Martin Ebner kauft Jets für Helvetic Airways
Der Investor will mit regionalen Flügen nach dem US-Modell den Markt aufmischen. Doch lässt sich das System auf Europa übertragen?

In der schlichten schwarzen Windjacke könnte man ihn für einen der Gäste halten. Doch der Mann, der da in der Menge in einem Hangar am Flughafen Zürich steht, hat eben Hunderte Millionen ausgegeben. Martin Ebner hat für seine Fluggesellschaft Helvetic zwölf Embraer E190-E2 gekauft, die laut offizieller Preisliste 730 Millionen Dollar kosten. Zudem hat er sich Optionen für den Kauf von zwölf weiteren Exemplaren des Jets aus Brasilien gesichert.
Ebner wäre nicht Ebner, wenn er den Kauf nicht durchgerechnet hätte. Der Mann, der einst die Schweizer Finanzindustrie in Aufruhr versetzte, hat mit den neuen Flugzeugen viel vor. Helvetic Airways soll bald europaweit eine wichtige Rolle spielen. Das Projekt liege ihm am Herzen, sagt er. «Ich werde in den nächsten Jahren viel meiner Zeit damit verbringen.»
Kaufpreis von 500 bis 600 Millionen Dollar
Ebner hat nicht den offiziellen Preis für die Flugzeuge bezahlt; bei grösseren Bestellungen sind Rabatte die Regel, am Markt schätzt man für die Helvetic-Bestellung einen Kaufpreis von 500 bis 600 Millionen Dollar. Bezahlt hat Ebner das aber «aus der eigenen Tasche» – über die Beteiligungsgesellschaft Patinex, die ihm und seiner Frau Rosmarie gehört. Patinex vermietet die Flieger dann an Helvetic.
Für ihn, so Ebner, bedeute das schlicht die Diversifikation seines Portfolios. Alle seine anderen Investments hätten «keinen berechenbaren Cashflow». Doch bei den Flugzeugen sei das anders. «Am Anfang geht der Cash weg, aber dann kommt er aus dem Flugbetrieb wieder rein.» Dass Ebner nicht einfach ein Luftfahrtfan, sondern von Haus aus Banker ist, merkt man spätestens nach dieser Aussage.
Gutes Verhältnis mit dem Geschäftsführer von Helvetic
Vielleicht kommen deshalb auch Ebner und Helvetic-Geschäftsführer Tobias Pogorevc so gut miteinander aus – Pogorevc, erst seit April an der Spitze von Helvetic, war zuvor seit 2007 Finanzchef der Airline. Wenn er übers Geschäft redet, verzichtet er auf das in der Luftfahrt verbreitete Pathos, jedes Wort ist wohlüberlegt. Ebner, als dominante Persönlichkeit bekannt, respektiert die Meinung des Managers, man ist per Du, vertraut sich. Das ist auch nötig, denn viel von dem, was Ebner vorhat, muss Pogorevc umsetzen – und im Unternehmen dabei die Stabilität und die Identität der Airline wahren. Derzeit beschäftigt Helvetic 421 Mitarbeiter. «Wir sind eigentlich ein Familienbetrieb», sagt Ebner.
Bisher fliegt Helvetic Airways mit Flugzeugen vom Typ Fokker 100 und älteren Maschinen von Embraer. Ihr Geschäft baut auf drei Standbeinen auf: dem sogenannten Wet-Lease-Geschäft – der Vermietung von Flugzeugen und Crew an andere Airlines –, Charterflügen für Reiseveranstalter und Firmen sowie einer Handvoll Linienflügen auf Nischenstrecken. Doch das könnte sich schon ändern, wenn 2021 das letzte Flugzeug eingetroffen ist. «Dann sind wir die modernste Regionalairline Europas», sagt Ebner.
Der Investor aus dem Kanton Schwyz geht davon aus, dass sich der Markt hier ähnlich wie in den USA entwickelt. Dort lagern die grossen Anbieter wie American, Delta oder United ihr Regionalfluggeschäft an spezialisierte Airlines aus. So fliegt etwa die Anbieterin Republic Airways im Wet Lease für alle drei grossen Fluglinien. «Für mich würde es sehr viel Sinn machen, wenn das Modell auf Europa übergreift», so Ebner.
«Sollten wir vergrössern, könnte es sein, dass wir irgendwann ausschliesslich im Wet-Leasing-Bereich tätig sind.»
Erste Anzeichen dafür sieht er bereits. «Grosse Airlines tätigen ihre Investitionen im Produkt für die Langstrecke», sagt er und nennt als Beispiel die Verbesserungen von Swiss in der First- und der Businessclass. «Ich gehe davon aus, dass etablierte Fluggesellschaften sich langfristig darauf beschränken werden, das Interkontinentalgeschäft zu betreiben, und das Regionalgeschäft auslagern.» Für Helvetic würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass die beiden anderen Standbeine an Bedeutung verlieren. «Sollten wir vergrössern, könnte es sein, dass wir irgendwann ausschliesslich im Wet-Leasing-Bereich tätig sind», so Ebner.
Bisher ist die Lufthansa-Gruppe die wichtigste Kundin in dem Bereich. Vier Flugzeuge sind allein für die Swiss im Einsatz, zwei Fokker 100 fliegen für Lufthansa ab München. Und Ebner ist sich bewusst: «Die Abhängigkeit von nur einem grossen Kunden ist natürlich immer ein Risiko.» Er strebt daher an, dass Helvetic auch für andere grosse europäische Airlines wie British Airways oder Air France fliegt. Für die Verhandlungen mit potenziellen neuen Kunden sind die Optionen wichtig, denn «zwölf Flieger sind für das Wet-Leasing-Geschäft das absolute Minimum», so Ebner. Es sei wichtig, den Kunden klarzumachen, dass man ausbauen könne.
Airlines müssen auf Dienstleister zugreifen
Doch wie realistisch ist Ebners Markteinschätzung? «Ich bin skeptisch, ob sich das US-Modell eins zu eins auf Europa übertragen lässt», so Heinrich Grossbongardt, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Expairtise. Der Regionalverkehr in Nordamerika sei anders beschaffen. So pendeln etwa in den USA viel mehr Menschen per Flugzeug als in Europa.
Dennoch sieht er auch Chancen. «Der Wet-Leasing-Markt in Europa wächst.» Das liegt daran, dass die Airlines ihr Netz schneller ausbauen, als sie neue Flieger erhalten. Dann müssen sie auf Dienstleister zugreifen. «Die Zukunft manch einer kleinen Airline könnte daher in dem Modell liegen», so Grossbongardt. Im Liniengeschäft könnten Kleine sich kaum noch gegen die Marktmacht der Grossen behaupten.
Ist bald Schluss mit dem «Familienbetrieb»?
Das bestätigt Helvetic-Chef Pogorevc. Linienflüge seien für Helvetic eine «nette Ergänzung, aber kein eigenes Standbein». Es sei enorm schwierig, dort eine Nische zu finden. «Und sobald eine Strecke gut läuft, kann dann eine grosse Airline rein und drückt die Preise.» Auch er sieht die Zukunft der Fluggesellschaft daher im Wet Leasing.
Sollte Helvetic in dem Bereich tatsächlich so wachsen, wie es Ebner sich vorstellt, wird sich einiges ändern. Schluss mit Familienbetrieb. «Dann müssen wir neue Strukturen schaffen», so Ebner. Mit «wir» ist vor allem Tobias Pogorevc gemeint. Denn ohne den richtigen CEO habe eine Fluggesellschaft heute keine Chance, sagt Ebner. Und knufft dabei Pogorevc in die Seite.
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