Martin-Suter-Roman wird in Zürcher Hürlimann-Villa verfilmt
Filme nach Stoffen von Martin Suter boomen. Nach «Giulias Verschwinden» kommt bald «Lila, Lila» ins Kino. Und auch «Der letzte Weynfeldt» ist nun in Arbeit.
Der Mosaikboden in der Eingangshalle ist mit Plastik abgeklebt, vor dem Treppenhaus eine falsche Wand eingezogen, von der Decke hängt Lichtgestänge. Wir befinden uns in der Villa Sihlberg in Zürich, 1898 vom Bierbrauer Albert Heinrich Hürlimann erbaut. In dem romantischen Wohnschlösschen finden die Dreharbeiten zu «Der letzte Weynfeldt» statt.
Dreimal Suter
«Weynfeldt» ist schon der dritte Film innerhalb eines Jahres, der auf Texten des Schweizer Bestsellerautors Martin Suter basiert. Suter schrieb das Drehbuch zur Alterskomödie «Giulias Verschwinden» (mit 130000 Zuschauern der erfolgreichste Schweizer Film 2009). Jetzt geht es auch mit seinen Romanadaptionen Schlag auf Schlag: «Lila, Lila» läuft nächste Woche in den Kinos an (siehe nebenstehende Filmkritik). Regie führte der Aargauer Alain Gsponer, der nach preisgekrönten TV-Auftragsarbeiten in Deutschland («Rose», «Bummm!») nun auch Suters «Weynfeldt» inszeniert und dazu erstmals in der Schweiz dreht.
Im Wohnzimmer der Villa Sihlberg, das von dunklem Holz, schweren Möbeln, Spiegeln und Bildern dominiert wird, sitzt der Hausherr. Es ist der Berner Schauspieler Stefan Kurt. Gekleidet in einen dunklen Massanzug von Al Ferano, verkörpert er Suters Titelfigur: Adrian Weynfeldt ist ein schwerreicher Kunstexperte, distinguiert, distanziert, ein Mann ohne Leidenschaften, der eigentlich nur darauf wartet, von seinen Nächsten hintergangen zu werden.
Frisches Glas, frisches Bier
In der zu drehenden Szene hat Weynfeldt Besuch von dessen verarmtem Malerfreund Strasser (gespielt von Roeland Wiesnekker), der sich auf Kosten des Hausherrn betrinkt, bevor er ihm an den Karren fährt. Dazu muss aber erst ein sauberes Weinglas her. Und ein frisches Bier. Gsponer holt letzteres selbst, stellt es auf den Tisch und weist Wiesnekker an, die Flasche etwas später anzusetzen und etwas mehr zu lamentieren als in der Probe zuvor.
«Weynfeldt ist eine ausgesprochen passive Figur», sagt Stefan Kurt in einer Drehpause. «Das ist das Schwierige, aber auch das Reizvolle an dieser Rolle.» Es liege an ihm, den Part des Reagierenden so spannend zu gestalten, dass der Zuschauer nicht wegzappe. Regisseur Alain Gsponer ergänzt: «Weynfeldt ist eine Kunstfigur. Er muss immer etwas über der Realismus-Schwelle agieren.»
Tatsächlich sieht Stefan Kurts Lächeln jeweils einen Tick zu aufgesetzt, eine Nuance zu künstlich aus, um noch als zwanglos durchzugehen. Ist es dieses gepflegte Amüsement, das typisch ist für Suter-Stoffe? «Ja», sagt Stefan Kurt. Der Berner muss es wissen, hat er doch bereits in «Giulias Verschwinden» eine tragende Rolle verkörpert. Gsponer präzisiert: «Wir wollten diesen leicht satirischen Tonfall beibehalten, mussten die Geschichte jedoch verdichten und alles aus dem Buch, was die Handlung vorantreibt, an den Anfang des Films verschieben.»
Wieder wird ein Weinglas gewechselt. Wieder kommt ein frisches Bier. Der Regisseur lässt dieselbe Szene aus anderer Perspektive wiederholen. Näher am Spiegel. Dichter bei Weynfeldt.
Besuch zahlte sich aus
Es ist übrigens kein Zufall, dass Gsponer bekam, was viele gerne gehabt hätten – die Rechte an Martin Suters Büchern. «Ich flog zusammen mit meinem ‹Lila, Lila›-Hauptdarsteller Daniel Brühl nach Ibiza und bat Suter persönlich darum.» Inzwischen ist aus der Bitte ein regelrechter Suter-Boom geworden; und niemand hätte mehr Grund, sich über den filmischen Dreifach-Coup zu freuen, als der Autor selbst. Allein, ein schwerer Schicksalsschlag trübt das Glück. Kurz nach der Premiere von «Giulias Verschwinden» am Filmfestival Locarno starb Suters dreijähriger Sohn. Die Lebensfreude sei weg, gestand der Autor kürzlich dem «Spiegel». «Ich muss jeden Tag neu mit den Gedanken an diesen Tod aufstehen und zu Bett gehen.» Was bleibt, ist die Unbeschwertheit, wie sie aus Suters verfilmten Büchern spricht.
«Giulias Verschwinden» läuft im Kino. «Der letzte Weynfeldt» wird 2010 ausgestrahlt.
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