima, Luft, Wasser, Bau und Verkehr. Greta Thunberg würde in Zürich vor Kägis Bürotür sitzen. Wenn der grüne Martin Neukom bei der Ressortverteilung am 6. Mai nicht den Bau erhält, kommts zu Protesten. Und gleichzeitig reklamieren die Bürgerlichen den Bau für sich.
«Die Notwendigkeit des Umweltschutzes habe ich von Anfang an erkannt», sagt Kägi. Und das ist kein Witz. Kaum gewählt – er schnappte damals der GLP Verena Dieners Sitz weg –, fiel der neue Umweltminister durch grüne Aktionen auf. Er kreuzte im Solarboot auf, um für alternative Energien zu werben, er demonstrierte als «Schirmherr des Waldes», wie man Holzöfen richtig anfeuert, um die Feinstaubbelastung zu senken. Im orangen Bauarbeiter-Gwändli montierte Kägi, der neue Baudirektor, hoch oben Stromsparbirnen in Strassenlampen. In Ellikon an der Thur fuhr er im Weidling vor und pflanzte eine Eiche, um den Start der Arbeiten für den Hochwasserschutz und der Auenlandschaften zu markieren.
Kägi setzte früh auf Klimaschutz. Und doch würde Greta Thunberg heute vor seinem Büro sitzen.
In den zwölf Kägi-Jahren jedoch ist die Zürcher Umwelt nicht so viel gesünder geworden, wie sich das viele wünschen. 40 konkrete Vorstösse zur Verbesserung des Klimas wurden im Zürcher Kantonsparlament in den letzten Monaten abgelehnt, stiessen im Regierungsrat auf Gegenwehr, oder sie dümpeln auf der Traktandenliste. Kägi ist Jäger und Naturfreak, sein Bemühen für die Umwelt ist echt. «Leider hat er nicht das Durchsetzungsvermögen, um sich in der Regierung und gegenüber der SVP durchzusetzen», sagt die Grüne Esther Guyer.
Auch SP-Kantonsrat Ruedi Lais sagt: «Markus Kägi ist ein sehr liebenswürdiger und loyaler Mensch – aber ebenso loyal ist er gegenüber der SVP und der Axpo.» Die SVP dankt ihm das: Bei den Wahlen 2015 machte Kägi in der SVP 98 Prozent aller möglichen Stimmen, bei den anderen Parteien aber klar am wenigsten. «Kägi ist nicht sehr kämpferisch, er suchte als Axpo-Verwaltungsrat nie den Konflikt, um den Atomausstieg zu forcieren», sagt Lais.
Kägi sieht das anders. In seiner Amtszeit habe man den CO2-Verbrauch pro Jahr und Person von 7 auf 4,2 Tonnen reduziert. Eine 2000-Watt-Gesellschaft, wie sie die Stadt Zürich anstrebt, entspreche einer einzigen Tonne CO2. «Das ist im Moment unrealistisch, ich lüge die Leute nicht gerne an.» Um den heutigen Atomstrom zu ersetzen, brauche es entweder Gaskombikraftwerke – «oder dann halt die dritte Generation von Atomkraftwerken».

Während ihm die Linken Zögerlichkeit beim Umsetzen von Klimamassnahmen vorwerfen, geht Kägi für seine eigene Partei zu forsch voran. «Die Grünen konnten mit Kägi mehr als zufrieden sein, er ist ihnen für meinen Geschmack zu viel entgegengekommen», sagt SVP-Kantonsrat und Bauer Martin Haab. Kägi sei «zu grün und zu wenig SVP» und habe immer seine Fachstellen für Natur, Landschaft und Wasser gepflegt. Bei jeder Budgetdebatte versuchte seine eigene Partei, in diesem Bereich Stellen zu sparen, meist erfolglos. Und doch gibts auch Lob von der SVP: «Wenigstens setzt er nicht kopflos auf Alternativenergien und stellt uns den Strom ab», sagt Martin Haab.
Kägis wohl grösste Leistung ist die Revision des Richtplans mit einer Siedlungsentwicklung nach innen. «Der Richtplan ist die Mutter aller Dinge», sagt er. 2014 hatte ihn der Kantonsrat nach sieben Jahren Vorarbeit in einer 33-stündigen Debatte fast einstimmig gutgeheissen.Weitere riesige Brocken drücken oder drückten auf Kägis breite Schultern: das Hochschulgebiet Zürich-Zentrum, die neue Nutzung der Klosterinsel Rheinau oder die Eröffnung des AgroVet-Strickhofs. Und dann natürlich die Westumfahrung Zürich samt A4 im Konauer Amt, der Hochwasserschutz Sihl, Zürichsee und Limmat mit einem Entlastungsstollen zwischen Sihl und Zürichsee sowie schliesslich das neue Jagdgesetz.
Kägi hatte in seinen zwölf Jahren nie einen Skandal oder Eklat verursacht, und er ist mit seiner bedächtigen Art auch nie in einen Fettnapf getreten. Tolggen im Abschlusszeugnis hat er aber einige. Die Kulturlandinitiative wäre unter ihm zum Papiertiger verkommen, hätte das Bundesgericht nicht eingegriffen. Zu lange liess er Uetliberg-Wirt Giusep Fry zu viele Freiheiten. Und auch die Regelung des Mehrwertausgleichs bei Ein- und Aufzonungen haben Baudirektion und Parlament nicht geschafft: Der Bund musste einen Einzonungsstopp verhängen. Das Wassergesetz schliesslich scheiterte, weil der Kantonsrat ihm zu viel bürgerliche Schlagseite verpasste – gegen Kägis freundlichen Rat.

Besonders auffällig ist die Mühe der Baudirektion, Grossprojekte zu realisieren. Da war das Planungsfiasko beim Massnahmenzentrum Uitikon, und bis heute dauert der epische Knatsch ums Polizei- und Justizzentrum (PJZ). Vor wenigen Tagen musste die Regierung weitere 50 Millionen einschiessen, damit wie versprochen alle Abteilungen Platz haben. Das spricht aber auch für Kägi: Keine einzige Partei hat reklamiert; alle sind froh, dass das Kasernenareal frei wird. SP-Kantonsrat Lais nimmt Kägi in Schutz: «Nicht er war mit dem PJZ überfordert, sondern die staatlichen Strukturen sind einem solchen Grossprojekt nicht gewachsen.»
Markus Kägi hatte vor zwölf Jahren eine Direktion übernommen, die nach dem Streit zwischen Rita Fuhrer und Dorothée Fierz zutiefst verunsichert war. Mit seinem ausgleichenden Charakter und viel Vertrauen in seine Leute hat Kägi eine offene Direktion geformt, die wie kaum eine andere ein ausgeprägtes Kundenbewusstsein hat – gegenüber Bevölkerung, Politikern, aber auch den Medien. Markus Kägis Führungsphilosophie: «Ich habe meine Leute so geführt, dass sie begeistert arbeiten – aber sich auch getrauen, einmal ‹Gopferdammi› zu sagen, ohne dass ihnen der Kopf abgehauen wird.»
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Markus Kägi zwischen Greta und SVP
Der Baudirektor hört auf. Er begann als grüner Solarförderer, blieb der AKW-Lobby treu und mühte sich mit Uetliberg-Wirt Fry ebenso wie mit dem PJZ ab.